Produktschutz im Wettbewerbsrecht: Schutzreichweite bei Nachahmungen und Plagiaten

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Außerhalb des Sonderrechtsschutzes wird grundsätzlich von Nachahmungsfreiheit ausgegangen, um den Fortschritt zu fördern. Dennoch hat der Gesetzgeber die Bedeutung des Investitionsschutzes gesehen und auch außerhalt des Sonderrechtsschutzes insbesondere durch § 4 Nr. 3 UWG Produktschutz gesetzlich verankert. Damit sich Investitionen in innovative Produkte lohnen können, müssen auch die Voraussetzungen gegeben sein, sich in bestimmten Fällen gegen billige Nachahmungen bzw. gegen Plagiate wehren zu können, um Investitionskosten amortisieren zu lassen.

Verhältnis von Sonderrechtsschutz (Patent-, Gebrauchsmuster-, Sorten-, Urheberrechts- und Designschutz sowie die im Urheberrechtsgesetz geregelten benachbarten Schutzrechte) und wettbewerbsrechtlichem Nachahmungsschutz

Sonderrechtsschutz und wettbewerbsrechtlicher Nachahmungsschutz haben unterschiedliche Schutzrichtungen. Wenngleich der Bundesgerichtshof grundsätzlich den Sonderrechtsschutz vorrangig einordnet, können beide Schutzmechanismen durchaus auch nebeneinander stehen. Im Wettbewerbsrecht findet die Nachahmungsfreiheit ihre Grenze in der sog. unlauteren Nachahmung. Nicht die bloße Nachahmung – dabei sind identische Nachahmung, nahezu identische Nachahmung und Nachschaffung zu unterscheiden – genügt außerhalb der räumlich, zeitlich und sachlich beschränkten Schutzrechte, um einem Mitbewerber die Ausnutzung einer Fremdleistung zu untersagen.

§ 4 Nr. 3 UWG ist dabei eine der zentralen Anspruchsgrundlagen gegen Produktnachahmungen. Scheiden Ansprüche aus dem Urheberrechtsgesetz, Designgesetz, dem Markengesetz, der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung und der Gemeinschaftsmarkenverordnung aus, ist regelmäßig im Falle einer Produktnachahmung nur der Rückgriff auf § 4 Nr. 3 UWG möglich (seltene Ausnahmen: §§ 3, 5 Abs. 2 UWG).

Was ist eine unlautere Nachahmung?

Damit eine Nachahmung eines Mitbewerbers jedoch als unlautere Nachahmung und damit als Plagiat im Sinne der Produktpiraterie qualifiziert werden kann, müssen neben der Tatsache der Nachahmung weitere Kriterien erfüllt sein, die § 4 Nr. 3 UWG wie folgt benennt:

„Unlauter handelt, wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er

a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,

b) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder

c) die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat.“

Diese Kriterien sollen im Folgenden grob umrissen werden.

Wechselwirkung zwischen wettbewerblicher Eigenart und Nachahmung

Gegenstand des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes können Leistungs- und Arbeitsergebnisse aller Art sein. Maßgebend ist, ob dem Erzeugnis wettbewerbliche Eigenart zukommt, ob also seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofes vom 22.03.2012, Az.: I ZR 21/11).

Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (so der Bundesgerichtshof mit seinem Urteil vom 15.04.2010, Az.: I ZR 145/08).

Eine Nachahmung ist dementsprechend auch erst möglich, wenn ein Produkt eine gewisse wettbewerbliche Eigenart aufweist, die als Vorbild der Nachahmung dient und auf welche der Verkehr achtet sowie ggf. eine betriebliche Herkunft ableitet. Für die Frage, ob einem Produkt oder einer Gestaltung wettbewerbliche Eigenart im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG zukommt, ist keine schöpferische Individualität im Sinne von § 2 Abs. 2, 4 Abs. 2 UrhG erforderlich (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.05.2016, Az.: I ZR 58/16). Die wettbewerbliche Eigenart kann sich aus ästhetischen Merkmalen ergeben, aber auch aus technischen Merkmalen, soweit sie nicht eine gemeinfreie technische Lösung verwirklichen bzw. technisch notwendige Gestaltungselemente sind. (Urteil des OLG Hamburg vom 27.03.2014, Az.: 3 U 33/12).

