Selbstständiges Beweisverfahren oder Klage - was ist bei mangelhaften Bauleistungen sinnvoller?

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Leider häufig bei Bauvorhaben: Mängel und der Streit über diese

Nicht selten treten bei einem Bauvorhaben Mängel auf. Als wäre dies nicht bereits ärgerlich genug entsteht dann häufig mit dem zur Mangelbeseitigung aufgeforderten Bauträger, Handwerks- oder Bauunternehmen ein Streit über die Ursache und den Umfang der Mängel.

Der übliche Weg: Sachverständigengutachten und anschließende Klage

Häufig holen die Bauherren/Auftraggeber dann ein privates Sachverständigengutachten ein, um die Ursache und den Umfang der Mängel zu ermitteln. Hierdurch entstehen meist nicht unerhebliche Kosten.

Sollte aber die Gegenseite die in diesem dargelegten Mängel nach wie vor bestreiten und nicht beseitigen wollen, dann lässt sich eine rechtliche Auseinandersetzung nicht mehr vermeiden.

In den meisten Fällen rät der beauftragte Rechtsbeistand dazu, eine Klage einzureichen, um die Mängelansprüche gerichtlich durchzusetzen. Der Vorteil ist nicht nur eine endgültige Klärung der Ansprüche, sondern auch eine Hemmung der Verjährung im Hinblick auf die Mängelrechte.

Das eingeholte Sachverständigengutachten wird im Klageverfahren allerdings nur als qualifizierter Parteivortrag, nicht aber als beweiserhebliches Gutachten anerkannt. Ein Beweismittel ist nämlich nur das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen.

Lange Verfahrensdauern üblich

Ein Klageverfahren dauert in Bausachen regelmäßig mehrere Jahre. Denn das Gericht wird zunächst ein schriftliches Vorverfahren einleiten. Die Klägerpartei muss also zunächst schriftsätzlich vortragen, was sich zugetragen hat, welche Mängel bestehen und weshalb die geltend gemachten Mängelrechte bestehen.

Die beklagte Partei wird schriftsätzlich vortragen, dass keine Mängel und deshalb keine Ansprüche bestehen und die Klage kostenpflichtig abzuweisen ist.

Wenn die Sache aus Sicht des Gerichts "ausgeschrieben" ist, wird ein erster Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt werden. Bis dahin ist nicht selten schon ein halbes bis ein Jahr vergangen.

Falls es dann zu keiner Einigung kommt, wird das Gericht eine Beweisaufnahme beschließen, damit die behaupteten Mängel bewiesen werden können oder sie sich als unberechtigt erweisen. Meist wird das Gericht einen Sachverständigen beauftragen.

Bis zum Abschluss der Beweisaufnahme vergehen erfahrungsgemäß wiederum mehrerer Monate bis zu mehrere Jahre. Das hängt von der Komplexität der Mängel und der Qualität der Sachverständigengutachten ab. Sollten diese nämlich missverständlich oder unvollständig sein, muss der gerichtlich bestellte Sachverständige nacharbeiten.

Sodann wird nochmals ein Verhandlungstermin durchgeführt, bevor dann ein Urteil vorliegt. Dies kann nochmals einige Monate dauern.

Alles in allem sind deshalb Verfahrensdauern von mehreren Jahren in Bausachen nicht selten, sondern leider eher der Regelfall.

Nachteile eines Klageverfahrens: Verfahrensdauer und Kostenrisiko

Das bedeutet, dass die Mängel mindestens bis zum Abschluss der Beweisaufnahme, also mindestens für einen Zeitraum von mehreren Monaten bis hin zu mehreren Jahren, nicht beseitigt werden können. Denn andernfalls wird der Nachweis meistens unmöglich, dass die Mängel jemals bestanden.

Diese Verzögerung der Mängelbeseitigung mag bei geringfügigen Mängeln verschmerzbar sein. Sind aber beispielsweise das Dach oder der Keller undicht und lassen sich diese nicht provisorisch abdichten oder ist die Heizungsanlage defekt, führt die lange Verfahrensdauer zu langwierigen und erheblichen Beeinträchtigungen.

