Kann das Tragen eines Kopftuchs durch den Arbeitgeber verboten werden?

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Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hatte in 2 Rechtssachen (C-157/15 und C-188/15) am 14.03.2017 entschieden, dass der Arbeitgeber das Tragen eines Kopftuchs verbieten kann.

Der erste Fall stammt aus Belgien. Im April 2006 teilte eine Arbeitnehmerin ihrem Arbeitgeber mit, dass sie in Zukunft ein Kopftuch tragen werde. Der Arbeitnehmerin wurde daraufhin von der Geschäftsleitung mitgeteilt, dass das sichtbare Tragen von religiösen, politischen oder philosophischen Zeichen während der Arbeitszeit nicht gestattet ist, da es der Neutralität gegenüber den Kunden widerspricht.

Im Mai 2006 wurde eine Anpassung der Arbeitsordnung bei der Arbeitgeberin mit Billigung des Betriebsrates vorgenommen, wonach es unter anderem während der Arbeitszeit verboten ist, sichtbare Zeichen zu tragen, die auf politische, religiöse oder philosophische Überzeugungen hinweisen. Da die Arbeitnehmerin jedoch nicht auf das Tragen des Kopftuchs verzichten wollte, wurde sie entlassen. Sie klagte gegen die Kündigung. Das höchste ordentliche Gericht in Belgien (der Kassationshof, Hof van Cassatie) legte die Rechtssache dem EuGH vor. Es fragte, ob die allgemeine interne Regel eines privaten Unternehmens, während der Arbeit kein Kopftuch zu tragen, mit dem Unionsrecht vereinbar ist, insbesondere ob es eine unmittelbare Diskriminierung darstellt.

Im 2. Fall ging es um einen Fall aus Frankreich. Eine Softwaredesignerin trug während der Arbeit ein Kopftuch und ein Kunde der Arbeitgeberin beschwerte sich darüber. Die Arbeitnehmerin wurde zuvor bereits darauf hingewiesen, dass im Betrieb ein Neutralitätsgrundsatz gegenüber den Kunden bestehe, sodass kein Kopftuch getragen werden soll. Da die Arbeitnehmerin dem nicht folgte, wurde sie ebenfalls gekündigt und klagte gegen die Entlassung. Das höchste ordentliche Gericht in Frankreich (der Kassationsgerichtshof) legte die Sache dem EuGH vor.

In beiden Fällen hat der EuGH darauf hingewiesen, dass keine unmittelbare Diskriminierung vorliege, wenn alle Arbeitnehmer gleichbehandelt werden. Zudem ist der EuGH der Auffassung, dass das Bild der Neutralität, welches gegenüber den Kunden abgegeben werden soll, Ausfluss der unternehmerischen Freiheit ist. Wenn Arbeitnehmer beim Entscheidungsprozess zum „Bild der Neutralität“ einbezogen werden (hier die vom Betriebsrat gebilligte Arbeitsordnung), spricht dies zunächst einmal für die Rechtmäßigkeit.

In den beiden Rechtssachen müssen die jeweiligen nationalen Gerichte jetzt entscheiden, ob in den Einzelfällen die Kündigungen gerechtfertigt waren oder nicht. Zudem müssen sie jeweils noch prüfen, ob eine sogenannte mittelbare Diskriminierung vorliegt.

Bewertung der Entscheidung:

Die Entscheidung des EuGHs bewegt sich im Spannungsfeld zwischen der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, der Unternehmerfreiheit und dem unionsrechtlichen Diskriminierungsverbot. Sie gibt Arbeitgebern insofern durch die Einführung von Arbeitsordnungen die Möglichkeit, auf eine bestimmte Ordnung hinzuwirken, wenn dies für erforderlich erachtet wird. Insofern stärkt sie das unternehmerische Handeln auf diesem Gebiet. Ob die deutschen Arbeitsgerichte dem folgen, bleibt fraglich.

Das Bundesverfassungsgericht hatte Beschluss vom 27.01.2015 -1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10 das pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte an öffentlichen Schulen als verfassungswidrig erachtet. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hat mit Urteil vom 09.02.2017 (14 Sa 1038/16) einer Bewerberin eine Entschädigung zugesprochen, da diese bei einem Bewerbungsverfahrens aufgrund des Tragens eines muslimischen Kopftuches im Sinne des § 7 AGG benachteiligt wurde. Sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben es jeweils als maßgeblich angesehen, dass durch das Tragen eines Kopftuchs eine konkrete Gefährdung vorliegen müsse.


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