Arbeitgeberhaftung bei Direktversicherung mit Berufsunfähigkeit in der bAV

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1. Ist die Direktversicherumg tatsächlich risikolos?

Ein weit verbreiteter Irrglaube bei der Ditektversicherung ist, dass sie häufig für problemlos und risikolos gehalten wird.
Gerade bei der Entgeltumwandlung glauben viele Arbeitgeber, dass mit Zahlung der Beiträge, die der Mitarbeiter umgewandelt hat, ggfs. zuzüglich des 15 %-Pflichtzuschuss, alles erledigt sei und keine Probleme oder Arbeitgeberhaftung entstehen können.
Weit gefehlt, dem ist bei Weitem nicht so. In meinen Rechtstipps mit den wichtigsten Arbeitgeber Irrtümern und den größten Fehlern bei der betrieblichen Altersversorgung habe ich bereits auf einige Risiken und Probleme hingewiesen:

https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-25-groessten-bav-fehler-und-maengel-der-betrieblichen-altersversorgung-in-versorgungswerken_185712.html

https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-20-groessten-irrtuemer-der-arbeitgeber-in-der-betrieblichen-altersversorgung_185244.html

In meinem allgemeinen Beitrag zur Arbeitgeberhaftung habe ich zur allgemeinen BU bzw. Berufsunfähigkeitsproblematik und zu möglicher Arbeitgeberhaftung bei der rückgedeckten Unterstützungskasse hingewiesen: https://www.anwalt.de/rechtstipps/haftung-des-arbeitgebers-in-der-betrieblichen-altersversorgung-und-minimierungsstrategien_185184.html

2. Problem bei fehlenderVersorgungsordnung

Aber auch die Direktversicherung, die häufig für einfach und unproblematisch gehalten wird, kann Probleme nach sich ziehen.
Folgende Situation zeigt dies deutlich:

Stellen Sie sich vor, ein Arbeitgeber hat keine Versorgungsordnung, also keine festen Spielregeln und Rahmenbedingungen, nach denen die betriebliche Altersversorgung bei ihm im Unternehmen ablaufen soll.
Die Arbeitnehmer dürfen quasi alles. Auch der Arbeitgeber akzeptiert alles, jede Gesellschaft und letztlich jede Zusageart und jede Leistung.
Es ist ja "nur Entgeltumwandlung und letztlich das Geld des Arbeitnehmers", was habe ich damit zu tun, denken viele Arbeitgeber.

Der Arbeitnehmer wird von einem Versicherungsvermittler auf die betriebliche Altersversorgung angesprochen.
Dieser versucht ihm eine betriebliche Altersversorgung durch Entgeltumwandlung schmackhaft zu machen.
Um die reine Rente, bei der der Mitarbeiter zum Teil 100 Jahre alt werden müsste, um ohne Zins das eingezahlte Kapital zurückzuerhalten, nicht zu unattraktiv erscheinen zu lassen, schlägt der Vermittler eine Berufsunfähigkeitsabsicherung mit vor. Argumente wie das , dass der Beitrag ganz leicht aus dem Brutto bezahlt wird und die Vorstellung verschiedener plakativer Berufsunfähigkeitssituationen überzeugen den Arbeitnehmer.
Arbeitgeberinteressen haben weder Vermittler noch Arbeitnehmer im Fokus (siehe meinen Rechtstipp: https://www.anwalt.de/rechtstipps/das-dilemma-zwischen-arbeitgeberinteressen-und-kontraeren-versicherungsvermittlerinteressen-in-der-betrieblichen-altersversorgung_185885.html

Der Vermittler füllt den Vertrag aus und legt ihm dem Arbeitgeber zur Unterschrift vor. Eine Zusage ist ebenfalls kurz und knapp dabei und wird mit unterzeichnet.
Niemand durchdenkt den Fall aus Arbeitgebersicht. Niemand stellt eine Kongruenz zwischen Versicherungsvertrag und Zusage her oder achtet auf Dinge, die in diesem Fall elementar wichtig wären. Es besteht nun eine Zusage des Arbeitgebers auf Berufsunfähigkeitsleistungen, die er in jedsm Fall erfüllen muss und eine Versicherung, die bei Berufsunfähigkeit leistet, wenn de Bedungungen erfüllt sind, alle Angaben richtig und vollständig waren und sie eine Berufsunfähigkeit anerkennt.