Ein weitere Nachteil ist das Kostenrisiko bei einer Klage: Die Kosten richten sich nach dem Umfang der behaupteten Mängel. Stellt sich bei der Beweisaufnahme aber heraus, dass einige Mängel unberechtigt sind, dann muss der Kläger eine entsprechende Kostenquote tragen, weil er insoweit mit seiner Klage unterliegt.

Das selbstständige Beweisverfahren als Alternative

Abhilfe könnte das sogenannte selbstständige Beweisverfahren gemäß § 485 ff. ZPO schaffen, das in der Praxis eher ein Schattendasein führt und in der Rechtsberatung fast nicht stattfindet.

Das selbstständige Beweisverfahren, das früher Beweissicherungsverfahren hieß, dient dazu, durch eine vorweggenommene Beweisaufnahme des Gerichts Sachverhalte aufzuklären, gefährdete Beweismittel zu sichern und im Idealfall ein Klageverfahren zu vermeiden.

Der große Unterschied zu dem oben beschriebenen Ablauf eines Klageverfahrens besteht also darin, dass die Beweisaufnahme, die normalerweise erst nach einem langwierigen schriftlichen Vorverfahren und einer anschließenden mündlichen Verhandlung nach mehreren Monaten oder Jahren beschlossen und durchgeführt wird, im Regelfall relativ kurzfristig erfolgt, also nach wenigen Wochen oder Monaten.

Das hat wiederum zur Folge, dass die dann nachgewiesenen Mängel wesentlich schneller beseitigt werden könnten, als es in einem Klageverfahren der Fall wäre.

Nach der Beendigung des selbstständigen Beweisverfahren könnte eine Klage eingereicht werden. Das Klageverfahren würde dann an dem Ergebnis des selbstständigen Beweisverfahrens anknüpfen, wodurch sich dessen Verfahrensdauer reduziert.

Ein Vorteil des selbstständigen Beweisverfahrens besteht aber darin, dass ein Klageverfahren häufig entbehrlich wird. Denn meistens streiten die Parteien nur um die Frage, ob und in welchem Umfang Mängel vorliegen. Ist das aber geklärt, ist häufig eine außergerichtliche Einigung ohne langwieriges anschließendes Klageverfahren möglich.

Sollte trotz der Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens ein Klageverfahren durchgeführt werden müssen, dann besteht ein großer Vorteil darin, dass nur die bestätigten Mängel zum Inhalt der Klage gemacht werden. Hierdurch reduziert sich das Kostenrisiko gegenüber einem Klageverfahren massiv. Denn bei dem Klageverfahren stellt sich erst später heraus, ob alle Mängel berechtigt sind oder nicht.

Meistens sind zudem die gerichtlich bestellten Gutachten günstiger als die Gutachten eines vorgerichtlich privat eingeholten Sachverständigen.

Schließlich führt auch ein selbstständiges Beweisverfahren zu einer Verjährungshemmung.

Die Vorteile eines selbstständigen Beweisverfahrens

Die Vorteile lassen sich also wie folgt zusammenfassen:

  • kurze Dauer bis zum Ergebnis der Beweisaufnahme und der damit verbundenen Möglichkeit, die Mängel zu beseitigen
  • häufig wird langwieriges und teures Klageverfahren entbehrlich
  • geringeres Kostenrisiko bei dem etwaig anschließenden Klageverfahren
  • Verjährungshemmung

Trotz dieser Vorteile hat das selbstständige Beweisverfahren nur eine geringe Rolle in der Praxis. Meist ist es für eine/n Rechtsanwalt/in wirtschaftlich interessanter, sofort eine Klage einzureichen. Häufig ist die gesetzliche Vergütung höher bzw. besser kalkulierbar.

Zudem ist nicht jede Tatsache feststellbar und es gibt einige weitere verfahrenstechnischen Besonderheiten, die zu beachten sind. Bei einem Klageverfahren ist also das Risiko für eine/n Rechtsanwalt/in geringer, Verfahrensfehler zu begehen.

Sollten Sie eine individuelle Beratung wünschen oder einen Rechtsanwalt suchen, der Sie vertritt, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.



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