Als Faustformel könnte formuliert werden, dass eine wettbewerbliche Eigenart immer dann vorliegt, wenn es sich nicht um Allerweltserzeugnisse handelt. Alltagswaren wird der Verkehrskreis weder einen Hinweis auf eine bestimmte betriebliche Herkunft noch andere Besonderheiten entnehmen. Es kommt dabei jedoch nicht darauf an, ob es sich um ein Massenprodukt handelt oder nicht. Entscheidend ist die Sichtweise des angesprochenen Verkehrskreises. Dies im Einzelnen vor der Frage der Nachahmung kritisch zu prüfen. Das Erfordernis der wettbewerblichen Eigenart als Voraussetzung für Ansprüche aus einem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz bezieht sich auf die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses, die diesem aus der Sicht der Abnehmer zukommen. Es genügt, dass der angesprochene Verkehr aufgrund der Ausgestaltung oder der Merkmale des Erzeugnisses die Vorstellung hat, es könne wohl nur von einem bestimmten Anbieter oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen stammen (vgl. dazu Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.05.2007, I ZR 104/04).

Unlauterkeitstatbestände: Schutz vor vermeidbarer Herkunftstäuschung, unangemessener Ausnutzung und Beeinträchtigung der Wertschätzung, Know-how-Schutz

Besitzt ein Produkt nun wettbewerbliche Eigenart und wurde es nachgeahmt, so handelt es sich dann um eine unlautere Nachahmung, wenn einer der Untergliederungen a) bis c) des § 4 Nr. 3 UWG einschlägig ist: Der Nachahmer muss grundsätzlich - soweit nur möglich - eine Täuschung über die betriebliche Herkunft durch das Nachahmungsprodukt vermeiden. Die Wertschätzung des Originalprodukts darf zudem nicht unangemessen durch den Nachahmer ausgenutzt oder beeinträchtigt werden. Des Weiteren dürfen die zur Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen nicht unredlich durch den Nachahmer erlangt worden sein. Dabei ist zumeist auf den Gesamteindruck des Original- und Nachahmungsprodukts sowie auf die konkrete Verletzungshandlung bzw. ihre Auswirkungen abzustellen. Dies sollte anhand des Einzelfalls sorgfältig herausgearbeitet werden. Nicht mehr ausreichend ist die (bloße) Herstellung kompatibler Nachahmungsprodukte, um eine Wettbewerbswidrigkeit zu bejahen. Die Rechtsfigur „Einschieben in fremde Serie“, die im Fall des Nachbaus von „Lego-Steinen“ getroffen wurde, hat der BGH mit Urteil vom 04.05.2016 (Az.: I ZR 58/14) aufgegeben:

„Bestehende[n] gewerblichen Schutzrechte, insbesondere der Schutz durch eine dreidimensionale Warenformmarke, durch ein Design oder ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster, [bieten] ausreichende Schutzmöglichkeiten. Für einen weitergehenden Schutz eines reinen Leistungsergebnisses durch die Fallgruppe des Einschiebens in eine fremde Serie nach dem wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz besteht kein Anlass mehr.“

Fazit: Produktschutz von Anfang an.

Um bei plötzlich auftretenden Nachahmungen kein böses Wunder zu erleben und der Produktpiraterie erfolgreich begegnen zu können, sollten möglichst frühzeitig geeignete Schutzmechanismen auf den Gebieten des Patent-, Gebrauchsmuster-, Sorten-, Urheber- und Designrechts unter Einbezug des Wettbewerbsrechts für Produkte erarbeitet und erörtert werden.

Für Rückfragen steht Ihnen in der Kanzlei Dr. Scholz & Weispfenning zur Verfügung:

Rechtsanwalt Thomas Ritter

Wirtschaftsmediator (MuCDR)
Datenschutzbeauftragter (DSB-TÜV)

Die Kanzlei ist seit ihrer Gründung im Jahre 1976 beratend und unterstützend bei der Durchsetzung von Rechten an Marken, Design-Schutzrechten, Patenten und Gebrauchsmustern tätig. Sie hilft bei der außergerichtlichen und gerichtlichen Abwehr unbegründeter Ansprüche und gegen unlauteren Wettbewerb eines Konkurrenten. Sie begleitet zudem Arbeitgeber und Arbeitnehmer insbesondere auch im Arbeitnehmererfindungsrecht. Die Kanzlei ist u. a. Servicepartner der Internationalen Spielwarenmesse in Nürnberg.



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