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Pflichtteilsverzicht – es kommt auf das Verhältnis zum Zahlenden an

  • 3 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion
  • Bundesfinanzhof (BFH) ändert seine bisherige Rechtsprechung.
  • Erbschaftsteuer richtet sich nach der zwischen den Erben bestehenden Steuerklasse.
  • Erwerbe zu Lebzeiten des Erblassers werden nicht berücksichtigt.

Eine Mutter schenkte im Jahr 2002 einem ihrer Söhne eine beträchtliche Summe. Im Jahr 2006 vereinbarte dieser mit seinen drei Brüdern einen Pflichtteilsverzicht bezüglich des zukünftigen Erbes der Mutter gegen Zahlung einer Abfindung i. H. v. jeweils 150.000 Euro. Nachdem es bezüglich der Höhe der zu zahlenden Schenkungsteuer zu Streitigkeiten kam, entschied der BFH im Jahr 2013 (BFH, Urteil v. 16.05.2013, Az.: II R 21/11), dass die Zahlung der Abfindungen an den Verzichtenden nicht als Schenkung der Mutter, sondern als drei freiwillige Zuwendungen der Brüder an diesen getrennt zu besteuern sind.

Klage gegen neuen Steuerbescheid

Daraufhin erließ das zuständige Finanzamt (FA) einen neuen Steuerbescheid nach Maßgabe des Urteils des BFH und forderte vom späteren Kläger die Zahlung von 28.405 Euro Schenkungsteuer.
Nachdem der Mann gegen diesen Bescheid erfolglos Einspruch eingelegt hatte, klagte er schließlich vor dem zuständigen Finanzgericht (FG) und erreichte, dass die Schenkungsteuer auf 10.810 Euro herabgesetzt wurde, weil die Richter die Vorschenkungen der Mutter den Abfindungen nicht hinzurechneten. Außerdem setzten sie den für die „übrigen Personen der Steuerklasse I“ vorgesehenen Freibetrag in Höhe von seinerzeit 51.200 Euro gem. § 16 Abs. 1 Nr. 4 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) an.

BFH widerspricht und ändert Rechtsprechung

Mit dieser Entscheidung war wiederum das FA nicht einverstanden und legte Revision zum BFH ein.

Vorschenkungen werden ausgeklammert

Die Richter am BFH stellten zunächst fest, dass das FG die Vorschenkungen der Mutter bei der Berechnung der Steuer zu Recht nicht berücksichtigt hat, denn diese stammten gerade nicht von den Schenkern.

Abfindung für Pflichtteilsverzicht: Zuwendung durch Geschwister

Bei der Zahlung der Abfindung für den Pflichtteilsverzicht durch die Brüder handelt es sich allerdings um eine Zuwendung unter Geschwistern und nicht um eine Zuwendung an ein Kind. Somit musste für die Ausgleichszahlungen der Brüder an den Kläger nach § 15 Abs. 1 ErbStG die Steuerklasse II für Geschwister angewendet werden, und zwar sowohl im Hinblick auf den damals geltenden Freibetrag i. H. v. 10.300 Euro gem. § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG als auch den damals anwendbaren Steuersatz von 17 % i. S. d. § 19 Abs. 1 ErbStG.
Das bedeutet im vorliegenden Fall, dass der Kläger laut BFH 23.647 Euro Schenkungsteuer zahlen muss.

Rechtsprechung geändert

Bisher war der BFH der Ansicht, dass bei der Besteuerung von Abfindungen im Rahmen eines Pflichtteilverzichts nicht das Verhältnis des Verzichtenden zum Zahlenden, sondern das Verhältnis zum künftigen Erblasser maßgebend ist. Damit sollte eine Abfindungszahlung für einen Pflichtteilsverzicht insofern gleich behandelt werden, egal ob diese vor oder nach dem Eintritt des Erbfalls gezahlt wurde.

Der BFH hat aber inzwischen erkannt, dass es zu Problemen kommt, wenn der Pflichtteilsverzicht mehreren Personen gegenüber erklärt wird oder es Vorschenkungen des zukünftigen Erblassers an den Verzichtenden gibt.

Aus diesem Grund hat der BFH seine Rechtsprechung geändert und es ist zukünftig danach zu unterscheiden, ob der Pflichtteilsverzicht bereits zu Lebzeiten oder erst nach dem Tod des Erblassers vereinbart wird:

  • Wird der Pflichtteilsverzicht bereits vor dem Tod des Erblassers vereinbart, so unterliegt der Verzicht den erbschaftsteuerrechtlichen Vorschriften, die im Verhältnis des Verzichtenden zu den Zahlenden gelten, hier also der Steuerklasse II für Geschwister. Dies führt zu einer höheren Steuerbelastung.
  • Wird der Pflichtteilsverzicht erst nach dem Tod des Erblassers vereinbart, so sind die erbschaftsteuerrechtlichen Vorschriften anwendbar, die für das Verhältnis des Verzichtenden zum Erblasser maßgebend sind – im vorliegenden Fall also die Steuerklasse I für Kinder mit einem hohen Freibetrag und einem geringeren Steuersatz.

(BFH, Urteil v. 10.05.2017, Az.: II R 25/15)

(WEI)

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