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Auch teure Uhren dürfen auf deutschen Straßen getragen werden

  • 4 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

Gerade sorgt ein Raubüberfall auf Mallorca für Schlagzeilen. Dabei wurde einem deutschen Rentner während seines Urlaubs auf der beliebten Ferieninsel am helllichten Tag eine Uhr im Wert von 50.000 Euro auf offener Straße gestohlen. Auch auf deutschen Straßen kann das Tragen von teuren Uhren für viel Streit sorgen, wenn diese gestohlen wurden und von der Hausratsversicherung ersetzt werden sollen. 

Hausratversicherung lehnt Einstandspflicht ab 

Wenn es um den Ersatz von Schäden geht, werden manche Versicherungen sehr kreativ, um nicht zahlen zu müssen. Dabei geht es stets um die beiden zentralen Fragen, ob überhaupt ein Versicherungsfall vorliegt und ob dieser zumindest teilweise vom Versicherungsnehmer verschuldet war. Mit besonders kuriosen Ideen musste sich das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe im Fall einer gestohlenen Uhr beschäftigen. 

In dem zugrundeliegenden Fall war einem Mann seine Armbanduhr auf einer Straße in Deutschland gestohlen worden. Diesen Diebstahl meldete er seiner Hausratversicherung, nach deren Versicherungsbedingungen im Falle eines Raubes Entschädigungen gezahlt werden. Die Versicherung lehnte ihre Einstandspflicht jedoch ab und berief sich darauf, dass einerseits überhaupt kein Versicherungsfall vorliege und der Mann andererseits mit dem Tragen der Uhr seine Sorgfaltspflicht verletzt habe. 

Kein Versicherungsfall

Nach Ansicht der Versicherung lag kein Versicherungsfall vor, weil nur der Verlust durch einen Raub versichert wäre, nicht aber die Entwendung mit einem Trickdiebstahl. Entscheidend für die Frage, welche Art von Diebstahl vorliegt, sollte nach der Definition in den Versicherungsbedingungen sein, ob der Täter einen Widerstand zur Erlangung des Diebesguts überwinden musste. Bei der Entwendung der Uhr hätte der Täter einen solchen Widerstand nicht überwinden müssen, sodass im Ergebnis ein nicht versicherter Trickdiebstahl vorgelegen hätte. 

Versicherungsnehmer hat Obliegenheiten verletzt 

Für den Fall, dass es sich entgegen der eigenen Ansicht nicht um einen Trickdiebstahl, sondern um einen versicherten Raub handeln sollte, lehnte die Versicherung ihre Einstandspflicht dennoch ab. Hierzu berief sie sich auf eine Regelung im Versicherungsvertragsgesetz (VVG), wonach Versicherungen zur Leistungskürzung berechtigt sind, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall durch ein grob fahrlässiges Verhalten herbeiführt. Von solch einem grob fahrlässigem Verhalten sei im Fall des Uhrenträges auszugehen, weil dieser seine teure Uhr auf der Straße getragen und einem Fremden auf der Straße gezeigt habe. 

OLG Karlsruhe: Versicherung muss die Uhr ersetzen 

Der Uhrenbesitzer wollte sich mit der Ablehnung nicht abfinden und zog vor Gericht. Während seine Klage in der ersten Instanz noch erfolglos blieb, bekam er nach der Berufung vom OLG Karlsruhe schließlich recht. 

Kein Trickdiebstahl, sondern Raub 

Das OLG stellte fest, dass nach den Schilderungen des Mannes kein Trickdiebstahl, sondern vielmehr ein versicherter Raub vorlag. Der Täter hatte zwar beabsichtigt, dem Mann die Uhr im Wege eines Trickdiebstahls zu entwenden, jedoch hatte der Uhrenträger diesen im Moment der Wegnahme bemerkt und sich gegen den Raub der Uhr gewehrt. Hierzu hatte der Mann ausgesagt, dass er gemerkt hätte, wie ihm die Uhr über den Arm gestriffen worden ist und er dem Täter hierbei sinngemäß sagte, die Uhr bleibe da. Festhalten konnte er die Uhr aber nicht, da der Täter sie ihm entrissen hat. Nach den Richtern am OLG Karlsruhe ist dieser Tathergang nicht mehr als Trickdiebstahl einzustufen, sondern vielmehr als Raub. 

Dabei betonten die Richter auch, dass die Schilderung des Geschehensablaufes durch den Mann glaubhaft war, obwohl er den genauen Hergang der Entwendung seiner Uhr bei der polizeilichen Vernehmung nicht geschildert hatte. Die fehlende Schilderung des genauen Entwendungshergangs lässt sich dadurch erklären, dass der Mann unmittelbar nach der Tat verständlicherweise sehr aufgeregt war und es zudem möglich sei, dass die Polizisten bei der Vernehmung und Protokollierung andere Schwerpunkte gesetzt haben. Die Richter des OLG hielten es hierbei für möglich, dass dem Polizisten die Bedeutung der versicherungsrechtlich relevanten Abgrenzung von Raub und Trickdiebstahl nicht bewusst war und deshalb aus seiner Sicht kein Anlass bestand, das Augenmerk auf die Details des Tathergangs zu legen. 

Auch teure Uhren darf man auf deutschen Straßen tragen 

Auch die Idee der Sorgfaltspflichtverletzung ließ das Oberlandesgericht nicht gelten. Es stellte explizit fest, dass der Verwendungszweck einer Uhr gerade darin besteht, sie zu tragen und die Uhrzeit von ihr abzulesen. Der Wert der Uhr spielt dabei keine Rolle, sodass keine Verletzung der Sorgfaltsplicht vorliegt, wenn eine teure Armbanduhr auf einer deutschen Straße getragen wird. Wird man dort von einem Unbekannten nach der Uhrzeit gefragt, entspricht es ebenfalls dem üblichen Gebrauch einer getragenen Armbanduhr, wenn man die Uhrzeit von ihr abliest – auch dann, wenn der Unbekannte die Armbanduhr dabei zu Gesicht bekommt. Da der Versicherungsnehmer seine Uhr somit nach dem gewöhnlichen Verwendungszweck genutzt hat, kann ihm nicht der Vorwurf gemacht werden, er hätte den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt. Die Versicherung durfte ihre Leistungen daher nicht kürzen, sondern musste die Uhr in Höhe ihres Neuwerts von 5100 Euro ersetzen. 

Fazit: Nicht jede kreative Idee der Versicherungen zur Ablehnung einer Zahlung hält der gerichtlichen Überprüfung stand. Mit dem Verbot, teure Uhren auf deutschen Straßen zu tragen, kam eine Hausratversicherung nicht weit, denn dies entspricht dem normalen Verwendungszweck einer Uhr. 

(OLG Karlsruhe, Urteil v. 19.07.2016, Az.: 12 U 85/16)

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