LG Dortmund 10 O 10/21, Rechtsmissbrauch und die Schwierigkeiten einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung

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Seit nunmehr etwas mehr als einem halben Jahr ist die Reformierung des Wettbewerbsrechts durch Neufassung des UWG, dabei in erster Linie in Bezug auf Fragen rund um die wettbewerbsrechtliche Abmahnung in Kraft. Wie es der übliche Lauf der Dinge ist, werden sich nach und nach Gerichte mit den Problematiken der Reform befassen. So auch vor einiger Zeit das Landgericht Dortmund 10 O 10/21.

Der recht kurze Beschluss des Landgerichts zeigt auf, welche Schwierigkeiten sich ergeben können, wenn nicht sauber am Gesetz gearbeitet wird. Auf der anderen Seite zeigt der Beschluss des Landgerichts Dortmund aber auch, dass mit nur geringfügigen Abweichungen durchaus abweichende Ergebnisse erzielt werden können.


Warum ging es:

Ende Januar 2021 (also gut 2 Monate nach Inkrafttreten der Änderungen des UWG) wollte A, ein Anbieter von Haushaltsartikeln gegen einen anderen Anbieter B vorgehen, welcher auf der Verkaufsplattform ebay über einen nur als privat ausgewiesenen ebay-account Waren angeboten hat, obwohl er wohl als gewerblicher Verkäufer einzustufen war. Das diese Annahme zutreffend und B tatsächlich kein privater sondern ein gewerblicher Anbieter war, soll an dieser Stelle einmal unterstellt werden.

Es folgte daher eine Abmahnung des A gegen B wegen fehlender Pflichtangaben im Sinne des TMG, wegen einer fehlenden Widerrufsbelehrung sowie wegen fehlender Information zur OS-Plattform. Im Grunde also das Standardpaket. A forderte den B dabei zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und ebenso zur Erstattung der Abmahnkosten auf. Für die Kosten setzte der A einen Streitwert von 30.000,00 € an. Soweit ersichtlich blieb B jedoch regungslos, sodass A beim Landgericht Dortmund den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragte.


Was sagte das Landgericht Dortmund dazu?

Das Landgericht Dortmund 10 O 10/21 wies den Antrag des A zurück. Es begründete seine Entscheidung damit, dass das Vorgehen des A rechtsmissbräuchlich im Sinne des neuen § 8c Abs. 2 Nr. 3 UWG sei. Dabei verwies es darauf, dass nunmehr Rechtsmissbrauch anzunehmen ist, wenn zu hohe Gebühren gefordert werden. Daraus schließt das Landgericht – sicherlich zutreffend – dass Rechtsmissbrauch erst recht dann gegeben ist, wenn Gebühren für Sachverhalte gefordert werden, in denen dies nicht mehr zulässig ist.

Der A mahnte den B hinsichtlich zahlreicher Informationspflichten ab. Auch wenn das Nichtbereithalten der Informationen sicherlich in der Konsequenz einzig daraus resultierte, dass der B sein ebay-Angebot als privat und nicht als gewerblich ausgewiesen hat, war Gegenstand des Ganzen die Abmahnung und Durchsetzung einzig dieser fehlenden Informationen. Für solche reinen Informationspflichten im online-Handel können jedoch gerade keine Abmahnkosten mehr verlangt werden, siehe § 13 Abs. 4 UWG. Werden solche Abmahnkosten dennoch gefordert, dann stelle sich dies  - genauso wie bei überhöhte Gebühren - als rechtsmissbräuchlich dar.

Ferner weist das Landgericht Dortmund darauf hin, dass unbeschadet der unberechtigten Kostenforderung Rechtsmissbrauch auch dann anzunehmen wäre, wenn eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gefordert wird, obwohl auch dies für den vorliegenden Sachverhalt nicht zulässig war. Dies ergab sich im vorliegenden Fall aus § 13a Abs. 2 UWG.


Und die Konsequenzen daraus?

