Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zu diesem Thema in der Nähe!

Keine Abmahnung ohne vorherige Ermahnung?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

[image]

Verletzt ein Beschäftigter seine arbeitsvertraglichen Pflichten, kann er von seinem Chef abgemahnt werden. Damit soll ihm sein Fehlverhalten vor Augen geführt werden. Ferner wird der Betroffene in der Abmahnung zur Besserung aufgefordert und darauf aufmerksam gemacht, dass im Wiederholungsfall mit einer Kündigung zu rechnen ist. Doch darf der Arbeitgeber erst abmahnen, wenn er den Angestellten wegen desselben Fehlverhaltens bereits ermahnt hat?

Glasbruch wegen mangelnder Warensicherung

Ein Lkw-Fahrer wurde mehrfach von seinem Arbeitgeber, einer Spedition, abgemahnt. Laut einer Abmahnung soll der Lkw-Fahrer Fehler bei der Ladungssicherung gemacht haben, was dazu geführt habe, dass die transportierte Ware zu Bruch ging. Diesen Vorwurf wollte der Beschäftigte nicht auf sich sitzen lassen.

Er erklärte daher zunächst, nicht gewusst zu haben, dass er Glas transportiere – was er später jedoch revidierte. Ferner habe er aufgrund der Verpackung nicht erkennen können, dass die Ware unterschiedliche Bandmaße hatte und daher ein zusätzlicher Schutzbalken hätte angebracht werden müssen. Im Übrigen hätte der Arbeitgeber ihn vor einer Abmahnung erst ermahnen müssen – schließlich habe er keine schwerwiegende Pflichtverletzung begangen. Er verlangte daher vor Gericht insbesondere die Entfernung der Abmahnung bezüglich der fehlerhaften Ladungssicherung aus der Personalakte.

Abmahnung war rechtmäßig

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschied, dass die Abmahnung, die den Vorwurf der mangelhaften Ladungssicherung zum Thema hatte, rechtmäßig war. Der Arbeitgeber musste sie daher nicht aus der Personalakte des Lkw-Fahrers entfernen.

Fehlverhalten des Lkw-Fahrers?

Der Beschäftigte hatte unstreitig gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, als er das Glas ungesichert zum Kunden transportierte, woraufhin es zum Teil zerbrach. Er hatte nämlich genau gewusst, dass er zerbrechliche Ware transportierte – das hatte er später zugegeben.

Sollten – wie vom Lkw-Fahrer behauptet – wegen des Verpackungsmaterials tatsächlich Unsicherheiten über die Größe des Glases bestanden haben, wäre er erst recht verpflichtet gewesen, den zusätzlichen Sicherungsbalken anzubringen. Nur so hätte er verhindern können, dass die Glasware während der Fahrt herumgeschüttelt und beschädigt wird.

Keine vorherige Ermahnung nötig

Auch durfte der Arbeitgeber den Lkw-Fahrer sofort abmahnen, ohne ihn zuvor ermahnen zu müssen. Mit einer Ermahnung wird der Betroffene – wie bei einer Abmahnung auch – auf sein Fehlverhalten hingewiesen und zur Besserung angehalten. Anders als bei einer Abmahnung wird für den Wiederholungsfall aber nicht mit einer Kündigung gedroht.

Jeder Arbeitgeber kann jedoch frei entscheiden, ob er den betroffenen Beschäftigten abmahnt oder ermahnt – eine Pflicht zur Ermahnung besteht nicht. Im Gegenteil – es ist vielmehr sein gutes Recht, seinen Vertragspartner auf einen Fehler hinzuweisen und mit rechtlichen Konsequenzen zu drohen, wenn der Fehler erneut gemacht wird – ihn also abzumahnen. Eine Abmahnung stellt im Gegensatz zu einer Kündigung auch das mildere Mittel dar.

Es gibt daher keinen Grund, den Arbeitgeber vor einer Abmahnung auch noch zu einer Ermahnung zu verpflichten. Das würde im schlimmsten Fall sogar zu dem unerwünschten Nebeneffekt führen, dass Beschäftigte wiederholt gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen könnten – wüssten sie doch, dass sie vor einer Kündigung erst einmal ermahnt und abgemahnt werden müssten. Arbeitgeber müssten daher Fehlverhalten ihrer Angestellten häufiger sanktionslos hinnehmen.

Die Abmahnung des Lkw-Fahrers wegen unzureichender Ladungssicherung war im vorliegenden Fall somit rechtmäßig – sie musste vom Arbeitgeber daher auch nicht aus der Personalakte des Beschäftigten entfernt werden.

Fazit: Ein Arbeitgeber darf einem Angestellten nur in seltenen Fällen ohne vorherige Abmahnung kündigen, z. B. wenn dieser erheblich gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat. Daneben kann er seinen Mitarbeiter vor einer Abmahnung auch ermahnen – er muss es aber nicht.

(LAG Köln, Urteil v. 20.09.2016, Az.: 12 Sa 381/16)

(VOI)

Foto(s): ©Fotolia.com

Artikel teilen: