Arbeitgeber muss bEM mehrfach innerhalb eines Jahreszeitraumes durchführen

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Die Pflicht des Arbeitgebers, einem Arbeitnehmer, der in den zurückliegenden zwölf Monaten ununterbrochen oder wiederholt sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt war, die Durchführung eines sog. bEM (betriebliches Eingliederungsmanagement) anzubieten ist in § 167 Abs. II SBG IX geregelt.

BEM bei mehrfachem Erkranken innerhalb von zwölf Monaten sowie Langzeiterkrankung des Arbeitnehmers

Wurde bereits ein bEM durchgeführt und erkrankt der Arbeitnehmer abermals sechs Wochen stellt sich die Frage innerhalb welcher Zeitspanne/ innerhalb welchen Referenzzeitraumes der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer erneut anbieten muss, ein bEM durchzuführen.

Referenzzeitraum

Diese Zeitspanne/dieser Referenzzeitraum ist in der Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte umstritten. Das Hessische LAG  (17.2.2017,  14 Sa 690/16) ist der Auffassung, dass innerhalb eines Jahreszeitraumes nur ein (erneutes) bEM durchzuführen sei, so der Arbeitnehmer erneut sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt oder Langzeiterkrankt ist. Die herrschende Meinung, der sich das LAG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 9.12.2020, Az. 12 Sa 554/20 anschloss sieht das anders: Der Referenzzeitraum für das erneute Anbieten des bEM sei die sechswöchige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers und nicht der „Jahreszeitraum“. Der Referenzzeitraum beginnt mit dem Abschluss des „letzten“ bEM. D.h. ist der Arbeitnehmer, nachdem bereits ein bEM durchgeführt wurde erneut sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt muss der Arbeitgeber direkt nach Ablauf dieser sechs Wochen und damit einhergehend sechs Wochen nach Ablauf des letzten Tags des vorangegangenen bEM dem Arbeitnehmer erneut das Durchführen eines bEM anbieten.

Auswirkungen der Durchführung des bEM auf die Wirksamkeit der Kündigung

Unterlässt der Arbeitnehmer es, dem Arbeitnehmer das Durchführen des bEM erneut anzubieten und kündigt er das Arbeitsverhältnis aus personenbedingten (also krankheitsbedingten) Gründen ordentlich, riskiert er es, das Kündigungsschutzverfahren zu verlieren. Denn das Unterlassen des Durchführens des bEM kann dazu führen, dass die Kündigung unverhältnismäßig und daher unwirksam ist, weil mildere Mittel als eine Kündigung möglich gewesen wären. Ob und welche milderen Mittel möglich sind kann im Rahmen des bEM herausgefiltert, sowie im Kündigungsschutzverfahren vom Arbeitgeber dargelegt und bewiesen werden. Unterlässt der Arbeitgeber es, das bEM (erneut) durchzuführen, muss er darlegen und beweisen, dass das Durchführen des bEM entbehrlich war (z.B. weil es „nichts gebracht hätte“).

In dem vom LAG Düsseldorf zu entscheidenden Fall (s.o.) hat der Arbeitgeber das Kündigungsschutzverfahren verloren, d.h. die Kündigung war unwirksam. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass die Kündigung unverhältnismäßig sei, da der Arbeitgeber mangels Durchführung des bEM nicht habe darlegen und beweisen können, dass es mildere Mittel als die ordentliche, personenbedingte Kündigung gegeben habe.

Dogmatisch begründet haben die Richter ihre Entscheidung, wonach der Referenzzeitraum für ein erneutes Anbieten des bEM die abermalige sechswöchige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers sei damit, dass es dem Wortlaut des § 167 Abs. II SGB IX nicht zu entnehmen sei, dass der Referenzzeitraum die zurückliegenden zwölf Monate sei. Die Revision ist beim Bundesarbeitsgericht unter dem Az 2 AZR 138/21 anhängig.

Fazit:
Für Arbeitgeber bedeutet diese Entscheidung bzw. die aktuell herrschende Meinung der Landesarbeitsgerichte, dass sie wiederholt sechs Wochen lang arbeitsunfähigen und auch langzeiterkrankten Arbeitnehmern alles sechs Wochen erneut das Durchführen des bEM anbieten müssen. Anderenfalls riskieren sie- jedenfalls nach aktueller herrschender Meinung in der Rechtsprechung- dass eine ordentliche, personenbedingte (krankheitsbedingte) Kündigung unwirksam ist. Die Praktikabilität dieser Rechtsprechung erscheint mehr als fraglich. Es bleibt abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht die Rechtslage anders beurteilt.

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