Interessant wird es, wenn man sich im Detail die einzelnen Positionen des Verfahrens anschaut. Mit einem alternativen Vorgehen wäre durchaus ein komplett anderes Ergebnis zu erzielen. Schauen wir uns das einmal genauer an:


Variante 1

Zutreffend ist, dass eine Kostentragung nach § 13 Abs. 4 UWG dann nicht in Betracht kommt, wenn eine reine Informationspflicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs (sprich online) betroffen ist. Dazu zählen eben gerade solche wie die fehlende Belehrung über das Widerrufsrecht, fehlende Angaben nach § 5 TMG (Impressumspflicht) oder aber auch die Angaben zur Möglichkeit der online-Streitbeilegung (OS-Plattform). Das bedeutet natürlich nicht, dass diese Punkte nicht angemahnt werden dürfen, sie dürfen eben nur nicht kostenpflichtig abgemahnt werden.

Allerdings hat das gewerbliche Anbieten von Waren über einen rein als privat ausgewiesenen ebay-account auch die Rechtsfolge, dass im Sinne des UWG „unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, der Unternehmer sei Verbraucher oder nicht für Zwecke seines Geschäfts, Handels, Gewerbes oder Berufs tätig“ vorliegen, vgl. Nr. 23 Anhang zu § 3 Absatz 3 UWG. Dieses Verschleiern der Gewerblichkeit fällt unter die Liste der absolut unzulässigen Punkte, welche ohne weitergehende Prüfung immer unlauter sind. Genau dieses Verschleiern der Gewerblichkeit ist aber ausweislich der Gesetzesbegründung, BT-Drucks 19/12084 dort Seite 32, aus dem Anwendungsbereich der Kostenfreiheit des § 13 Abs. 4 UWG herausgenommen.

Wenn also A den B einzig mit Verweis auf Nr. 23 Anhang zu § 3 Absatz 3 UWG aufgrund des Verschleierns gewerblichen Handelns abgemahnt hätte, dann hätte ihm auch die Kostenerstattung zur Seite gestanden. Die Folge des Nr. 23 Anhang zu § 3 Absatz 3 UWG ist selbstverständlich, dass Unternehmer B künftig zumindest die notwendigen Angaben des § TMG aber auch sonstige Informationen bereithalten muss. Damit hätte A sein Ziel ebenso erreicht ohne dass es explizit auf § 5 TMG ankäme. Sofern dem A also der Kostentragungsanspruch zur Seite gestanden hätte, dann wäre die Abmahnung gerade nicht rechtsmissbräuchlich gewesen und der nachfolgende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wäre jedenfalls mit dem Verweis auf unberechtigte Kostenforderung gerade nicht zurückgewiesen worden.


Variante 2

Eine weitere denkbare Option wäre, wenn A den B hinsichtlich der Impressumspflicht, der Widerrufsbelehrung oder aber der OS-Plattform abgemahnt und dabei keine Kosten und keine strafbewehrte Unterlassungserklärung verlangt hätte. Denn noch einmal: die Neuerung des UWG bezweckt kein Verbot der Abmahnungen von fehlenden Belehrungspflichten. Zweck ist lediglich die Kosten für solche Abmahnungen zu reduzieren bzw. entfallen zu lassen und die Folgen einer strafbewehrten Unterlassungserklärung im Falle der Erstabmahnung zu mindern. Hätte im Anschluss B als auf eine solche Abmahnung keine Reaktion gezeigt, hätte A problemlos auch eine einstweilige Verfügung beantragen können. Für die einstweilige Verfügung wiederum hätte B die vollen Kosten tragen müssen, denn merke: die Kostenfreiheit nach § 13 Abs. 4 UWG besteht nur für die vorgerichtliche Abmahnung von Verbraucherbelehrungen, nicht hingegen für die nachfolgende gerichtliche Durchsetzung.


Was aber sind nun überhöhte Gebühren?

Interessant ist ferner die Frage des Rechtsmissbrauchs bezüglich „überhöhter Gebühren“. Nicht nur die Forderung von schlicht nicht zulässigen Gebühren bedingt einen Rechtsmissbrauch, sondern auch die Forderung überhöhter Gebühren. Damit wäre im Zweifel das Landgericht Dortmund zur gleichen Entscheidung gekommen, wenn A zwar nur das Verschleiern der Gewerblichkeit abgemahnt hätte (Variante 1), er aber dafür ebenso einen Streitwert von 30.000,00 € zur Berechnungsgrundlage genommen hat.

