Nettolohnoptimierung – Praxisprobleme am Beispiel der Werbeflächenvermietung

  • 5 Minuten Lesezeit

Vor kurzem ging eine Entscheidung des Bundessozialgerichts durch die Presse, mit der Werbeeinnahmen im Rahmen einer Nettolohnoptimierung  als sozialversicherungspflichtig eingestuft worden sind.

Das Urteil in seinem endgültigen und vollständigen Wortlaut ist noch nicht veröffentlicht. Zur Information der Pressestelle des Bundessozialgerichts haben wir kürzlich Stellung genommen.

Siehe mein diesbezüglicher Rechtstipp: https://www.anwalt.de/rechtstipps/tankgutscheine-44-shoppingcard-und-werbeeinnahmen-nach-entgeltumwandlung-sind-sozialversicherungspflichtig_185839.html

Sicherlich ist jeder Fall grundsätzlich die Entscheidung eines Einzelsachverhalts. Dennoch sind manche Fälle durchaus repräsentativ für bestimmte nicht ganz unübliche und häufig anzutreffende Gestaltungen oder schlicht handwerklich schlechte Bearbeitung. 


1. Hintergrund der Nettolohnoptimierung

Die Nettolohnoptimierung hat in den letzten Jahren sehr stark an Fahrt aufgenommen. Ursächlich dafür waren einerseits eine Reihe von Entscheidungen des BFH, die vieles einfacher gemacht haben, andererseits jedoch auch der Wunsch der Arbeitgeber, Mitarbeitern ein möglichst hohes Nettogehalt zukommen zu lassen, ohne selbst dafür zu viel aufwenden zu müssen. 

Die hohen Sozialversicherungs- und Steuerabzüge beim Mitarbeiter und die Sozialabgaben auf Arbeitgeberseite führen dazu, dass eine Gehaltserhöhung von 100,00 € den Arbeitgeber rund 120,00 € kostet und beim Mitarbeiter je nach Steuerklasse lediglich 50,00 € ankommen. Aus Arbeitgebersicht ist das wenig effektiv.
In diesem Kontext gewannen steuerfreie und auch sozialversicherungsfreie Gehaltsbestandteile wie der 44 € Sachbezug, die Internetpauschale, der Kindergartenzuschuss etc. etc. an Bedeutung. Der Arbeitgeber hatte die Möglichkeit, mit Zuwendung einer Tankkarte im Wert von 44,00 € bei einem effektiven Aufwand von 44,00 € dem Arbeitnehmer auch tatsächlich 44,00 € verfügbares Einkommen zukommen zu lassen. Auf anderem Wege müsste er hierfür deutlich über 100,00 € aufwenden.

Im Anschluss wurde dieses Thema immer mehr von der Versicherungswirtschaft entdeckt. Soweit Einkommensbestandteile für Entgeltumwandlung zugunsten einer betrieblichen Altersversorgung nicht zur Verfügung standen, versuchte man durch Umwandlung von sozialversicherungspflichtigem und steuerpflichtigem Bruttogehalt in steuerfreie und sozialversicherungsfreie Bausteine mehr Nettogehalt zu erreichen und damit Liquidität für die Entgeltumwandlung zu Gunsten einer betrieblichen Altersversorgung gewinnen zu können. Das steuerlich, sozialversicherungsrechtlich und letztlich arbeitsrechtlich anspruchsvolle Thema der Nettolohnoptimierung wurde im zunehmenden Stil vertrieblich genutzt, um Versicherungsverkauf vorzunehmen und zu ermöglichen.

Ein Trojanisches Pferd quasi, um dort Liquidität zu generieren, wo ansonsten keine mehr vorhanden gewesen wäre. Diese Vorgehensweise findet allerdings ihre Beschränkung darin, dass der Steuergesetzgeber nur bei manchen Vergütungsbausteinen eine Umwandlung zulässt, bei anderen sieht er ein reines Zusätzlichkeitserfordernis vor mit der Folge, dass diese Vergütungsbausteine dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nur zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitsentgelt gewährt werden können. Sozialversicherungsrechtlich wird dies noch enger gesehen und ist geregelt in § 1 SuEV.

2. Hintergrund der Werbeflächenvermietung

Die Werbeflächenvermietung ist einer von vielen Bausteinen, die man theoretisch einem Mitarbeiter zukommen lassen kann, ohne dass dafür Steuer oder Sozialversicherung anfällt. Man nutzt hier eine Freigrenze von 256,00 € für sonstige Einkünfte, zu denen auch eine Vermietung von beweglichen Gegenständen zu Werbezwecken gehört. Monatlich entspricht dies rund € 21,00. Wird also diese Freigrenze von 256,00 € nicht überschritten, sind diese 256 € sonstige Einkünfte steuerfrei. Sozialversicherungsbeiträge fallen für Vermietung grundsätzlich nicht an. Soweit so gut.
Dies alles ist allerdings nur dann der Fall, wenn es sich tatsächlich nur um Vermietung handelt, es sich also nicht um Arbeitslohn handelt, der sowohl steuerpflichtig  als auch sozialversicherungspflichtig ist. Mit anderen Worten, steht diese Vermietung in engem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder ist es gar Arbeitslohn unter anderer Bezeichnung, dann fällt grundsätzlich Steuer und Sozialversicherung an. Die Beantwortung dieser Frage orientiert sich sowohl am gesunden Menschenverstand als auch am Fremdvergleich.

