UWG-Reform 2020 - Das Ende der Abmahnung? Zum Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs - Teil 1

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Zugegeben, die Überschrift ist etwas überspitzt formuliert, spiegelt jedoch genau das wider, was in den letzten Tagen teilweise recht plakativ zur geplanten und nun anstehenden Änderung des UWG zu hören und zu lesen ist. Nachdem über gut 2 Jahre hinweg diskutiert wurde, ob und wie die Problematik von missbräuchlichen Abmahnungen im Wettbewerbsrecht „entschärft“ werden kann, hat am 09.09.2020 der zuständige Ausschuss die Annahme einer dahingehenden Gesetzesvorlage empfohlen, bereit am 10.09.2020 wurde das Gesetz im Grundsatz vom Bundestag beschlossen. Die Verabschiedung und anschließende Verkündung des Gesetzes stehen in den nächsten Wochen kurz bevor.

Das sogenannte „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ war in seiner gesamten Entstehungsphase umstritten. Dabei ging es nie um den gesetzgeberischen Ansatz als solches, denn die Beschränkung missbräuchlicher Rechtsverfolgung ist nun wahrlich nichts Schlechtes. Die Frage war eher, ob das Gesetzesvorhaben in dieser Form überhaupt notwendig ist, da ein großer Teil der Neuerungen genau die Vorgaben wiedergibt, die seit Jahren fester Bestandteil der Rechtsprechung sind. Damit schafft der Gesetzgeber also nichts neues, sondern schreibt nur Altbewährtes in Gesetzesform. Die Folge dessen aber ist, dass zahlreiche Begriffe und Vorgaben in das UWG eingebaut werden, welche erst ausgelegt werden müssen. Damit werden präzise Aussagen zu konkreten Punkten eines Sachverhalts nicht wirklich vereinfacht. Das sollte aber eigentlich Anliegen eines sinnvollen Gesetzes sein. Auch schießt die Gesetzesänderung an einigen Punkten deutlich über das Ziel hinaus und verändert bestehende Systeme, welche künftig auch für andere Sachverhalte des UWG gelten, so etwa die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands für Internetverstöße. Erstaunlicherweise wurden nach den Kritiken und Anmerkungen zum ersten Gesetzesentwurf die aufgezeigten Punkte nicht korrigiert, sondern es wurde noch eine Schippe draufgelegt.

Aber auch wenn das Gesetz von etlichen Seiten kritisiert wird und der weit überwiegende Teil der angehörten Experten und Fachausschüsse sich klar gegen die Änderungen positioniert haben, heißt es nun, sich mit den geschaffenen Fakten auseinandersetzen.

 

Was kommt also auf die Marktteilnehmer zu, was sind die Kernpunkte der Gesetzesänderung? Kurz gesagt sind in erster Linie die folgenden Punkte hervorzuheben.

  • Die Befugnis abzumahnen wird vor allem für Mitbewerber beschränkt. Um also überhaupt eine Abmahnung an einen anderen Mitbewerber auszusprechen müssen verschiedene Grundvoraussetzungen vorliegen. Eine Abmahnung nur aus dem Grund, dass ich irgendwie Mitbewerber bin, soll es hiernach nicht mehr geben.
  • Die Befugnis abzumahnen wird für Vereine dahin beschränkt, dass diese sich in einer Liste registrieren lassen müssen, welche beim Bundesamt für Justiz geführt und dort einsehbar sein wird. Die Aufnahme von „Abmahnvereinen“ in diese Liste ist zudem an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, welche erfüllt sein müssen.
  • Der sogenannte Rechtsmissbrauch wurde durch verschiedene Beispiele präzisiert.
  • Eine Abmahnung soll grundsätzlich an bestimmte formale Punkte geknüpft sein. Werden diese nicht eingehalten, ist die Abmahnung hinfällig. Es besteht dann sogar ein eigener Anspruch des Abgemahnten gegen den Abmahnenden. Eine ähnliche Regelung gibt es seit Jahren im UrhG.
  • Die Kosten für Abmahnungen, welche sich ausschließlich um Informationspflichten und Belehrungen drehen sind zumindest gegenüber reinen Mitbewerbern nicht mehr zu erstatten.
  • Vertragsstrafen werden beschränkt. Bei einer ersten Abmahnung durch einen Wettbewerber bei der es um Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet geht, entfällt entweder die Verpflichtung zur einer Vertragsstrafe oder aber sie ist begrenzt auf einen Kappungswert von 1.000,00 €.
  • Der fliegende Gerichtsstand wird für im Internet begangene Verstöße weitestgehend abgeschafft.

