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Kein Geld für Reparatur: Muss Unfallopfer Kredit aufnehmen?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Eine Autoreparatur nach einem Verkehrsunfall kann ziemlich teuer werden. Auch muss man sich regelmäßig mit der gegnerischen Versicherung herumstreiten. Bis die dann endlich die Reparaturfreigabe erteilt, steht man schlimmstenfalls einige Zeit ohne Auto da. Besser ist es, die Reparatur zunächst einmal auf eigene Kosten durchführen zu lassen, oder? Doch was ist, wenn man kein Geld dafür hat – muss man dann einen Kredit aufnehmen oder kann man die Reparaturfreigabe abwarten und dann auch noch eine Nutzungsausfallentschädigung vom Versicherer verlangen?

Späte Reparaturfreigabe durch Versicherung

Eine Autofahrerin wurde schuldlos in einen Verkehrsunfall verwickelt. Dabei wurde ihr Fahrzeug beschädigt – es war laut Schadensgutachten nur noch bedingt fahrtüchtig und eine Reparatur sollte ca. 1800 Euro kosten. Die Frau hatte das nötige „Kleingeld“ nicht, um die Instandsetzung ihres Autos vorzufinanzieren und informierte die Versicherung des Unfallverursachers darüber, um möglichst schnell die Reparaturfreigabe zu erhalten.

Die Versicherung ließ sich mit der Erteilung der Freigabe aber beinahe drei Wochen Zeit. Auch dauerte die Fahrzeugreparatur danach einige Tage, sodass die Geschädigte ihr Kfz erst nach 25 Tagen wieder nutzen konnte. Die Frau verlangte daher von der gegnerischen Versicherung eine Nutzungsausfallentschädigung für 25 Tage – erhielt aber nur 145 Euro für fünf Tage Nutzungsausfall aufgrund der Reparatur. Schließlich habe das Unfallopfer nicht auf ihre Reparaturfreigabe warten dürfen – vielmehr hätte sie das Auto schon wenige Tage nach dem Unfall reparieren lassen müssen, um einen wochenlangen Nutzungsausfall zu verhindern. Notfalls hätte sie einen Kredit aufnehmen müssen. Der Streit der Parteien endete vor Gericht.

Versicherer muss zahlen

Das Amtsgericht (AG) Duisburg-Ruhrort entschied, dass der Versicherer Nutzungsausfallersatz leisten muss – und zwar für insgesamt 25 Tage.

Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfalls?

Nach einem Unfall muss der Geschädigte vom Unfallverursacher so gestellt werden, als ob es den Vorfall nie gegeben hätte. Der Unfallfahrer muss daher den Geldbetrag an sein Opfer zahlen, der nötig ist, um den ursprünglichen Zustand – z. B. am Auto – wiederherzustellen. Ferner kann der Wagen – zumindest für die Dauer der Reparatur – nicht genutzt werden, weshalb das Unfallopfer entweder ein Kfz mieten oder eine sog. Nutzungsausfallentschädigung verlangen darf.

Einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung hat man aber nur unter bestimmten Voraussetzungen. So darf das eigene Fahrzeug nicht zur Verfügung stehen, weil es z. B. laut Schadensgutachten nicht oder nur bedingt fahrtüchtig ist. Ferner muss der Geschädigte in dieser Zeit ein Fahrzeug nutzen wollen sowie nutzen können. Wenn er jedoch z. B. mit gebrochenem Bein im Krankenhaus liegt und keine weitere Person auf das Kfz angewiesen ist, z. B. seine Ehefrau, kann er den Wagen nicht nutzen und somit auch keinen Nutzungsausfallersatz verlangen.

Wird ein fiktiver Nutzungsausfallschaden geltend gemacht – der Geschädigte verlangt also Schadenersatz, obwohl er den Wagen nicht reparieren lässt –, besteht ein Ersatzanspruch nur für die Zeit, die eine Reparatur in Anspruch genommen hätte, sowie eventuell die Dauer der Schadensermittlung. Wer dagegen sein beschädigtes Kfz tatsächlich reparieren lässt, kann auch den tatsächlichen Nutzungsausfallschaden ersetzt verlangen.

Verstoß gegen Schadensminderungspflicht?

Gemessen an den genannten Kriterien durfte das Unfallopfer für insgesamt 25 Tage Nutzungsausfallersatz verlangen. Die Frau konnte ihr Fahrzeug in dieser Zeit schließlich nicht nutzen, weil es als nur bedingt fahrtüchtig eingestuft worden war und repariert werden musste.

Grundsätzlich trifft einen Geschädigten die sog. Schadensminderungspflicht nach § 254 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – er muss also die günstigste Schadensbeseitigungsmöglichkeit wählen und darf den Schaden nicht noch weiter in die Höhe treiben. Genau das passiert jedoch, wenn man mit der Reparatur wartet, bis die gegnerische Versicherung die Freigabe erteilt. Daher bestünde eigentlich die Pflicht, den Wagen zunächst aus eigenen Mitteln reparieren zu lassen, anstatt die Reparaturfreigabe der gegnerischen Versicherung abzuwarten.

Zwar muss der Geschädigte seine Lebensführung deshalb nicht einschränken, unter Umständen muss der Geschädigte allerdings einen Kredit aufnehmen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Kredit leicht zu beschaffen ist und den Geschädigten nicht stark belastet.

Kreditaufnahme ist unzumutbar

Vorliegend konnte sich die Geschädigte die Reparatur nicht leisten – die kostete schließlich über 1800 Euro. Dies hatte sie der gegnerischen Versicherung auch unverzüglich mitgeteilt – somit war dem Versicherer bekannt, dass der Wagen ohne Vorschuss nicht repariert wird und sich der Nutzungsausfallschaden erhöht. Dennoch blieb er für Wochen untätig, was das Gericht zu seinen Lasten wertete. Letztendlich befand der Richter, dass eine Kreditaufnahme das Unfallopfer unzumutbar belastet hätte. Die Kfz-Eigentümerin durfte also auf die Reparaturfreigabe des Versicherers warten und entsprechenden Nutzungsausfallersatz verlangen.

Fazit: In der Regel darf man mit der Reparatur seines Kfz nicht warten, bis die Versicherung des Unfallgegners die Reparaturfreigabe erteilt. Vielmehr muss man die Kosten erst einmal vorstrecken oder einen Kredit aufnehmen. Anderes ist aber möglich, wenn man sich die Reparatur nicht leisten kann, die Kreditaufnahme unzumutbar wäre und die Versicherung sich mit der Freigabe Zeit lässt, obwohl sie über die prekäre Situation Bescheid weiß.

(AG Duisburg-Ruhrort, Urteil v. 22.02.2016, Az.: 32 C 100/15)

(VOI)

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