Das Bundesverfassungsgericht zur Berufsfreiheit

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Die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) ist ein wichtiges Grundrecht, da sie für den Lebensunterhalt der Bürger eine große Bedeutung besitzt. Allerdings unterliegt sie in einem staatlich weitestgehend gelenkten Wirtschaftssystem wie dem der Bundesrepublik vielerlei Einschränkungen. Diese wiederum können sich bei unterschiedlichen Berufen in ganz verschiedener Weise auswirken.

Dieser Artikel soll einige grundlegende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Berufsfreiheit darstellen.


BVerfGE 50, 290 = 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und BvL 21/78

Art. 12 Abs. 1 GG schützt die Freiheit des Bürgers in einem für die moderne arbeitsteilige Gesellschaft besonders wichtigen Bereich: Er gewährleistet dem Einzelnen das Recht, jede Arbeit, für die er sich geeignet glaubt, als Beruf zu ergreifen, d. h. zur Grundlage seiner Lebensführung zu machen. In dieser Deutung reicht Art. 12 Abs. 1 GG weiter als die – von ihm freilich umfasste – Gewerbefreiheit.

Darüber hinaus unterscheidet er sich jedoch von ihr durch seinen personalen Grundzug: Der Beruf wird in seiner Beziehung zur Persönlichkeit des Menschen im Ganzen verstanden, die sich erst darin voll ausformt und vollendet, dass der Einzelne sich einer Tätigkeit widmet, die für ihn Lebensaufgabe und Lebensgrundlage ist und durch die er zugleich seinen Beitrag zur gesellschaftlichen Gesamtleistung erbringt. Das Grundrecht gewinnt so Bedeutung für alle sozialen Schichten; die Arbeit als Beruf hat für alle gleichen Wert und gleiche Würde.


BVerfGE 7, 377 = 1 BvR 596/56

Die Freiheit der Berufsausübung kann beschränkt werden, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls es zweckmäßig erscheinen lassen; der Grundrechtsschutz beschränkt sich auf die Abwehr in sich verfassungswidriger, weil etwa übermäßig belastender und nicht zumutbarer Auflagen.

Die Freiheit der Berufswahl darf nur eingeschränkt werden, soweit der Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter es zwingend erfordert. Ist ein solcher Eingriff unumgänglich, so muss der Gesetzgeber stets diejenige Form des Eingriffs wählen, die das Grundrecht am wenigsten beschränkt. Die subjektiven Voraussetzungen (insbesondere Vor- und Ausbildung) dürfen zu dem angestrebten Zweck der ordnungsmäßigen Erfüllung der Berufstätigkeit nicht außer Verhältnis stehen.


BVerfGE 81, 242 = 1 BvR 26/84

Eine Verurteilung, eine bestimmte Tätigkeit zu unterlassen, muss sich auch dann an der Berufsfreiheit messen lassen, wenn der Betroffene vertraglich eine Wettbewerbsverbot zugestimmt hat.


BVerfGE 105, 252 = 1 BvR 558, 1428/91

Marktbezogene Informationen des Staates beeinträchtigen den grundrechtlichen Gewährleistungsbereich der betroffenen Wettbewerber aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht, sofern der Einfluss auf wettbewerbserhebliche Faktoren ohne Verzerrung der Marktverhältnisse nach Maßgabe der rechtlichen Vorgaben für staatliches Informationshandeln erfolgt. Verfassungsrechtlich von Bedeutung sind dabei das Vorliegen einer staatlichen Aufgabe und die Einhaltung der Zuständigkeitsordnung sowie die Beachtung der Anforderungen an die Richtigkeit und Sachlichkeit von Informationen.


BVerfGE 11, 168 = 1 BvL 53/55, 16, 31, 53/56, 7, 18, 24/57

Objektive Berufszulassungsregelungen sind solche, die nichts mit der persönlichen Eignung der Bewerber zu tun haben, insbesondere zahlenmäßige Beschränkungen. Diese sind nur zulässig, wenn die in ihnen umschriebenen Voraussetzungen zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut zwingend geboten sind.


BVerfGE 9, 338 = 1 BvR 71/57

Subjektive Berufszulassungsregelungen sind solche, die das Recht, einen bestimmten Beruf auszuüben, an den Besitz persönlicher Eigenschaften, Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten knüpfen. Hierzu gehören auch Höchstaltersgrenzen. Diese sind zum Schutz bedeutender Rechtsgüter zulässig. Insoweit ist jedoch auch der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.

Eine Altersgrenze von 70 Jahren für Hebammen ist demnach nicht zu beanstanden. Der Schutz der Mütter und der Kinder ist so wichtig und die Gefahren sind so groß, dass hohe Anforderungen an die volle und ständige körperliche und geistige Leistungsfähigkeit auch durch einschneidende Regelungen der Berufsfreiheit gerechtfertigt sind. Die Leistungsfähigkeit der Hebammen muss so klar außer Zweifel sein, dass jede Frau ihr voll vertrauen kann.


BVerfGE 39, 334 = 2 BvL 13/73

Es steht nicht in Widerspruch zu Art. 12 GG, wenn der hergebrachte Grundsatz des Berufsbeamtentums im Beamtenrecht verwirklicht wird, vom Bewerber für ein Amt zu verlangen, dass er die Gewähr bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Ein Teil des Verhaltens, das für die Beurteilung der Persönlichkeit eines Beamtenwärters erheblich sein kann, kann auch der Beitritt oder die Zugehörigkeit zu einer politischen Partei sein, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt – unabhängig davon, ob ihre Verfassungswidrigkeit durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts festgestellt ist oder nicht.


BVerfGE 30, 336 = 1 BvL 25/61 und 3/62

Der Gesetzgeber darf in die Freiheit der Berufsausübung grundsätzlich schon dann eingreifen, wenn vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls dies zweckmäßig erscheinen lassen. Die Schwere des Eingriffs einer Berufsausübungsregelung muss jedoch dem Gewicht der Gründe des Gemeinwohls entsprechen, durch die er gerechtfertigt wird.

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BVerfGE 131, 130 = 1 BvR 3017/09

Da Notare einen staatlich gebundenen Beruf ausüben, müssen sie es hinnehmen, dass für sie die Wirkungen des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG durch Sonderregelungen in Anlehnung an Art. 33 Abs. 5 GG zurückgedrängt werden.

Weisungen an Notare hinsichtlich der Aufzeichnung ihrer Geldflüsse sind demnach zulässig, um die ordnungsgemäße Wahrnehmung der staatlichen Aufgabe des notariellen Verwahrungsgeschäfts sicherzustellen.


BVerfGE 33, 303 = 1 BvL 32/70 und 25/71

Aus dem in Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Recht auf freie Wahl des Berufes und der Ausbildungsstätte in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip folgt ein Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium.

Einschränkungen der Studienwahl (Numerus clausus) sind nur zulässig, wenn sie aufgrund einer beschränkten Zahl an Studienplätzen notwendig sind und die Auswahl der Studenten nach sachgerechten Kriterien erfolgt. Die Anknüpfung an die Gesamtnote des Abiturs ist grundsätzlich sachgerecht, wobei eine stärkere Bewertung von Schulfächern, die dem Studienfach ähnlich sind, zulässig ist.


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