 

Das alles wirft deutlich Fragen auf, von denen einige nachfolgend kurz betrachtet werden sollen.

 

1. Kann ich jetzt von einem Mitbewerber überhaupt noch abgemahnt werden?

Ja. Die Möglichkeit einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung durch einen Mitbewerber ist ausdrücklich nicht abgeschafft worden. Im Gegenteil sieht das UWG auch künftig in § 13 Abs. 1 UWG (zuvor § 12 Abs.1 UWG) die Abmahnung als Regelfall bei einem Wettbewerbsverstoß vor und ist vom Gesetzgeber auch genau so gewollt. Damit ist einer Abmahnung, wie schon zuvor, erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken, um nicht in einem teuren Gerichtsverfahren zu landen. Genau diese Gefahr besteht, sofern die Gesetzesänderung als „Abschaffung der Abmahnberechtigung“ verstanden wird.

 

2. Aber wo liegt denn dann die Einschränkung?

Die Beschränkung liegt zunächst in der Abmahnmöglichkeit vor allem für Mitbewerber. Diese ist im neuen § 8 Abs.3 Nr. 1 UWG geregelt. Es darf künftig nur abmahnen, der „Waren und Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt“. Hintergrund dieser Neuerung ist der Gedanke, dass verhindert werden soll, dass einzelne Markteilnehmer überteuerte Waren angeboten haben, sodass bei Ihnen nie wirklich jemand gekauft hat. Jedoch gab das die Möglichkeit, aus einem wenigstens über das reine Angebot bestehende Wettbewerbsverhältnis umfangreich abzumahnen. Ebenso kam es vor, dass eigentlich bereits insolvente Marktteilnehmer durch zahlreiche Abmahnungen „nochmal mitgenommen haben was geht“, obwohl klar war, dass eine Fortführung des Geschäfts nicht in Betracht kommt.  Da das aber im Grunde eher Randerscheinungen und mit Sicherheit nicht die Regel waren, stellt sich schon die berechtigte Frage, ob daraus unmittelbar eine Gesetzesänderung herrühren muss.

Daher gibt der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung auch vor, dass „keine zu hohen Hürden an Umfang und Dauer der Geschäftstätigkeit gestellt werden“. Die Handhabe zum Wettbewerbsverhältnis ist seit jeher eher großzügig. Insoweit bleibt abzuwarten, welche Anforderungen die Gerichte als notwendig für die Abmahnbefugnis sehen wollen.

Um es an einem Beispiel plastisch zu machen: wer in seinem web-shop tausende Socken anbieten und in nur in einem einzigen Angebot ein Handy, der bietet zwar umfangreich Socken an und kann in diesem Bereich auch Mitbewerber abmahnen. Jedoch wäre hiernach der Weg versperrt, wenn er einen Händler von Handys abmahnen möchte. Vorher wäre das u.U. durchaus denkbar gewesen.

Eine andere Frage wäre, ob das Ganze auch umgekehrt gilt: darf der Handy-Händler unseren Sockenhändler abmahnen, nur weil dieser ein einziges gewerbliches Angebot für ein Handy neben hunderten Socken bereithält. Das aber wird man nach wie vor wohl annehmen können, da § 8 Abs. 3 UWG sich nur auf den Abmahner bezieht und es für die jeweilige Verletzung auf das ganz konkrete Angebot ankommt, hier also das einzeln angebotene Handy.

