Rassistische Stellenanzeige im Amtsblatt Sebnitz: Ein klarer Verstoß gegen das AGG
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Eine öffentlich erschienene Stellenanzeige aus dem sächsischen Sebnitz hat deutschlandweit für Empörung gesorgt. Im Amtsblatt der Stadt veröffentlichte ein Dachdeckermeister eine Anzeige mit den Worten:
„Ausbildungsplatz ab 2026 – ABER: keine Hakennasen, Bimbos, Zeppelträger!“
Die Begriffe sind unmissverständlich rassistisch und antisemitisch: „Hakennasen“ richtet sich gegen Jüdinnen und Juden, „Bimbos“ ist ein rassistischer Ausdruck gegenüber Schwarzen Menschen. Der Begriff „Zeppelträger“ ist diffus, soll laut Spekulationen im Netz entweder alternative Subkulturen oder Muslime diffamieren.
Veröffentlichung im Amtsblatt: Kein Einzelfall, sondern ein Skandal mit Systemversagen
Die Anzeige erschien nicht etwa auf einem privaten Portal, sondern im offiziellen Amtsblatt „Grenzblatt“ der Stadt Sebnitz. Die Stadt betont, nur für den redaktionellen Teil verantwortlich zu sein, distanzierte sich von dem „menschenverachtenden Gedankengut“ und stellte – wie auch die Partei Die Linke – Strafanzeige gegen den Verfasser sowie den Verlag.
Der Verlag selbst sprach von einem „schwerwiegenden Fehler“, kündigte dem Kunden fristlos und prüft arbeitsrechtliche Schritte gegen interne Verantwortliche.
Juristische Bewertung: Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
§ 11 AGG – Diskriminierungsverbot in Stellenanzeigen
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verpflichtet Arbeitgeber, bei der Ausschreibung von Stellen keine Diskriminierung nach ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung zuzulassen. Die hier verwendeten Formulierungen stellen einen eindeutigen Verstoß gegen § 11 AGG dar.
Es handelt sich um eine direkte Diskriminierung nach § 3 Abs. 1 AGG – eine unzulässige Ungleichbehandlung unmittelbar aufgrund der Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen.
§ 15 AGG – Entschädigungsansprüche für Betroffene
Personen, die sich durch die diskriminierende Anzeige ausgeschlossen fühlen – etwa jüdische oder schwarze Bewerber*innen – können Entschädigungsansprüche geltend machen. Eine tatsächliche Bewerbung ist für einen Anspruch auf Entschädigung nach ständiger Rechtsprechung nicht zwingend erforderlich.
Strafrechtliche Relevanz: Volksverhetzung und Beleidigung
Zahlreiche Politiker und Organisationen haben die Anzeige als mögliche Volksverhetzung nach § 130 StGB eingeordnet. Dies ist rechtlich nachvollziehbar: Die Anzeige richtet sich gezielt gegen Gruppen aufgrund ethnischer und religiöser Merkmale und stellt deren Menschenwürde in Frage.
Zudem ist auch eine Beleidigung (§ 185 StGB) gegenüber diesen Gruppen denkbar – unabhängig davon, ob der Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt ist.
Arbeitsrechtliche Konsequenzen beim Verlag
Der Wittich-Verlag hat angekündigt, arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen verantwortliche Mitarbeitende zu prüfen. Denkbar sind hier Abmahnungen oder verhaltensbedingte Kündigungen, falls interne Kontrollmechanismen versagt haben.
Zugleich wurde eine Überarbeitung der Prüfprozesse angekündigt, um sicherzustellen, dass diskriminierende Inhalte künftig nicht mehr erscheinen.
Verantwortung der Stadt Sebnitz
Die Stadtverwaltung versuchte sich zunächst damit zu rechtfertigen, den Anzeigenteil nicht zu prüfen. Das ist juristisch wie politisch problematisch: Der Bürger nimmt das Amtsblatt als einheitliche offizielle Publikation wahr. Die Stadt kann sich nicht vollständig ihrer presserechtlichen und politischen Verantwortung entziehen.
Fazit: Diskriminierung in Stellenanzeigen ist kein Kavaliersdelikt
Dieser Fall zeigt auf dramatische Weise, wie tief verwurzelte Vorurteile selbst im Kontext öffentlicher Kommunikation auftreten können. Diskriminierende Stellenanzeigen verletzen nicht nur geltendes Recht, sie untergraben auch das Vertrauen in Rechtsstaat und Gleichbehandlung.
Arbeitgeber müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein: Wer diskriminiert, handelt nicht nur unethisch – sondern rechtswidrig.
FAQ: Häufige Fragen zum Thema Diskriminierung in Stellenanzeigen
Was darf in einer Stellenanzeige nicht stehen?
Stellenanzeigen dürfen keine Merkmale enthalten, die bestimmte Gruppen aufgrund von ethnischer Herkunft, Religion, Geschlecht, sexueller Identität, Alter oder Behinderung ausschließen (§ 1 AGG).
Ist eine Diskriminierung schon die bloße Wortwahl in der Anzeige?
Ja. Bereits diskriminierende Formulierungen in der Ausschreibung selbst können zu Entschädigungsansprüchen führen – auch ohne Bewerbung oder Einstellung (§ 15 Abs. 2 AGG).
Wer haftet bei Diskriminierung in einer Anzeige?
Zunächst der Arbeitgeber bzw. Auftraggeber der Anzeige. In bestimmten Fällen kann aber auch ein Verlag oder eine öffentliche Einrichtung mitverantwortlich sein – etwa bei unzureichender Prüfung vor Veröffentlichung.
Kann ich gegen eine diskriminierende Anzeige vorgehen?
Ja. Betroffene können sich an eine Antidiskriminierungsstelle wenden oder anwaltlich beraten lassen. Es besteht die Möglichkeit, zivilrechtlich gegen den Verfasser der Anzeige vorzugehen und ggf. Strafanzeige zu stellen.
Gibt es Fristen für Entschädigungsansprüche nach dem AGG?
Ja. Der Anspruch muss innerhalb von zwei Monaten nach Kenntnis der Diskriminierung geltend gemacht werden (§ 15 Abs. 4 AGG).
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