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Unfalldatenspeicher - Spion im Auto rechtmäßig?

  • 5 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

[image]Eine Black Box im eigenen Auto? Geht es nach der EU, sollen Neuwagen ab Oktober 2015 damit ausgestattet sein. Bei Unfällen würde das Fahrzeug darüber - mittels des geplanten Notrufsystems eCall - automatisch Hilfe rufen. Insbesondere nachts auf einsamer Straße kann das lebensrettend sein. Auf der anderen Seite verrät die Technik aber auch die Position des Fahrzeugs.

Ständiger Überwacher an Bord

Wie von Flugschreibern bekannt, ließe sich anhand der von den Geräten aufgezeichneten Unfalldaten aber auch der Unfallhergang leichter rekonstruieren. War man zu schnell, hat man nicht gebremst oder geblinkt: Das Auto würde es verraten. Das ist insbesondere für Versicherungen verlockend: Schon aus Sorge um den Versicherungsschutz würden nach deren Meinung viele ihr Fahrverhalten anpassen. Sinkende Unfallzahlen und mehr Verkehrssicherheit wären die Folge. In der Schweiz, wo Versicherungen gerade jungen Fahrern Unfalldatenspeicher gegen geringere Prämien anbieten, soll dieser Effekt messbar sein. Ein Argument, das Befürworter von Unfallschreibern gerne nennen. Auf freiwilliger Basis und mit einer Gegenleistung der Versicherung verbunden bleibt die Entscheidung zum Einbau dem Versicherten überlassen. Was aber, wenn sich ein solches Gerät zwangsweise an Bord befindet und Betroffene nicht in die Preisgabe der gespeicherten Daten einwilligen?

Datenschutz gilt auch im Auto

Hier stehen der Datenverwendung gewichtige Gegenargumente entgegen: So etwa der im Grundgesetz verankerte Grundsatz, dass niemand sich selbst belasten muss. Des Weiteren ist auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung berührt - also das Recht jedes Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung seiner Daten zu bestimmen. Dies regelt insbesondere das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG).

Nicht nur aufgrund der EU-Pläne ist Datenschutz im Auto daher ein Thema auf dem diesjährigen Verkehrsgerichtstag in Goslar. Auch die Hersteller und Werkstätten erfahren schon jetzt mittels der in modernen Fahrzeugen verbauten Technik viel über das Fahrverhalten ihrer Nutzer. Unklar ist dabei noch, wem diese Daten gehören. Dem Autobesitzer, dem Fahrer oder dem Hersteller? Hier gehen die Meinungen auseinander. Eine davon stellt auf den Besitzer des Datenspeichers ab. Nach einer anderen darf über die Daten verfügen, wer sie unmittelbar erhoben und gespeichert hat. Das wäre der Autofahrer. Mit Fahrzeugübergabe an den Besitzer, die Werkstatt oder den Hersteller kann diese Befugnis jedoch übertragen werden. Dazu müsste aber erst einmal klar sein, welche Informationen man da eigentlich genau preisgibt. Bisher schweigen die Hersteller gegenüber der Öffentlichkeit jedoch gerne über das, was konkret in ihren Fahrzeugen gespeichert wird. Aufgrund dieser unklaren Situation werden daher Forderungen nach einem speziellen Datenschutz im Auto laut.

Aufzeichnung von Fahrdaten im Arbeitsverhältnis

Für einige Verkehrsteilnehmer, die beruflich im Straßenverkehr unterwegs sind, ist die Aufzeichnung ihres Fahrverhaltens bereits Realität. Da ist zum einen der - von bestimmten Ausnahmen z. B. für „Handwerkerfahrzeuge" abgesehen - bereits seit Mai 2006 in neuen Lkws und Bussen vorgeschriebene digitale Fahrtenschreiber, der Geschwindigkeit, Wegstrecke sowie Lenk- und Ruhezeiten festhält. Unfalldatenspeicher finden sich außerdem in Taxis, Polizeiautos, Rettungswagen und Fahrzeugen vieler Fuhrparks. Zu deren Einsatz berechtigt die Arbeitgeber dabei § 28 BDSG. Die Wahrung berechtigter Interessen an Beweisen im Falle eines Unfalls überwiegt hier das schutzwürdige Interesse eines Betroffenen an seinen Daten in diesem Moment.

