Die Religionsfreiheit in der Verfassungsbeschwerde

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Artikel 4 des Grundgesetzes schützt die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses. Damit handelt es sich um eine umfassende Garantie der Religionsfreiheit des Einzelnen.

Freie Wahl der Religion

Der Bürger hat das Recht, seinen Glauben frei zu wählen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um einen Glauben handelt, der den großen christlichen Kirchen (römisch-katholisch und evangelisch) entspricht, oder ob jemand einer ursprünglich nicht hierzulande beheimateten Religion angehört. Auch Personen, die einer komplett individuellen Glaubenslehre angehören, sowie Atheisten werden geschützt. Der Staat muss sich insofern weltanschaulich neutral verhalten und darf einzelne Religionen weder bevorzugen noch aus dem verfassungsrechtlichen Schutz ausnehmen.

Das Grundrecht steht grundsätzlich jedem Bürger unabhängig von seinem Alter zu. Allerdings geht man davon aus, dass Jugendliche erst ab 14 Jahren religionsmündig sind, also eine eigene Entscheidung über ihre Religion treffen können. Vorher steht das Recht den Eltern im Rahmen der Kindererziehung zu. Diese Regelung stammt aus dem „Gesetz über die religiöse Kindererziehung“, wird aber auch zur Auslegung von Art. 4 GG herangezogen.

Schutz religiöser Handlungen

Geschützt wird zunächst der persönliche Glaube, also die Überzeugung, dass bestimmte religiöse Ansichten richtig sind. Da sich diese Überzeugung nur in den Gedanken des Bürgers (forum internum) ausdrückt, also durch den Staat ohnehin nicht kontrollierbar wäre, wäre die Religionsfreiheit insoweit wirkungslos.

Daher nimmt die ganz herrschende Meinung an, dass auch das „forum externum“, also das Handeln aufgrund religiöser Überzeugungen, geschützt ist. Geschützt ist dabei zunächst das (wenig konfliktträchtige) Recht, religiöse Handlungen im engeren Sinne vorzunehmen, also bspw. Gottesdienste zu veranstalten oder religiöse Kleidung zu wählen. Der Staat darf den Bürger aber darüber hinaus auch nicht zu etwas zwingen, das dieser nicht mit seiner Religion vereinbaren kann, und er darf ihm nichts verbieten, der für seine Religion unabdingbar ist.

Seine Grenzen findet diese religiöse Handlungsfreiheit zunächst bei einem Missbrauch der Religion. Wer also eine religiöse Motivation lediglich vorschiebt, kann sich darauf nicht berufen. In der Praxis muss der Bürger daher seine Überzeugung zumindest nachvollziehbar darlegen. Außerdem findet die Religionsfreiheit ihre Schranken in den Rechten anderer Personen. Dies führt dazu, dass sich bspw. Verstöße gegen allgemeine strafrechtliche Bestimmungen, die mit Religion nichts zu tun haben, normalerweise nicht durch die Glaubensfreiheit rechtfertigen lassen.

Allerdings muss der Staat beim Erlass von Verboten grundsätzlich beachten, wie er die religiösen Überzeugungen der Bürger schützen kann. Insoweit bedarf es eines „schonenden Ausgleichs“ zwischen den betroffenen Rechtsgütern. Dessen genaue Ausgestaltung ist hochgradig einzelfallabhängig und häufig Gegenstand von Verfassungsbeschwerden. In den letzten Jahren ging es dabei unter anderem um die Zulässigkeit religiöser Symbole im Staatsdienst, um die Beschneidung von neugeborenen Jungen, um das Verbot des Schächtens und um die Rechte kirchlicher Arbeitgeber. Diese Konflikte sind größtenteils noch immer nicht völlig gelöst.

Kollektive Religionsfreiheit

Neben den einzelnen Gläubigen selbst können sich auch die durch sie gebildeten Organisationen (ob nun Kirchen, Vereine oder lose Zusammenschlüsse) auf die Religionsfreiheit berufen, sog. kollektive Religionsfreiheit. Insoweit gilt teilweise auch das Staatskirchenrecht, das sich aus Art. 140 GG in Verbindung mit den – insoweit noch immer geltenden – Bestimmungen der Weimarer Verfassung herleitet. Einige Kirchen haben in diesem Rahmen einen teilstaatlichen Charakter, nämlich den einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Gewissensfreiheit

Die Gewissensfreiheit schützt dagegen innere Überzeugungen, die nicht in religiösem Kontext stehen. Insbesondere geht es dabei um die Überzeugung, was richtig und was falsch ist, wo also der Unterschied zwischen Gut und Böse liegt. Niemand soll gezwungen werden, etwas zu tun, das ihm grundlegend widerstrebt.

Die Grenzen für diese Freiheit sind aber relativ eng. Insbesondere folgt aus der Gewissensfreiheit nicht das Recht, sich aussuchen zu können, welche Gesetze man befolgen möchte und welche nicht. Rein politische Überzeugungen reichen nicht aus. Außerdem wird dem Bürger regelmäßig zugemutet, einem Gewissenskonflikt durch eigene Entscheidung auszuweichen und bspw. keinen Beruf zu ergreifen, bei dem er notwendigerweise gegen sein Gewissen wird handeln müssen (bspw. das Tragen der Dienstwaffe als Zeitsoldat).

Auch insoweit bedarf es letztlich einer Abwägung zwischen verschiedenen Verfassungsgütern. Einen unbedingten Vorrang der Gewissensfreiheit gibt es nicht. In einer Verfassungsbeschwerde wird man stets prüfen müssen, ob nicht auch noch andere Grundrechtspositionen in Frage kommen.

Eine spezielle Ausprägung der Gewissensfreiheit ist das Recht der Kriegsdienstverweigerung (Art. 4 Abs. 3 GG).


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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