Zumindest ist dies den Ausführungen des Landgerichts Dortmund zu entnehmen, denn die große Frage ist: was ist ein noch vertretbarer Streitwert und ab wann ist er überhöht? Die Rechtsprechung war vor der Reform des UWG uneinheitlich und sie wird es mangels konkreter Vorgaben auch weiterhin sein. Vorliegend sieht das Landgericht Dortmund für das einstweilige Verfügungsverfahren einen Streitwert von 15.000,00 € als maßgeblich. Da ein einstweiliges Verfügungsverfahren stets niedriger zu bewerten ist, als eine Hauptsacheklage und damit wie eine Abmahnung selbst, siehe dazu die Regelung des § 51 GKG, wäre ausgehend von 15.000,00 € für das einstweilige Verfügungsverfahren noch ein Aufschlag zu machen, sodass dann ein Wert irgendwo zwischen 18.000,00 € und um die 20.000,00 € ansetzbar wäre. Ob aber nun die Streitwertdifferenz von 20.000,00 € zu 30.000,00 € für eine Abmahnung derart erheblich ist, sei dahingestellt. Umgerechnet auf die Anwaltskosten würde das bedeuten, der B müsste Abmahnkosten in Höhe von 1.295,43 € (bei einem Streitwert von 20.000,00 €) statt 1.501,19 € (bei einem Streitwert von 30.000,00 €) zahlen. Damit wäre der effektive Unterschied lediglich 205,76 €. Selbst bei einem Streitwert von 15.000,00 € würden immer noch brutto 1.134,55 € anfallen, sodass die Frage nach der Grenze hin zu einem überzogenen Wert wohl großzügig der Auslegung zugänglich sein dürfte und nach wie vor von den Gerichten unterschiedlich eingeschätzt werden wird.

Genau diese Schwammigkeit in den Begrifflichkeiten war einer der großen Kritikpunkte von allen Seiten im Rahmen der Gesetzesreform. Warum der Gesetzgeber vollkommen beratungsresistent eine in der Praxis eher unbefriedigende Gesetzreform beschließt, bleibt weiterhin rätselhaft.


Praxistipp: Dieser nur kurze Beschluss des Landgericht Dortmund zeigt exemplarisch die Schwierigkeiten der geänderten Gesetzeslage. Dringend ist davon abzuraten, bei Erhalt einer Abmahnung vorschnell einen Rechtsmissbrauch anzunehmen, nur weil eine Abmahnung ggf. auch in Bezug auf Informationspflichten ausgesprochen wird. Hier gilt es umso mehr genau zuschauen, was der eigentliche Gegenstand der Abmahnung ist.

Gleiches gilt für die Frage der Erstattung von Kosten. Nicht jede Kostenerstattung ist unzulässig und nicht jeder Betrag ist per se überhöht. Gerade mit der weitestgehenden Abschaffung des „fliegenden Gerichtsstands“ ist die Kenntnis der jeweiligen oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung in Bezug auf die Streitwerthöhe gerade auch im eigenen Gerichtsbezirk essentiell, sodass schnell Irrtümer auftreten können, wenn unterschiedliche Gerichte unterschiedliche Streitwerte als akzeptabel annehmen.

Nur am Rande sei ebenso angemerkt: sofern das Landgericht Dortmund die Abmahnung des A für rechtsmissbräuchlich hält, hat A im Zweifel nicht nur das gerichtliche Verfahren verloren, sondern muss ebenso dem B dessen Kosten für dessen Verteidigung gegen die Abmahnung selbst erstatten. Das ist die Konsequenz aus dem neuen § 8c Abs. 3 UWG. Das gilt selbst dann, wenn B tatsächlich vollkommen fehlerhaft seine Angebote initiiert hat und A in der Sache eigentlich recht hatte. Auch dieses Haftungsrisiko zeigt deutlich auf, dass das Instrument der Abmahnung maßvoll und vor allem nur nach exakter Sachverhaltsprüfung verwendet werden sollte.


Sollten auch Sie von einer Abmahnung betroffen sein, können Sie mich gern kontaktieren. Sie erreichen mich über das anwalt.de-Kontaktformular oder per Email.

www.ra-grunow.de

info@ra-grunow.de



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