Schmerzensgeldansprüche nach „Mobbing am Arbeitsplatz“

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In der Entscheidung 10 Sa 1418/21 befasste sich das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 23.06.2022 mit der Höhe von Schmerzensgeldansprüchen infolge einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch „Mobbing“ am Arbeitsplatz.

Worum ging es im Einzelnen? Mobbing?


Die Klägerin, eine am Amtsgericht Brandenburg an der Havel tätige Justizfachangestellte, klagte gegen das Land Brandenburg. Die Klägerin ist einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Sie leidet infolge von Missbrauch in der Kindheit an physischen Erkrankungen und wird psychotherapeutisch behandelt. Die Klägerin behauptete, mehrere Rechtsverletzungen durch Vorgesetzte und Arbeitskollegen erlitten zu haben. Zum einen hätten sich Kollegen ihr gegenüber rassistisch geäußert. Zum anderen sei es zu einer sexuellen Belästigung durch einen Vorgesetzten gekommen. Er habe sie am Po berührt. Außerdem seien in ihre Personalakte Vermerke aufgenommen worden, die Behauptungen über die Klägerin enthielten, die für sie nachteilig gewesen wären. 

Diese Vermerke hätten auch Ausführungen zu subjektiven Eindrücken über die Klägerin beinhaltet. Im späteren Verlauf einigten sich Klägerin und Beklagte in einem Vergleich auf die vorläufige Entfernung der Vermerke.  Darüber hinaus sei in die Personalakte ein Beschluss gegen die Klägerin aus einem familienrechtlichen Gewaltschutzverfahren aufgenommen worden. Als die Klägerin sich um eine Stelle am Kammergericht Berlin beworben hat, habe dieses um Übersendung der Personalakte gebeten. Die Beklagte übersandte jedoch nicht nur die Grundakte, sondern eine Teilakte, die mit „TA krank“ überschrieben war. Die Klägerin behauptet, auf Grund der Belastungen am Arbeitsplatz an schwerwiegenden psychischen Folgen, bis hin zu Suizidversuchen zu leiden. Während ihrer Tätigkeit am Amtsgericht Brandenburg an der Havel erlitt die Klägerin mehrere Zusammenbrüche und wurde stationär betreut.


Was hat das Landesarbeitsgericht Berlin Brandenburg entschieden? Woraus ergab sich der Anspruch auf Schadensersatz?


Im Wesentlichen schloss sich das Gericht bei der Fallwürdigung der Vorinstanz an. Mangels infrage kommender sonstiger Ansprüche leitete es den Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 oder § 831 BGB ab.

Zu den Vorwürfen der Klägerin im Einzelnen


Die Klägerin habe weder erstinstanzlich noch in der Berufung die Vorwürfe der sexuellen Belästigung und der rassistischen Vorwürfe substantiiert dargelegt. Die Vorwürfe konnten insoweit nicht berücksichtigt werden.


Zwar stellten die zahlreichen Vermerke in der Personalakte der Klägerin eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Nachdem diese von der Beklagten entfernt wurden, entfiel die Belastung der Klägerin, sodass eine Geldentschädigung ausscheidet. Daran ändere auch der Umstand, dass Fehlblätter in die Akte eingefügt wurden, nichts. Klägerin und Beklagten hätten sich schließlich auf eine vorläufige Entfernung der Vermerke geeinigt.


Die Unterlagen aus dem familienrechtlichen Gewaltschutzverfahren seien nicht in der Personal-Grundakte beigefügt worden. Auch wenn zwischen den Parteien streitig bliebe, ob die Unterlagen in eine reine Prozessakte oder in einen anderen Teil der Personalakte eingefügt wurde, so habe die Beklagte jedenfalls keine Absicht gehabt, diese Unterlagen zu verwenden. Deswegen sah das Gericht auch hier keinen schadensbegründenden Sachverhalt.


Lediglich in der Übersendung der Teilakte „TA krank“ sah das Gericht eine schadensbegründende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Auch wenn das Kammergericht in seiner Anfrage nach einer Personalakte nicht zwischen Grundakte und Teilakte differenziert habe, so hätte die Beklagte  absehen können, dass eine vorherige Rücksprache mit der Klägerin notwendig gewesen wäre. Schließlich habe man sich erst einige Tage vor der Versendung der Akte hinsichtlich der Vermerke in der Personalakte geeinigt. Zudem regele Art. 9 DSGVO, dass besonders schützenswerte Gesundheitsangaben ohne Zustimmung der betroffenen Person nicht Dritten zugänglich gemacht werden dürften.
Die Klägerin habe jedoch nicht dargelegt, dass die Versendung der Teilakte weitreichende Folgen für sie habe. Dass etwa die schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen bis hin zu Suizidversuchen im Zusammenhang mit der Versendung stehen, habe sie nicht ausreichend vorgebracht.

Gericht sprach der Klägerin 5.000 EUR zu


Anders als die Vorinstanz beurteilte das Gericht jedoch die Schadenshöhe. Das Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel hatte der Klägerin Schadensersatz in Höhe eines Monatsbruttogehalts zugesprochen. Das Landesarbeitsgericht stellte klar, dass die Höhe des Schadensersatzanspruches nicht mit der Vergütungshöhe im Zusammenhang steht.

Was ergibt sich daraus?


Macht ein (ehemaliger) Arbeitnehmer Schadensersatz auf Grund von „Mobbing“ oder sonstigen Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geltend, so kommen nur deliktische Ansprüche in Betracht. Bei bestehendem Anspruch ist die Anspruchshöhe unabhängig von der Vergütungshöhe. Sie ergibt sich nur aus einer Wertung aller Umstände des konkreten Einzelfalles.


Rechtsanwalt Stephan Kersten

Fachanwalt für Arbeitsrecht

LINDEMANN Rechtsanwälte

Foto(s): LINDEMANN Rechtsanwälte

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