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👨‍👧 Väterrechte: Durchbruch am Bundesverfassungsgericht

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👨‍👧 Väterrechte: Durchbruch am Bundesverfassungsgericht
anwalt.de-Redaktion

⚖️ Das Bundesverfassungsgericht hat am 09. April 2024 ein Machtwort gesprochen: Es ist verfassungswidrig, wenn ein leiblicher Vater zusehen muss, wie ein anderer Mann als rechtlicher Vater Verantwortung für das Kind übernehmen darf, während er selbst allenfalls Umgang mit dem Kind geltend machen kann. Ein leiblicher Vater ist bis vor das oberste Gericht Deutschlands gezogen und hat eine Lanze für so viele Väter gebrochen, die sein Schicksal teilen.  

Elterngrundrecht und -verantwortung: Es kann nur einen geben

Das Grundgesetz garantiert in Art. 6 Abs. 2 Satz 1, dass Pflege und Erziehung der Kinder das natürliche Recht der Eltern sind und gleichzeitig die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Man nennt dies auch Elterngrundrecht und Elternverantwortung. Bei den Eltern handelt es sich um Mutter und Vater.  

Das deutsche Recht kennt zwar viele Väterbegriffe – leiblicher Vater, Vaterschaftsprätendent, Scheinvater, rechtlicher Vater und andere. Aber es kann nur einen geben: Nach geltender Rechtslage gibt es nur einen anderen Elternteil neben der Mutter, und zwar den rechtlichen Vater. Der rechtliche Vater hat die bedeutendste Rechtsstellung, denn er kann das Sorgerecht für das Kind innehaben. Rechtlicher Vater ist nach dem Gesetz derjenige Mann, der mit der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt worden ist.  

Wenn mehrere Männer der Vater eines Kindes sein wollen 

Weil aber der rechtliche Vater nicht immer auch der leibliche Vater ist, gibt das Gesetz dem leiblichen Vater ein Anfechtungsrecht: Die Vaterschaft des rechtlichen Vaters kann vom leiblichen Vater angefochten werden, damit er selbst in die Rechtsstellung des rechtlichen Vaters einrücken und Elternverantwortung übernehmen kann.  

In dem der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrundeliegenden Fall wollte ein solcher leiblicher Vater die Vaterschaft eines anderen Mannes anfechten. Der andere Mann lebt mit der Mutter zusammen und erkannte die Vaterschaft für das Kind an. Zudem bestand und besteht eine sozial-familiäre Beziehung des rechtlichen Vaters zu dem Kind, also eine normale und von elterlicher Zuneigung geprägte Beziehung.  

Und hier liegt die Krux des geltenden Rechts. Es besagt nämlich, dass die Anfechtung der Vaterschaft des rechtlichen Vaters durch den leiblichen Vater dann ausgeschlossen ist, wenn eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind besteht. § 1600 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch normiert das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung als Übernahme von tatsächlicher Verantwortung für das Kind.  

Das bedeutet im vorliegenden Fall wie in vielen anderen Fällen: Der leibliche Vater konnte die Vaterschaft des anderen Mannes nicht anfechten. Er musste zusehen, wie dieser als rechtlicher Vater Träger des Elterngrundrechts und der Elternverantwortung sein durfte, während er allenfalls Umgang mit dem Kind geltend machen konnte.  

Sie sind Vater – leiblicher oder rechtlicher – oder Großeltern eines (Enkel)Kindes, das Sie nicht sehen dürfen? Lassen Sie sich zu Ihrem Umgangsrecht beraten: Im Rahmen einer Kurzberatung gibt Ihnen ein Anwalt für Familienrecht eine erste Einschätzung zu Ihren Rechten und Möglichkeiten.  

Der juristische Meinungsstreit und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

In der Literatur wurde daher bereits seit Längerem eine Reform des Anfechtungsrechts gefordert (vgl. Zimmermann, Andrea, Plädoyer für ein Anfechtungsrecht des leiblichen Vaters (auch) in Fällen des § 1600 Abs. 2 BGB, ZKJ 2018, 264 ff. mit weiteren Nachweisen). Die Rechtsprechung hingegen hielt an der Vorrangstellung des rechtlichen Vaters fest und schloss den leiblichen Vater von der Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft eines anderen Mannes aus, sobald eine sozial-familiäre Beziehung des rechtlichen Vaters mit dem Kind vorlag (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.11.2017, XII ZB 389/16).  

Das Bundesverfassungsgericht stellte jetzt fest: Der Ausschluss des leiblichen Vaters von der Vaterschaftsanfechtung ist verfassungswidrig. Das oberste Gericht gibt in Abkehr zu seiner bisherigen Rechtsprechung vor: Auch leibliche Väter, jedenfalls solche, die das Kind in einem natürlichen Geschlechtsakt mit der Mutter gezeugt haben, sind Träger des Elterngrundrechts des Art. 6 Grundgesetz. Der Gesetzgeber hat vom Bundesverfassungsgericht die Aufgabe bekommen, das Gesetz nunmehr so auszugestalten, dass der leibliche Vater als Träger des Elterngrundrechts seine Elternverantwortung auch wahrnehmen kann.  

Dabei kann der Gesetzgeber entweder die Anerkenntnis aller Eltern statuieren, also zwei rechtliche Väter neben der Mutter als Elternteile gelten lassen. Oder aber er muss dem leiblichen Vater ein Verfahren zur Verfügung stellen, dass ihm grundsätzlich die Erlangung der rechtlichen Vaterschaft ermöglicht. Hierzu muss das geltende Anfechtungsrecht jedenfalls geändert werden.  

Wenn Sie leiblicher Vater sind und darüber nachdenken, die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes anzufechten, dann sind Sie nach dem bahnbrechenden Urteil in einer besseren Position als jemals zuvor. Lassen Sie sich über Ihre Möglichkeiten beraten. Wir kennen Ihren Anwalt für Familienrecht.  

(ANZ) 


Foto(s): ©AdobeStock/be free

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