Wann und wie darf der Staat in unsere Grundrechte eingreifen?

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Die Grundrechte des Grundgesetzes sind sehr umfassend. Vom Eigentum über die Familie bis hin zu Beruf und Religion sind vielerlei Aspekte des täglichen Lebens durch eigene Grundrechte geschützt. Was sonst nirgends explizit erwähnt ist, fällt unter die allgemeine Handlungsfreiheit.

Grundrechte sind nicht grenzenlos

Dies würde also bedeuten, dass der Staat den Bürgern praktisch nichts verbieten und auch keine Pflicht auferlegen dürfte, weil alles in irgendeiner Form mit den Grundrechten kollidiert.

Darum sind die Grundrechte nicht grenzenlos zu verstehen, der Staat darf also in diese eingreifen. Unterlägen diese Eingriffsmöglichkeiten aber keinen Schranken, wären die Grundrechte nichts wert.

Wann und wie der Staat in Grundrechte eingreifen darf und welche Rahmenbedingungen er hierbei beachten muss, war und ist Gegenstand rechtswissenschaftlicher Diskussionen. Dieser Artikel soll einen groben Überblick dazu bieten.

Eingriff nur durch Gesetz

Wichtig ist, dass jeder Eingriff in Grundrechte nur im Wege eines Gesetzes stattfinden darf. „Gesetz“ bedeutet hier ein Gesetz im engeren Sinne, also eine durch das Parlament beschlossene Rechtsnorm. Die Einschränkung kann entweder unmittelbar durch das Gesetz erfolgen, also durch ein ausdrückliches Verbot.

Möglich ist es aber auch, dass das Gesetz nur den Behörden die Möglichkeit gibt, ein solches Verbot zu verfügen. Damit letztere Möglichkeit nicht zu einer Aushöhlung des Gesetzesvorbehalts führt, muss das Gesetz die wesentlichen Gründe für eine Grundrechtseinschränkung und die zulässigen Maßnahmen zumindest grob skizzieren und darf nicht alles des Behörden überlassen (Wesentlichkeitsdoktrin).

Bei einigen Grundrechten muss das Gesetz auch ausdrücklichen sagen, dass es diese Grundrechte einschränkt (Zitiergebot). Dies gilt aber nur für diejenigen Grundrechte, deren Einschränkbarkeit schon im Grundgesetz steht.

Es gibt also Grundrechte, die bereits von selbst regeln, dass sie einschränkbar sind. Teilweise ist eine Eingriff nur in bestimmten Fällen zulässig, so kann die Freizügigkeit bspw. nur bei Seuchen, Naturkatastrophen oder ähnlichen Gefahren eingeschränkt werden. Soweit überhaupt keine Einschränkbarkeit vorgesehen ist, ist diese trotzdem möglich, darf aber nur zugunsten anderer Grundrechte erfolgen.

Verhältnismäßigkeit des Eingriffs

Wenn nach diesen Regeln ein Eingriff zulässig ist, muss dieser aber verhältnismäßig sein. Zu dieser Verhältnismäßigkeit gehören folgende Aspekte:

  • Zweck: Der Grundrechtseingriff muss einen legitimen Zweck verfolgen, bspw. andere Personen oder Interessen des Staates schützen wollen.
  • Eignung: Der Grundrechtseingriff muss auch tatsächlich dazu dienen, diesen Zweck zu erreichen. Der Zweck darf also nicht nur vorgeschoben sein.
  • Erforderlichkeit: Der Grundrechtseingriff muss notwendig sein, um den Zweck zu erreichen. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Zweck auch durch eine andere, keine Rechte beschränkende Vorgehensweise erreicht werden kann.
  • Angemessenheit bzw. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne: Die eingeschränkten Grundrechte dürfen nicht klar gegenüber dem angestrebten Zweck überwiegen. Allerdings kann diese Verhältnismäßigkeit nicht streng mathematisch festgestellt werden und darf das Verfassungsgericht auch nicht den Gesetzgeber bevormunden. Dieser Prüfungspunkt kann also nur ein völlig Ungleichgewicht zwischen Mittel und Zweck erfassen.

Geringe Hürden erfordern gezieltes Vorgehen

Insgesamt sind die für grundrechtsbeschränkende Gesetze und Maßnahmen geltenden Hürden, auch als „Schranken-Schranken“ bezeichnet, nicht besonders hoch. Es ist also umgekehrt schwer, eine Grundrechtsverletzung und damit einen Verfassungsverstoß durch den Staat zu begründen.

Darum ist es in einer Verfassungsbeschwerde besonders wichtig, genau herauszuarbeiten, wo man einen Verstoß sieht. Hierfür empfiehlt sich die Konsultation eines auf Verfassungsbeschwerden spezialisierten Rechtsanwalts.

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