3. Probleme bei der Nettolohnoptimierung

In der Praxis versuchte man häufig, die Nettolohnoptimierung schnell im Rahmen der bAV Beratung der Mitarbeiter mit zu erledigen. Für verbindliche Anfragen bzw. Lohnsteueranrufungsauskünfte war keine Zeit. Teilweise bediente man sich allgemeiner Auskünfte oder allgemeingültiger Gutachten. Entscheidend ist jedoch immer die Ausgestaltung des Einzelfalls und im Ergebnis jede Formulierung, aus der sich der wahre Hintergrund ableiten lässt. Es ist im Ergebnis leicht festzustellen, geht es hier um Eerbung und steht der Werbeeffekt im Vordergrund oder geht es um Entlohnung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses.
Besonders problematisch sind immer wieder Gestaltungen und Formulierungen, die man für die Arbeitnehmer so angenehm wie möglich gestalten wollte und damit auch so wenig vertriebshinderlich wie möglich. Arbeitgeberinteressen hinsichtlich Sicherheit und rechtssicherer Ausgestaltung geraten hier schnell in den Hintergrund. Rechtsanwälte wurde häufig genauso wenig hinzugezogen wie Steuerberater, obwohl es sich um umfangreichen Gehaltsneufestsetzungen handelt mit großer Tragweite und hohem Umfang. Siehe meinen Rechtstipp zum Dilemma der konträren Arbeitgeber und Vermittlerinteressen: https://www.anwalt.de/rechtstipps/das-dilemma-zwischen-arbeitgeberinteressen-und-kontraeren-versicherungsvermittlerinteressen-in-der-betrieblichen-altersversorgung_185885.html

4. Typische Fehler und Fallstricke

Eine Vermietung seines Fahrzeugs für Werbung kann ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch gegenüber seinem Arbeitgeber vornehmen, wenn ein Arbeitgeber diesen Werbeweg für sein Unternehmen nutzt. Auch hier ist der Fremdvergleich notwendig und hilfreich, da dieser das wesentliche Beurteilungskriterium der Finanzverwaltung ist und es darauf ankommt, ob der Arbeitgebereinen derartigen Vertrag nicht nur seinen Arbeitnehmern anbieten würde, sondern auch Fremden.

Im Rahmen des Fremdvergleichs sind insbesondere folgende Punkte zu beachten:

  • Will ein Arbeitgeber Werbung am Kfz vornehmen, wird er regelmäßig nicht nur Autos seiner Mitarbeiter anmieten, sondern so viele Fahrzeuge wie möglich
  • Er wird den Mietvertrag nicht an die Dienstzeit koppeln und ihn bei Ausscheiden enden lassen, sondern froh sein um jedes Auto mehr, das mit seiner Werbung herum fährt
  • Der Arbeitgeber wird auch nicht jedem, der in der Stadt wenige Kilometer sein Auto bewegt, eine Werbung bezahlen, sondern es von Fahrleistung etc. abhängig machen, in dem Umfang, wie es für sein Geschäft sinnvoll und nützlich ist. Hier wird entscheidend sein, ob er einen regionalen oder überregionalen Kundenkreis hat
  • Er wird sich kaum mit einer kleinen Schrift auf der Kennzeichenhalterung zufrieden geben, die kaum gesehen wird, sondern eine größere und sichtbarere Fläche verlangen
  • Er wird dies auf seiner Homepage mit akzeptablen Verträgen einem breiten Publikum anbieten und auch tatsächlich so durchführen
  • Formulierungen, die man immer wieder im Bereich der Nettolohnoptimierung sieht, wie „jederzeit zum ursprünglichen Gehalt zurückkehren“, bei Lohnerhöhungen wird der prozentuale Erhöhungssatz auch auf die zusätzlichen Entgeltbausteine gewährt (Schattengehalt), bei Ausscheiden erlischt der Vertrag etc. wird er vermeiden
  • Er wird jegliche Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis vermeiden und auch keine Umwandlung für diesen Baustein vornehmen.

    5. Fazit

    Vieles in der Nettolohnoptimierung funktioniert. Auch Verzicht und Neufestsetzung der Vergütung sind möglich. Jeder Baustein hat seine eigenen steuerlichen Regeln und Tücken und ebenso sozialversicherungsrechtlichen Anforderungen. Viele Fehler in der Praxis kann bereits der normale Menschenverstand vermeiden. Steuerliche und rechtliche Beratung und eine entsprechende Abklärung mit der Finanzverwaltung sollen bei solchen Fragen eine Selbstverständlichkeit sein, zumal es sich tatsächlich um erlaubnispflichtige Rechts- und Steuerberatung im Einzelfall handelt. 

Weitere Rechtstipps zum Thema:

 https://www.anwalt.de/rechtstipps/zunehmend-klarheit-beim-44-euro-sachbezug_184451.html

 https://www.anwalt.de/rechtstipps/betriebsrente-zum-nulltarif_181938.html

https://www.anwalt.de/rechtstipps/betriebsrente-zum-nulltarif-drei-diametral-unterschiedliche-herangehensweisen_186017.html


Um dieses Video anzuzeigen, lassen Sie bitte die Verwendung von Cookies zu.



Artikel teilen:


Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Bettina Glaab

Beiträge zum Thema