Absenkung der Beitragsgarantien von Lebensversicherungen – ein Problem in der bAV oder besser bAV ohne Versicherung?

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1. Mögliche rechtliche Fragen und Probleme aufgrund der Absenkung der Beitragsgarantien

Die Absenkung von Garantien durch Rückdeckungsversicherer (z.B. Pensionskassen oder Direktversicherung), sei es Änderung von Rentenfaktoren oder Änderungen sonstiger garantierter Leistungen, sind ein unstrittiges Problem für den Arbeitgeber, welches in der bAV zur Arbeitgeberhaftung führt (siehe mein Rechtstipp: https://www.anwalt.de/rechtstipps/haftung-des-arbeitgebers-in-der-betrieblichen-altersversorgung-und-minimierungsstrategien_185184.html).

Die Lebensversicherer haben jedoch auch begonnen, für neue Verträge die Beitragsgarantien abszusenken. Statt 100 % werden beispielsweise nur noch 80 % der Beiträge garantiert.

Ungeachtet, dass dieser Schritt für viel Aufregung sorgt und sorgte, stellt sich folgende Frage:
Sind Tarife, bei denen keine 100 % der Beiträge garantiert werden, nach dem Betriebsrentengesetz überhaupt zulässig?

Weiter stellt sich die Frage, ob eine derartige Absenkung zu keinerlei Problemen aus dem Blickwinkel der Rechtskontrolle nach dem AGB Recht führt und der Mitarbeiter damit rechnen oder davon ausgehen muss?

Darüber hinaus stellt sich die bei Entgeltumwandlungsmodellen die Frage der Wertgleichheit, die bei arbeitgeberfinanzierten Modellen in der Form ja nicht relevant wird. Nachdem die Kölner Ratingagentur ASSEKURATE die Beitragsrendite in Ihrer aktuellen Studie mit -0,24 % ermittelt hat, ist auch dies eine berechtigte Frage (siehe mein Rechtstipp „Kopfkissen schlägt Lebensversicherung“: https://www.anwalt.de/rechtstipps/kopfkissen-schlaegt-lebensversicherung-die-zinsen-der-lebensversicherer-sinken-weiter_185328.html).

Selbst wenn man dies alles als rechtlich unproblematisch ansieht – was zum derzeitigen Zeitpunkt niemand abschließend beurteilen kann - kommt auf den Arbeitgeber einiges zu.

Bei der Ausgestaltung seiner Zusage und seiner Versorgungsordnung wird er auf diese Thematik ausführlich, transparent und verständlich hinweisen müssen. Ist dem Mitarbeiter diese Thematik nicht hinreichend und unstrittig klar und deutlich gemacht worden, öffnet sich für den Arbeitgeber ein neues Tor für mögliche Haftungsansprüche gegen ihn.

Grundsätzlich haftet der Arbeitgeber aufgrund § 1 Abs. 1 S 3 BetrAVG für die Differenz, wenn die Leistung der Versicherung von der Zusage an den Mitarbeiter abweicht (siehe hierzu auch meinen grundsätzlichen Rechtstipp zur Arbeitgeberhaftung: https://www.anwalt.de/rechtstipps/zielpraemisse-7-arbeitgeberhaftung-in-der-bav-nach-1-abs-1-satz-3-betravg_181273.html).

2. Zusageart als Grundlage der rechtlichen Gestaltung

Zur Beantwortung der Frage, inwieweit die Absenkung der Beitragsgarantie ein Problem darstellt, wird es sehr stark darauf ankommen, ob der Arbeitgeber eine BZML oder eine BOLZ erteilt. Hinter diesen Abkürzungen verbirgt sich eine Beitragszusage mit Mindestleitung (BZML), die der Gesetzgeber 2002 ins Gesetz aufgenommen hat und eine Beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ), die bereits seit 1999 im Gesetz geregelt ist.