 

Wichtig daher: der neue § 8 Abs. 3 Nr.1 UWG regelt nicht das Wettbewerbsverhältnis, sondern nur die Befugnis, aus diesem vorzugehen. Hier zeigen sich bereits die ersten Schwierigkeiten, wenn es um die Auslegung der einzelnen Neuerungen geht. Man wird daher künftig genau schauen müssen, in welcher Form Wettbewerbsverhältnis und die Abmahnbefugnis bestehen.

 

3. Wie soll ich denn aber prüfen oder erkennen, ob der Mitbewerber berechtigt ist, eine Abmahnung auszusprechen?

Zunächst einmal ist der Abmahner am Zug. Dieser muss im Rahmen der Abmahnung vortragen, woraus er seine Berechtigung herleitet. Das bedeutet, er muss Angaben dazu machen, die seine Berechtigung nachvollziehbar und prüfbar machen. Natürlich muss er dabei auch Angaben dazu machen, dass er nicht nur gelegentlich und unerheblich die Waren im jeweiligen Wettbewerbssegment vertreibt.  Wie das im Detail auszusehen hat, ist jedoch ebenso problematisch. Eher einfach dürfte das auf Verkaufsplattformen wie ebay sein, auf welchen ich die abgeschlossenen Verkäufe und beendeten Angebote unmittelbar selbst einsehen kann. Doch wie soll das auf der eigenen web-Seite des Abmahnenden funktionieren, wo dieser Einblick von außen nicht funktioniert? Die Gesetzesbegründung gibt als Beispiel vor, der Verkaufsumfang könne „durch Größenkategorien der Zahl der Verkäufe oder ähnlichem belegt werden“. Was das aber im Detail heißen soll ist unklar, zumal es weiter heißt, dass „die Vorlage von konkreten Umsatzzahlen oder Steuerberaterbescheinigungen gerade nicht notwendig“ wäre. Eine solche Forderung per Gesetz wäre sicherlich auch kritisch, da diese Angaben zu den sensibelsten Firmendaten zählen. Solche Daten „freiwillig“ jemanden anzuvertrauen, der aus Sicht des Abmahners auch noch unredlich am Markt auftritt? Schwer zu vermitteln.

Vielleicht käme man auch über sonstige objektive Angaben zum Ziel. Wenn etwa der Abmahnende ein eingerichtetes stationäres Geschäft mit identischem Sortiment betreibt oder aber Teil eines Vertriebssystems ist, dann dürfte unterstellt werden, dass er in aller Regel auch nicht unerhebliche Umsätze tätigt. Dieser Punkt jedenfalls dürfte einer der streitbarsten Punkte werden.

 

Praxistip: Wer künftig eine Abmahnung erhält, muss zwar auch ein Augenmerk auf die Frage der Abmahnbefugnis richten. Es sollte jedoch keinesfalls eine vorschnelle Zurückweisung erfolgen. Schon die Frage des Wettbewerbsverhältnisses war bisher eher selten eine Hürde. Soweit der Gesetzgeber anfügt, es sollen auch an die Abmahnbefugnis künftig keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, droht bei voreiliger Zurückweisung ein teures Gerichtsverfahren. Hier bieten möglicherweise andere Neuerungen des UWG besseren Spielraum, die Folgen der Abmahnung zu mindern oder diese gar zurückzuweisen.

 

 

Zwischenfazit:

Bereits an dieser Stelle ist festzuhalten, dass die neue Regelung zur Abmahnbefugnis eines Mitbewerbers, so löblich die Intention des Gesetzgebers auch sein mag, eine Fülle von Diskussionspunkten und Problemstellungen bringen wird. Der Gesetzgeber verkennt dabei völlig, dass das UWG nicht den alleinigen Schutz kleiner Unternehmen im Internet bezweckt. Das UWG geht in seiner Bedeutung deutlich über den reinen Fernabsatz hinaus. Ob damit z.B. künftig etwa die Abmahnbefugnis für branchenfremde Unternehmen noch denkbar ist, erscheint auch fraglich.

 

Im zweiten Teil der Darstellung soll es um die Regelungen zu Abmahnvereinen sowie Fragen der Kostenerstattung gehen.




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