Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zu diesem Thema in der Nähe!

Sturz aus eigenem Fenster als Arbeitsunfall – Kfz-Lackierer trifft auf Murphys Gesetz

  • 3 Minuten Lesezeit
Johannes Schaack anwalt.de-Redaktion

Einen Sturz vom Dach als Arbeitsunfall geltend machen? Das klänge bei einem Dachdecker oder Fensterputzer sicherlich plausibel.

In unserem heutigen kuriosen Fall ging es jedoch um einen Vertreter einer ganz anderen Branche. Und der Clou dabei: Er bekam trotzdem Recht. Warum? Lassen Sie sich einfach noch ein wenig auf die Folter spannen!

Kennen Sie auch diese Tage, an denen einfach alles schiefzugehen scheint? Mit einem solchen hatte vor einiger Zeit ein selbstständiger Kfz-Lackierer aus Nordrhein-Westfalen zu kämpfen. Kurz vor einem Kundentermin nutzte er die verbleibende Zeit, um sich zu Hause ein wenig zu regenerieren. Auf Neudeutsch würde man wohl von einem „Powernap“ sprechen. 

Murphys Gesetz besagt: „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen“

Aus dem Vorhaben des Mannes, die Wohnung rechtzeitig vor seinem wichtigen Termin zu verlassen, wurde jedoch nichts. Sein Wohnungsschlüssel blieb im Schloss stecken und brach ab – die Wohnungstür, die er zuvor von innen fest abgeschlossen hatte, blieb somit versperrt. Was als Nächstes folgte, war eine beachtliche Verkettung unglücklicher Umstände.

Als sich der pflichtbewusste Kfz-Lackierer damit abgefunden hatte, dass der Weg ins Freie durch das Treppenhaus vorerst ausschied, kam ihm schließlich eine abenteuerliche Ausweichstrategie in den Sinn.

Da sich seine Wohnung im Dachgeschoss befand, entstieg der Mann seinem Fenster, um zuerst das Vordach zu erreichen und anschließend den Abstieg auf die Straße in Angriff zu nehmen. Wie genau er hierbei vorgehen wollte, lässt sich den vorliegenden Quellen allerdings nicht entnehmen.

Den Schlüsseldienst zu rufen, wäre ungefährlicher gewesen

Allerdings gelang es ihm nicht, seine halsbrecherische Absicht erfolgreich zu beenden. Der unglückliche Kfz-Lackierer rutschte nämlich ab, stürzte zwei Meter tief auf das Vordach, das er ursprünglich anvisiert hatte, und brach sich dabei den rechten Unterschenkel. 

Erst mehr als eine geschlagene Stunde später wurde eine Nachbarin auf die Hilferufe des in voller Arbeitsmontur in luftiger Höhe kauernden Mannes aufmerksam. Sie verständigte schließlich den Notarzt. 

Das Landessozialgericht bewies kein Mitleid

Der Versuch des gesetzlich versicherten Lackierers, das Malheur als Arbeitsunfall geltend zu machen, folgte auf dem Fuß. Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen stellte sich jedoch quer. Die Begründung: Er sei „nur“ auf das zum Haus gehörende Vordach gefallen. Im öffentlichen Bereich, für den ein Unfallschutz bestehe, habe er sich damit noch nicht befunden. 

Der Mann ließ sich damit allerdings nicht abspeisen und legte Revision ein. Der Fall kam letzten Endes vor das Bundessozialgericht (BSG), das dem bedauernswerten Opfer von „Murphys Gesetz“ Recht gab.

Bundessozialgericht: Auch ein Sturz aus dem eigenen Fenster kann ein Arbeitsunfall sein

Die Begründung: Als der Kfz-Lackierer aus seinem Dachfenster stieg und dabei stürzte, befand er sich trotz allem auf dem unmittelbaren Weg zur Arbeit.

Obwohl sich der Weg aus dem Fenster als sein Verhängnis erwiesen hatte, gingen die Richter davon aus, dass er sich in diesem Fall „objektiv eignete, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen“ – also auch unfallfrei zurückzulegen war.

Die Kasseler Richter entschieden daher, dass dem Mann trotz allem das Recht auf eine Unfallentschädigung zukam, weil ein Arbeitsweg – wie in diesem Fall – auch durch ein Fenster führen könne, wenn andere Wege versperrt seien. 

Glück im Unglück also – auch wenn der Unglücksrabe laut Medienberichten noch heute an den Folgen seines Fenstersturzes leidet. Wir wünschen ihm gute Besserung und hoffen, dass er in Zukunft von derartig halsbrecherischen Aktionen absehen wird.

(BSG, Urteil v. 31.08.2017, Az.: B 2 U 2/16 R)

(JSC)

Foto(s): ©anwalt.de

Artikel teilen: