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Notiz auf Bewerbungsunterlagen – Indiz für mögliche Diskriminierung

  • 4 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

[image]Mit einer Absage erhalten Bewerber meist ihre Unterlagen zurück. Die sollte man ruhig einmal näher betrachten. Denn vom Stellenanbieter gemachte Notizen können eine Diskriminierung bedeuten. Und für die gibt es oft eine Entschädigung.

Benachteiligungen nicht nur bei Bewerbungen verboten

Grundlage einer solchen Entschädigungszahlung ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Das Gesetz will Ungleichbehandlungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität verhindern oder beseitigen.

Dazu nennt § 3 AGG eine ganze Reihe von Situationen, in denen eine Ungleichbehandlung verboten ist. Ausgeschlossen sind unter anderem Benachteiligungen bei Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, sozialen Vergünstigungen und bei der Bildung. Von erheblicher Praxisrelevanz sind insbesondere Diskriminierungen beim Mieten einer Wohnung. Häufigster Anwendungsfall dürften aber Bewerbungen auf ein Stellenangebot sein. Diskriminierungen können dabei bereits aus der Formulierung einer Stellenanzeige folgen, weil diese etwa nur junge Leute anspricht. Besonders aufpassen heißt es aber auch bei späteren Absagen, wie folgender Fall zeigt.

Bei „Verheiratet, ein Kind" Alter des Kindes vermerkt

Die Klägerin hatte sich auf eine Stelle als Buchhalterin beworben. Keine drei Wochen später erhielt sie jedoch zusammen mit einer Absage ihre Bewerbungsunterlagen zurück. Verwundert stellte die Frau fest, dass in ihrem Lebenslauf bei der Angabe „Verheiratet, ein Kind" jemand handschriftlich „7 Jahre alt!" vermerkt hatte. Derjenige musste dabei das Kindesalter aus den Angaben im Lebenslauf selbst ermittelt haben. Zudem waren die Worte „ein Kind, 7 Jahre alt!" unterstrichen.

Alles Anzeichen, die darauf hindeuteten, dass der Arbeitgeber von einer notwendigen Betreuung des Kindes ausging. Die abgelehnte Bewerberin vermutete daher, dass ihre daraus abgeleitete mangelnde Flexibilität der wesentliche Grund für das Nein des Arbeitgebers war. Sie verlangte eine Entschädigung, weil der Arbeitgeber sie mittelbar wegen ihres Geschlechts benachteiligt habe. Schließlich betreuten immer noch überwiegend Mütter ihre Kinder und nicht deren Väter. Da der Arbeitgeber sich weigerte, klagte die Frau zunächst 3000 Euro Entschädigung ein, die sie anschließend auf 6081 Euro erweiterte.

Indizien für Benachteiligung muss Arbeitgeber entkräften

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm sah in dem Vermerk eine ausreichende mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts. Mittelbar daher, weil „ein Kind, 7 Jahre alt!" sich nicht direkt auf das Geschlecht, aber indirekt über den möglichen Betreuungsaufwand auf Unterschiede zwischen Männern und Frauen bezieht. Denn Kindesbetreuung ist laut aktueller Statistiken weiterhin Frauensache. So ist die Erwerbstätigenquote bei Müttern erst im Alter zwischen 40 und 50 Jahren am höchsten. Insgesamt betrachtet beträgt die Erwerbsquote bei Müttern 60 Prozent, bei Vätern hingegen 84 Prozent. Und nicht zuletzt arbeiten von den erwerbstätigen Müttern 70 Prozent in Teilzeit, von den Vätern hingegen nur knapp 6 Prozent. Die Betreuungssituation gehöre daher zur allgemeinen Lebenserfahrung. Der Vermerk auf den Bewerbungsunterlagen zeige, dass der Arbeitgeber sich dessen vermutlich bewusst war. Nach § 22 AGG reichen solche Indizien dabei aus, um eine Diskriminierung und aus ihr folgende Ansprüche zu begründen.

Will ein beklagter Arbeitgeber diesen entgehen, muss er die Indizien entkräften. Hier versuchte der Arbeitgeber es damit, dass er im konkreten Fall eine jungverheiratete Frau eingestellt habe, bei der er jederzeit mit einer Schwangerschaft rechnen müsse. Ausfälle wegen einer Betreuung seien daher nicht der Grund für eine Ablehnung gewesen, so der Stellenanbieter. Nicht zuletzt sei diese Frau besser qualifiziert gewesen.

Auswahlverfahren muss bereits benachteiligungsfrei sein

Derartige Aussagen reichen jedoch nicht weit genug. Denn das AGG verlangt nicht nur den Nachweis, dass die Auswahl benachteiligungsfrei war. Das Gesetz verlangt vielmehr, dass auch das Auswahlverfahren benachteiligungsfrei war. Das heißt, der beklagte Arbeitgeber hätte hier beweisen müssen, dass die Familiensituation der Frau überhaupt keine Rolle bei der Ablehnung gespielt hatte. Das hätte eine andere, diskriminierungsfreie Begründung für den Vermerk „ein Kind, 7 Jahre alt!" erfordert. Den konnte der beklagte Arbeitgeber allerdings nicht erbringen. Abgesehen davon erachtete das LAG Hamm die Situation einer Frau, die bereits Mutter ist, als nicht vergleichbar mit der einer Frau, bei der die bloße Möglichkeit einer Mutterschaft bestand.

Der Fall zeigt einerseits, wie riskant Notizen in Bewerbungsunterlagen für Arbeitgeber sein können. Abgelehnte Bewerber sollten sich andererseits ihre Bewerbungsunterlagen nochmals durchsehen. Wer daraufhin Anzeichen für eine Diskriminierung erkennt, der sollte seine Ansprüche allerdings rechtzeitig geltend machen. Denn Ansprüche auf Entschädigung wie auf Schadensersatz sind spätestens zwei Monate nach dem Zugang der Ablehnung gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend zu machen. Eine spätere Klage muss zudem innerhalb von drei Monaten nach dieser Geltendmachung beim Arbeitsgericht erhoben werden.

Die Drei-Monats-Frist ist dabei auch entscheidend für spätere Erweiterungen der Klage. So erhielt die Frau hier nur die ursprünglich verlangten 3000 Euro Entschädigung, weil sie erst nach Ablauf der drei Monate die hier maximal mögliche Entschädigung von drei Monatsgehältern in Höhe von 6087 Euro verlangt hatte.

(LAG Hamm, Urteil v. 06.06.2013, Az.: 11 Sa 335/13, nicht rechtskräftig)

(GUE)

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