Rundumkontrolle verboten

Eine grenzenlose Überwachung verhindert hier aber das Persönlichkeitsrecht. So ist eine Ortung mittels GPS oder Mobilfunk, selbst wenn sie dem Arbeitnehmer offengelegt wird und er damit einverstanden ist, nicht zulässig. Dafür müsste er entsprechende Geräte jederzeit ausschalten können, ohne Konsequenzen zu befürchten. Das wäre aber wiederum nicht im Sinne des Arbeitgebers. So rechtfertigt derzeit eine Fahrzeugortung lediglich der begründete Verdacht, dass Mitarbeiter erhebliche Straftaten begehen. Eine Rundumkontrolle ist hingegen rechtswidrig - erst recht, wenn sie sich in den Privatbereich erstreckt. Wäre dieser aber durch eine wie von der EU geplante Black Box ebenfalls rechtswidrig verletzt? Wie so oft gilt: Der Zweck heiligt nicht alle Mittel.

Aussageverweigerung im Strafverfahren

Im Falle eines Unfalls mit Verletzten oder gar Toten steht häufig der Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung bzw. Tötung im Raum. Aus einem Unfallbeteiligten kann so leicht ein Beschuldigter werden. Als solcher muss sich nach dem Gesetz niemand selbst belasten und man darf die Aussage verweigern. Vor allem Aussagen unter Zwang sind verboten. Eine Aussage, wie sie jemand in einer Vernehmung macht, beinhaltet die Datenbox jedoch nicht. Vielmehr gleichen die Aufzeichnungen eher Beweismitteln wie Aufnahmen vom Unfallort oder der Begutachtung des Unfallfahrzeugs; verlangen also keine aktive Mitwirkung des Betroffenen. Dass gesetzliche Gründe die Verwertung nicht verhindern, liegt auch beim Blick auf die mögliche Anordnung einer Blutentnahme bei Verdacht auf Alkohol nahe.

Allgemeininteresse an funktionierender Strafverfolgung

Der Verwertung könnte allerdings das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung entgegenstehen. Über die Preisgabe persönlicher Daten soll jeder selbst entscheiden. Ein überwiegendes Allgemeininteresse kann Eingriffe in deren Schutz und damit die Veröffentlichung jedoch rechtfertigen. Ein solches Interesse der Allgemeinheit ist eine funktionstüchtige Strafverfolgung. Das ist gerade der Fall, wenn es um die Aufklärung von Unfällen mit Schwerverletzten oder gar Toten und damit auch um den Opferschutz geht. Die Nachteile, die jemand in solchen Fällen durch Preisgabe der Unfalldaten zum Zweck der Strafverfolgung erleidet, dürften hier hinzunehmen sein. Eine dahin gehende Rechtsprechung existiert mangels einer allgemeinen Black Box-Pflicht jedoch noch nicht.

Schadensersatzprozess nach Verkehrsunfall

Anders könnte das sein, wenn es um die Schuldfrage und die damit verbundene Klärung von Schadensersatzforderungen nach einem Verkehrsunfall geht. Denn wie viel man bekommt bzw. zahlen muss, interessiert vorrangig nur die Unfallbeteiligten. Für die Allgemeinheit hat das scheinbar wenig Bedeutung. Dementsprechend ließe sich ein Eingriff ins Datengrundrecht nicht rechtfertigen.

In diesem Zusammenhang ist jedoch auch an das Interesse der Allgemeinheit hinsichtlich einer gerechten Schadensverteilung zu denken. Schließlich muss nahezu jedes Fahrzeug über eine Haftpflichtversicherung verfügen. Der dafür notwendige Aufwand und die Kosten ließen sich durch eine objektive und leichtere Aufklärung der tagtäglich massenhaft stattfindenden Unfälle senken. Zudem könnten die Daten auch ihren Beitrag zur Aufklärung des wahren Unfallgeschehens leisten und damit zu mehr Gerechtigkeit führen. Dafür müsste jedoch eine einwandfreie Funktion der zum Einsatz vorgeschriebenen Geräte gewährleistet sein. Zudem dürfte der Rückgriff auf die Daten nicht zulasten der übrigen Beweiswürdigung gehen.

(GUE)

Foto(s): ©Fotolia.com

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