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Sofortige Erwerbspflicht nach Trennung vom Ehepartner?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Es geht immer wieder das Gerücht um, dass man nach der Trennung vom Ehepartner automatisch Anspruch auf Trennungsunterhalt hat, ohne einer Beschäftigung nachgehen zu müssen. Das stimmt so jedoch nicht. Vielmehr ist anhand der persönlichen Verhältnisse des Unterhaltsfordernden zu klären, ob er bereits kurz nach der Trennung seinen Lebensunterhalt wieder allein bestreiten muss oder nicht.

Trennung nach kurzer Ehedauer

Ein Paar zog zusammen und heiratete. Die Ehefrau ist ausgebildete Diplom-Betriebswirtin und begann nach der Hochzeit eine Tätigkeit in einer Steuerberaterfirma. Mit Ablauf der Probezeit verlor sie ihren Arbeitsplatz allerdings wieder. Sie meldete sich zwar bei der Arbeitsagentur nicht arbeitslos, verschickte jedoch ab und an ein paar Bewerbungen, bis sich das Ehepaar trennte.

In den ersten sechs Monaten nach der Trennung bewarb sie sich nur noch auf drei Stellen, z. B. als Werkstudentin. Sie begann jedoch ein Jura-Studium und verlangte ferner von ihrem Noch-Ehemann Trennungsunterhalt. Der weigerte sich allerdings, das Studium seiner Frau und deren Lebensunterhalt zu finanzieren. Schließlich könne sie sich problemlos eine neue Arbeit suchen und ihren Lebensunterhalt – zumindest größtenteils – selbst bestreiten. Der Streit der beiden endete vor Gericht.

Noch-Ehefrau trifft Erwerbspflicht

Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz kam zu dem Ergebnis, dass die Frau zwar Trennungsunterhalt verlangen darf – sich jedoch ein fiktives Einkommen anrechnen lassen muss.

Wozu dient der Trennungsunterhalt?

Während z. B. in einer Doppelverdienerehe beide Ehegatten einer beruflichen Tätigkeit nachgehen und sie sich daher „mehr leisten“ können, kümmert sich in der Haushaltsführungsehe beispielsweise die Frau um Haushalt und Kinder, während der Mann das nötige Geld für die Familie erwirtschaftet.

Nach der Trennung kann dieser Lebensstil nicht mehr aufrechterhalten werden. Mit dem Trennungsunterhalt wird daher der Schutz des wirtschaftlich schwächeren Ehegatten vor wirtschaftlich nachteiligen Veränderungen zumindest im ersten Trennungsjahr bezweckt.

So wird etwa verhindert, dass eine Ehefrau, die sich jahrelang „nur“ um ihre Familie gekümmert hat, plötzlich wieder im Arbeitsmarkt behaupten muss, obwohl beispielsweise ihre Kenntnisse aus dem erlernten Beruf veraltet oder vergessen sind. Mit dem Trennungsunterhalt wird ihr somit die Chance gegeben, sich langsam an ihre neue Lebenssituation zu gewöhnen und ins Berufsleben zurückzufinden.

Haben dagegen beide Partner während der Ehe gearbeitet, muss sich der unterhaltsbegehrende Ehegatte sein eigenes Einkommen auf den Trennungsunterhalt anrechnen lassen. Der Trennungsunterhalt fällt also geringer aus.

Gibt ein Noch-Ehepartner seine Tätigkeit nach der Trennung vollkommen auf, kann er nicht plötzlich mehr Unterhalt verlangen. Vielmehr wird in der Regel zu seinen Lasten ein fiktives Einkommen berücksichtigt – und zwar in der Höhe des Verdienstes, den er aufgrund seiner Ausbildung und Berufserfahrung auf dem Arbeitsmarkt erzielen könnte.

Diese Regeln gelten zumindest während des gesetzlichen Trennungsjahrs – denn eine einvernehmliche Scheidung ist frühestens nach Ablauf dieses Jahres möglich, vgl. § 1566 I Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Unter Umständen ist es jedoch für einen nicht erwerbstätigen Ehegatten bereits vor Ablauf des Trennungsjahres zumutbar, eine Tätigkeit aufzunehmen. Hier sind allerdings die persönlichen Verhältnisse des Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen, also z. B. die Ehedauer, ob Kleinkinder betreut werden, ob er anderweitige Einkommensquellen hat oder wie gut bzw. schlecht die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten waren.

Gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt?

Vorliegend hatte sich das Ehepaar bereits nach kurzer Zeit wieder getrennt. Auch hatte die Diplom-Betriebswirtin während der Ehe gearbeitet und nach dem Arbeitsplatzverlust eine neue Anstellung gesucht. Bei entsprechenden Erwerbsbemühungen hätte sie innerhalb weniger Monate auch eine neue Stelle finden können. Die Trennung an sich war somit für das Erwerbsleben der Diplom-Betriebswirtin kein einschneidendes Erlebnis.

Im Gegensatz zu einer Frau, die bereits vor Jahrzehnten aus dem Berufsleben ausgeschieden ist, um sich der Familie zu widmen, war es ihr daher auch schon vor Ablauf des Trennungsjahres zuzumuten, sich um eine neue Tätigkeit zu kümmern. Weil sie sich aber nur unzureichend bei potenziellen Arbeitgebern beworben hatte, musste sie sich ein fiktives Einkommen anrechnen lassen.

Fazit: Grundsätzlich kann der wirtschaftlich schwächere Ehegatte nach der Trennung mindestens für ein Jahr Trennungsunterhalt verlangen, ohne selbst erwerbspflichtig zu sein. Hiervon gibt es aber einige Ausnahmen, etwa wenn die Ehe nur kurze Zeit angedauert hat oder beide Partner bereits während der Ehe stets einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen sind.

(OLG Koblenz, Beschluss v. 10.02.2016, Az.: 7 WF 120/16)

(VOI)

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