Nehmen wir jetzt an, der Arbeitnehmer wird nach einigen Jahren krank. Die Lohnzahlung endet nach rund 6 Wochen. Mit dem Ende der Lohnfortzahlung ist auch keine Entgeltumwandlung mehr möglich.
Die Folge ist meist ein Anruf bzw. eine E-Mail an die Versicherung, dass der Arbeitnehmer krank sei und der Vertrag beitragsfrei gestellt werden soll. Dies ist grundsätzlich auch möglich.
An die Versicherung wird nun nichts mehr abgeführt. Auch wenn sich dadurch an der Zusage nichts ändert, versicherungstechnisch sieht es anders aus.
Mit Einstellung der Beitragszahlung ändern sich auch die Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsabsicherung gsgenüber der Versicherungsgesellschaft. Diese gehen regelmåßig auf null zurück. Der Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber ist jedoch unvermindert gegeben.
Soweit weiter nichts passiert, zeigt sich zunächst kein Problem.
Stellt ein Arzt nun Berufsunfähigkeit fest, ist der Arbeitgeber zur vollen Berufsunfähigkeitsleistung bzw. Rente verpflichtet.
Die Verpflichtung besteht auch nicht anteilig, sondern ungemindert. Der Arbeitnehmer ist schließlich nicht ausgeschieden. Im Fall eines Ausscheidens wäre ein versicherungsvertragliches Verfahren die Lösung.
Der Arbeitgeber ist nun für die monatlich versprochene BU Rente in der Haftung. Er hat diese zu zahlen. Ein teueres Problem.

Es entsteht quasi eine Direktzusage und der Arbeitgeber hat auch eine Verpflichtung zu bilanzieren und zwar mit dem bilanztechnischen Barwert. Auch dieser Sprung ist nicht von jedem Unternehmer verkraftbar und es kann schnell eine Überschuldung entstehen mit allen sich daraus ergebenden möglichen negativen Konsequenzen für das Unternehmen.

Man könnte dieses Beispiel jetzt beliebig abwandeln.
Der Arbeitnehmer ist nach 6 Monaten wieder gesund. Der Versicherung fehlen Beiträge. Die Leistung sinkt. Die arbeitsrechtliche Verpflichtung wurde jedoch nicht angepasst, etc. etc.

3. Empfehlung


Dieses einfache Beispiel zeigt, dass bei der betrieblichen Altersversorgung eine Reihe von Fehlern passieren können, die durchaus teuer sind. Eine Versorgungsordung ist hierbei von zentraler Bedeutung. (siehe meinen Rechtstipp: https://www.anwalt.de/rechtstipps/versorgungsordnung-zur-minimierung-und-beschraenkung-der-arbeitgeberhaftung_186439.html)

Vielen Arbeitnehmern sind ihre Rechte und auch ihre Zusage und deren Tragweite nicht bekannt und sie lassen sich meist mit Verweis auf die Versicherung beruhigen.
In der Zukunft wird eine sichere Ausgestaltung allerdings immer wichtiger. Der Rechtsanwalt schafft rechtliche Grundlagen und risikomindernde Spielregeln, auf deren Basis ein Versicherungsvermittler entsprechende Produkte auswählen kann, soweit sich der Arbeitgeber überhaupt zu einer Versicherungslösung und gegen ein eigenes Modell bzw. Innenfinanzierungsmodell entscheidet (hierzu auch: https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-pauschaldotierte-unterstuetzungskasse-ein-derzeit-wieder-stark-nachgefragter-durchfuehrungsweg_180957.html)


Mehr zu diesem Thema: https://www.anwalt.de/rechtstipps/die-typischsten-fehler-und-irrtuemer-mit-berufsunfaehigkeitsabsicherung-in-der-bav-direktversicherung-co_186654.html

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Foto(s): AUTHENT

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