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Versteckte Leiharbeit statt Werkvertrag und die Folgen

  • 3 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Während die Leiharbeit inzwischen gesetzlich geregelt ist, ist beim zunehmenden Einsatz von Fremdarbeitern mittels Werkvertrag und Ähnlichem noch vieles unklar. Nun hat ein betroffener Arbeitnehmer Recht bekommen, dass sein Fall illegale Arbeitnehmerüberlassung darstellt. Unternehmen drohen daraufhin nicht nur Lohnnachforderungen durch Beschäftigte.

Alternative zur Arbeitnehmerüberlassung?

Seit Dezember 2011 regelt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - kurz AÜG - die Leiharbeit bzw. Zeitarbeit. Wer anderen Arbeitnehmer vorübergehend für eine wirtschaftliche Tätigkeit überlassen will, braucht seitdem eine Erlaubnis. Über diese entscheidet je nach Bundesland die Arbeitsagentur Kiel, Düsseldorf oder Nürnberg. Vor Ablauf von drei Jahren erfolgt nur eine befristete Erteilung. Im Baugewerbe ist die Erteilung von vornherein ausgeschlossen, da das AÜG die Arbeitnehmerüberlassung dort ausschließt. Außerdem gilt seit Anfang 2012 ein Mindestlohn von 8,19 Euro brutto je Stunde im Westen, im Osten sind es 7,50 Euro, hinzukommen eventuelle Branchenzuschläge. Einigen Firmen ist das zu teuer. Da das AÜG für Arbeiten im Rahmen von Werkverträgen, selbständigen Dienst- oder Dienstverschaffungsverträgen nicht gilt, weichen sie verstärkt auf entsprechende Verträge aus. Nicht selten erfolgt deren Einsatz missbräuchlich. Das festzustellen erschwert jedoch die mangelnde gesetzliche Regelung. So bleibt die Grenzziehung, bis der Gesetzgeber klare Vorgaben erlässt und Schlupflöcher schließt, eine schwierige Aufgabe der Gerichte.

Arbeitsverhältnis zu Arbeitgeber am Arbeitsort festgestellt

Für mehr Klarheit sorgte nun insbesondere das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm. Es stellte im Rahmen der Berufung wie schon die Vorinstanz fest, dass es zu einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zwischen einem Mann und Arvato - einem Outsourcing-Dienstleister und Tochterunternehmen von Bertelsmann gekommen ist. Und das obwohl nicht Arvato, sondern das Reinigungsunternehmen Klüh der eigentliche Arbeitgeber des Mannes war. Wie kam es dazu?

Die Unternehmen Arvato und Klüh verband seit 2008 ein Werkvertrag. Demzufolge hatte der Mann Hausmeistertätigkeiten, Warenannahme und Postdienste als Aufgaben für Arvato zu erfüllen. Erst 2010 wurde der Leistungsumfang schriftlich festgelegt. Arvato stellte dem Mann ein Büro. Der dortige Computer war ans Intranet angeschlossen. Außerdem konnte er auf Betriebsfahrzeuge zugreifen. Nicht zuletzt erhielt der Arbeitnehmer auch Sicherheitsschuhe und andere Kleidung von Arvato. Nicht nur für Außenstehende bestand der Eindruck, er sei Mitarbeiter von Arvato. Auch er selbst musste sich als solcher behandeln lassen, weil er in Arvatos betriebliche Organisation fest eingebunden war und Weisungen von dort erhielt. Das entspricht genau dem Begriff von Arbeitnehmerüberlassung, wie es § 1 AÜG zeigt. Weitere Anzeichen wären beispielsweise die Teilnahme am Zeiterfassungssystem der Stammbelegschaft oder eine Eingliederung in deren Urlaubsplanung und Krankheitsvertretung.

Aufgrunddessen und der weiteren Indizien stand für die Richter fest: Hier handelt es sich um kein werkvertragliches Verhältnis mehr. Dieses würde sich auf die Übernahme einzelner, abgrenzbarer Aufgaben beschränken, die sich nicht erheblich in den Betriebsablauf einfügen. Stattdessen lag illegale Arbeitnehmerüberlassung vor, weil die Reinigungsfirma keine entsprechende Erlaubnis besaß.

Vertragsbezeichnung ist nicht entscheidend

Daraus folgt: Ob auf einem Vertrag Dienstvertrag, Werkvertrag oder etwas Anderes steht, spielt letztlich keine Rolle, wenn dessen Inhalt nicht mit der Realität übereinstimmt. Das hat bereits das Bundesarbeitsgericht festgestellt (BAG, Urteil v. 18.01.2012, Az. 7 AZR 723710). Arbeiten im Rahmen eines solchen Scheinwerkvertrags bzw. Scheindienstvertrags stellen Arbeitnehmerüberlassungen dar. Und daher gelten für sie auch die Regelungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes.

Nicht nur Anspruch auf Lohnnachzahlung gegeben

Das LAG stellte nicht nur fest, dass bereits seit Mitte 2008 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit Arvato bestand. Da eine Arbeitnehmerüberlassung vorlag, galt auch der Gleichstellungsgrundsatz. Sofern kein Tarifvertrag etwas anderes bestimmt, müssen Leiharbeiter dieselben Arbeitsbedingungen und insbesondere dasselbe Arbeitsentgelt für vergleichbare Tätigkeiten erhalten. Dies wird auch als equal treatment und equal pay bezeichnet. Dem Mann ist daher die Lohndifferenz nebst Zinsen zu zahlen. Das wirkt sich wiederum auf Sozialversicherungsbeiträge aus. Diese sind nachzuzahlen. Deren Vorenthalten stellt außerdem einen Straftatbestand dar. Zudem droht ein Bußgeld wegen der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung. Der für Unternehmen im Vordergrund stehende Einspareffekt verwandelt sich so schnell in ein Minusgeschäft. Dass das LAG den Fall als Einzelfallentscheidung bezeichnete, diente insbesondere dazu, die Zulassung der Revision auszuschließen.

(LAG Hamm, Urteil v. 24.07.2013, Az.: 3 Sa 1749/12)

(GUE)

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