Beide Zusagearten unterscheiden sich grundlegend:

2.1. BZML - Beitragszusage mit Mindestleistung

Die Beitragszusage mit Mindestleistung wurde in Zusammenhang mit dem Pensionsfond mit in das Gesetz aufgenommen und gilt für die versicherungsförmigen Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfond.
Aufgrund liberalerer Anlagemöglichkeiten wollte man vor allem den Aufbau von Versorgungskapital begünstigen und die Leistung erst im Versorgungsfall ermitteln. Sicherheit wollte man durch eine Mindestleistung schaffen. Rentenanpassung ist hier nicht verpflichtend.

2.2. BOLZ - Beitragsorientierte Leistungszusage

Anders sieht es bei der beitragsorientierten Leistungszusage aus. Hier geht es darum, einen bestimmten Beitrag in eine bestimmte Leistung umzuwandeln bzw. zu transformieren. Die Leistung steht also bereits von Anfang an fest. Überschüsse stehen dem Versorgungsberechtigten zu. Dies gilt für alle 5 Durchführungswege.
Beide Zusagen unterscheiden sich also grundlegend hinsichtlich Zielsetzung, Garantie und Zusageversprechen, Handhabung bei vorzeitigem Ausscheiden und auch der Rentenanpassung.

Aus Arbeitgebersicht ist es sinnvoll, eine BOLZ zu tätigen.
Entscheidend ist jedoch nicht, wie die Zusage bezeichnet wird, sondern wie sie tatsächlich gestaltet ist. Unklare Formulierungen führen leicht dazu, dass der Arbeitnehmer eine Zusage als BZML wahrnimmt und sich auf Mindestleistungen beruft. In der Praxis dürften diese Zusagen bei entsprechend bewusster Gestaltung weitgehend an Bedeutung verlieren und aussterben, da immer weniger Produktgeber zu finden sind, die diese Mindestleistungen auch einhalten und garantieren können.

3. Ungelöste, offene Frage

Offen und kontrovers diskutiert ist derzeit noch die Thematik, inwieweit Garantien bei der BOLZ wichtig und notwendig sind.
Die Diskussion geht dahin, dass der eine Teil der Meinung ist, dass es zwei unterschiedliche Zusageformen sind und nur bei der BZML die Garantie explizit geregelt ist. In der BOLZ fehlt hierzu eine klare Regelung. Auch im sogenannten Casino Urteil des BAG vom 30.8.2016 (3 AZR 361/15) hat sich das BAG zu einer Mindestleistung nicht geäußert, da dies im entscheidenden Fall nicht entscheidungsrelevant war. Aber auch hieraus ist nicht ableitbar, dass es bei der BOLZ keiner Garantie bedarf. Eine Garantie ist hier deshalb dadurch nicht vom Tisch

Der andere Teil der Fachwelt vertritt die Meinung, wenn schon bei einer Zusage mit freierer Kapitalanlage eine Mindestleistung zum Schutz und zur Risikobegrenzung der Arbeitnehmer geregelt ist, muss dies bei einem auf Zusage und Garantie ausgelegten Modell wie er BOLZ doch erst Recht der Fall sein. Deshalb stellt sich die Frage, ob eine BOLZ ohne Beitragsgarantie zulässig ist oder nicht?

Rechtssicherheit dazu wird leider erst in einigen Jahren das Bundesarbeitsgericht bringen.

4. Empfehlung

Neben der grundsätzlichen Frage, ob bAV mit Versicherung oder bAV ohne Versicherung für den Arbeitgeber in diesem wichtig Baustein eines Lohnsystems zukünftig der richtige Weg ist, muss der Arbeitgeber bei neuen versicherungsförmigen Verträgen mehr als bislang aufpassen und sich zum eigenen Schutz absichern.

4.1. Arbeitgeber müssen zukünftig mehr denn je auf eine klare und saubere Formulierung bei versicherungsförmigen Systemen achten. Hier entsteht eine klassische Interessenkollision zwischen Arbeitgeber, der aufklären und Haftung vermeiden muss und abschlussorientiertem und abschlussvergütetem Berater, der diesen Umstand eher nicht oder weniger deutlich darstellt.

