In welchem Verhältnis steht die Kurzarbeit zu einer Kündigung?

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In beiden Fällen liegt ein verringerter Bedarf an Arbeitskraft vor. Reduziert sich der Arbeitskräftebedarf in einem Unternehmen, hat der Arbeitgeber die Möglichkeit sei-nen Mitarbeitern betriebsbedingt zu kündigen oder sie in Kurzarbeit zu schicken. Die Kurzarbeit erscheint hier für beide Parteien vorzugswürdig, weil der Arbeitgeber sei-nen eingearbeiteten Mitarbeiter behält und der Arbeitnehmer sich keine neue Arbeit suchen muss.

Das bedeutet jedoch nicht, dass die Kurzarbeit ein milderes Mittel zur Kündigung darstellt. Die Kündigung ist nicht nachrangig, denn die Voraussetzungen der Kurzar-beit sind andere, als die der Kündigung. Es handelt sich um zwei alternative Fälle:

Die Kurzarbeit kommt immer dann in Frage, wenn der Arbeitskräftebedarf vorüber-gehend verringert ist, § 95 SGB III. Der Ausfall muss vorübergehend, unvermeidbar und auf wirtschaftlichen oder einem unabwendbaren Ereignis beruhen. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Saisonarbeit. Aktuell kommt es aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie branchenübergreifend zu einem verringerten Bedarf von Arbeitskräften. Sobald es die Pandemielage zulässt, wird der Bedarf wieder stei-gen. Auch darin liegt eine vorübergehende Bedarfsverringerung.

Die betriebsbedingte Kündigung hingegen erfordert (§ 1 Abs. 2 Kündigungsschutzge-setz (KSchG)) ein dringendes betriebliches Erfordernis. Dieses Erfordernis muss mit der dauerhaften Verringerung des Arbeitskräftebedarfs begründet werden.

Darin liegt der Unterschied: Die Kurzarbeit ist nur eine vorübergehende Maßnahme, während die Kündigung dauerhafter Natur ist.

Der Arbeitgeber muss also bei verringertem Arbeitskräftebedarf prognostizieren, wie lange der Arbeitsausfall anhalten wird. Er kommt dabei entweder zu dem Ergebnis, dass der Arbeitsausfall dauerhafter Natur ist oder dass der Wegfall nur vorüberge-hend andauern wird. Demnach stehen Kündigung und Kurzarbeit in einem Alterna-tivverhältnis zueinander. Bei der Kurzarbeit kann es sich also nicht um ein milderes Mittel handeln. Der Arbeitgeber kann nicht zunächst auf die Kurzarbeit zurückgreifen, wenn die Voraussetzungen der Kündigung gegeben sind.

Das bedeutet jedoch nicht, dass der Arbeitgeber nicht mit Abgrenzungsproblemen konfrontiert sein kann. Die Prognose des Arbeitgebers ist gerichtlich vollständig überprüfbar. Der gekündigte Arbeitnehmer kann bestreiten, dass die Voraussetzun-gen einer betriebsbedingten Kündigung vorliegen und behaupten, dass der verringer-te Bedarf nur vorübergehender Natur ist. Gleichzeitig kann die Agentur für Arbeit be-streiten, dass die Voraussetzungen der Kurzarbeit erfüllt sind, wenn Umstände nahe-legen, dass der Arbeitskräftebedarf dauerhaft verringert war.

Falsche Prognoseentscheidung?

Den Arbeitgeber trifft die Beweislast bezüglich der Umstände, die seiner Prognose-entscheidung zugrundeliegen. Es wird daher empfohlen, die betriebliche Lage zu do-kumentieren, wenn Kündigung oder Kurzarbeit in Betracht kommen.

Trifft der Arbeitgeber die falsche Prognoseentscheidung, setzt er sich einem Pro-zessrisiko aus.

Der Arbeitgeber kann sich gegenüber dem Arbeitsamt rückerstattungs- oder scha-densersatzpflichtig bezüglich des an ihn ausgezahlten Kurzarbeitergeldes machen, wenn er die Kurzarbeit anordnet, obwohl die Voraussetzungen nicht vorlagen. An-dersherum kann der Arbeitnehmer mittels einer Kündigungsschutzklage die Kündi-gung für unwirksam erklären lassen, wenn der Beschäftigungsbedarf nur vorüberge-hend verringert war. Eine unwirksame Kündigung hat zur Folge, dass der Arbeitneh-mer rückwirkend einen Anspruch auf den nicht ausgezahlten Lohn hat.

Sperrwirkung?

Trotz des Alternativverhältnisses entfaltet die Kurzarbeit keine Sperrwirkung ge-genüber der Kündigung. Eine Kündigung kann zulässig sein, auch wenn sich der Ar-beitnehmer zu diesem Zeitpunkt in Kurzarbeit befindet. Erforderlich dafür ist, dass neue Umstände hinzugetreten sind, die ein anderes Prognoseergebnis rechtfertigen. Wenn sich ergibt, dass der Arbeitskräftebedarf nicht mehr nur vorübergehender Na-tur ist, ist die Kündigung zulässig. (BAG vom 23. Februar 2012 – 2 AZR 548/10).


Foto(s): Lindemann Rechtsanwälte

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