4.2. Bei reduzierter Garantie empfiehlt es sich sogar, sich den Hinweis darauf gesondert unterschrieben zu lassen. Wie Arbeitnehmer darauf reagieren, wenn ihnen mitgeteilt wird, dass die eingezahlten Beiträge nicht mehr garantiert sind und wie sie auf geringe Garantien reagieren, wird sich in Zukunft zeigen, zumal das Vertrauen in Versicherungen in den letzten Jahren deutlich gesunken ist. Der Arbeitgeber darf nicht vergessen, dass er den Mitarbeitern hier etwas anbietet, was grundsätzlich Motivation sein sollte und die Arbeitgeberattraktivität erhöhen soll.

In der Zusage und Versorgungsordnung muss also auf die reduzierte Garantie hingewiesen werden und ein klarer Bezug auf die Bedingungen und das Vertragswerk des Versicherers hergestellt werden. Die Formulierungen müssen so sein, dass keine Auslegungsproblematik oder ein Missverständnis entsteht.

4.3. Auch das Vertragswerk des Versicherers ist nicht unproblematisch. Der Arbeitgeber kann sich nicht blind darauf verlassen, dass alles in seinem Sinne formuliert ist. Es soll die Umrechnung bei Verträgen mit reduzierter Garantie in eine Rente enthalten und nicht nur die Angabe, Entwicklung und Verlauf des Vertragsguthaben. Dies ist allerdings häufig der Fall, da Versicherer in Aufbau von Vertagsguthaben denken. Vertragsguthaben ist auch der Abfindungswert bei einer BZML bei vorzeitigem Ausscheiden. Spezialisierte Anwälte von Arbeitnehmern finden hier leicht Anknüpfungspunkte eine beabsichtigte, aber unklare BOLZ auszuhebeln und als BZLM darzustellen und zu begründen, mit der Folge, sich auf eine Mindestleistung berufen zu können. Versicherer stellen oft das Thema Vertragsguthaben in den Mittelpunkt und Vernachlässigen das Thema der Transformation und konkreten Leistungsermittlung als zentrale Regelungen in der bAV.

4.4. Dem Arbeitgeber bleibt nur die Möglichkeit, noch genauer auf seine Tarife zu achten, die Bedingungen und deren Beschreibung zu prüfen und seine arbeitsrechtlichen Dokumente noch klarer und eindeutiger und vor allem professionell zu fassen und den Mitarbeiter klar zu informieren und dies zu dokumentieren. Für den Vertrieb ist dies eine bittere Pille, weil es vor allem das Interesse des Unternehmers ist, dies klar darzustellen.

4.5. Viele Unternehmer werden auch über interne Durchführungswege nachdenken, wie die Direktzusage oder die pauschaldotierte Unterstützungskasse mit klaren Regelungen für den Arbeitnehmer und Arbeitgeber. In diesem Zusammenhang verweise ich auch auf meine Rechtstipps „Die pauschaldotierte Unterstützungskasse – ein derzeit wieder stark nachgefragter Durchführungsweg“: https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-pauschaldotierte-unterstuetzungskasse-ein-derzeit-wieder-stark-nachgefragter-durchfuehrungsweg_180957.html 

und „Mitarbeitersparbuch/Arbeitnehmersparbuch“: https://www.anwalt.de/rechtstipps/problemloesung-durch-bav-arbeitnehmersparbuch-mitarbeitersparbuch-sinnvoll-auch-in-corona-zeiten_184238.html

Gerne stelle ich Ihr Versorgungswerk auf den rechtlichen Prüfstand und unterstütze Sie auch bei zukünftigen Überlegungen.

Ihre Liquiditätsauswirkungen oder auch den erforderlichen Zins für kostenneutrale Gestaltungen können Sie gerne mit unserem Unterstützungskassen Rechner ermitteln.

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Foto(s): AUTHENT

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