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Streit um frische Luft im Treppenhaus

  • 3 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion

Nachbarn und Miteigentümer kann man sich nicht aussuchen und muss diese nehmen, wie sie sind – mit ihren Vorlieben und schlechten Angewohnheiten. Oftmals kommt es bei den banalsten Dingen zum Streit – beispielsweise wegen der Lüftung des Treppenhauses. Manche lüften gern und oft, anderen ist es dadurch viel zu kalt. Im vorliegenden Fall mussten sich sogar zwei Gerichte mit der Problematik der frischen Luft im Treppenhaus beschäftigen.

Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses

In einer Wohnungseigentumsanlage befinden sich insgesamt 54 Wohnungen auf acht Etagen. Im dritten Obergeschoss gibt es insgesamt sechs Wohnungen, die über einen gemeinsamen Flur, der im Gemeinschaftseigentum steht, erreicht werden kann. Hier wohnen auch die Frischluftfreunde und späteren Kläger. Getrennt durch eine sog. Rauchschutztür befindet sich ein weiterer Flur mit Treppenhaus und Fenstern. Hier kippte der Kläger häufig das Fenster und öffnete gleichzeitig die Rauchschutztür, um den Flur vor den Wohnungen mit frischer Luft zu versorgen.

Miteigentümer sind gegen Frischluft

Die anderen Eigentümer des Stockwerks waren mit der Art und Weise der Belüftung nicht einverstanden, sodass schließlich am 10.07.2015 sogar vor Gericht ein Vergleich zum Lüftungsverhalten geschlossen wurde. In diesem Vergleich war geregelt, dass der Frischluftfreund das Fenster nur noch für 20 Minuten bei persönlicher Anwesenheit und mit geschlossener Rauchschutztür kippen darf, soweit die Witterung dies zulässt. Diese Vereinbarung galt jedoch nur bis zur nächsten Eigentümerversammlung.

Beschluss auf Eigentümerversammlung

Am 17.09.2015 fand eine Eigentümerversammlung statt, in deren Rahmen mehrheitlich beschlossen wurde, dass nur noch der Hausmeister und sein Stellvertreter die alleinige Befugnis haben, die Flurfenster zu kippen, wenn die Witterung dies zulässt. In der kalten Jahreszeit sollen die Fenster aufgrund der niedrigen Temperaturen geschlossen bleiben. Durch diesen Beschluss fühlte sich der lüftende Miteigentümer von der Nutzung am Gemeinschaftseigentum gehindert und stellte zusätzlich die Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung bezüglich dieser Problematik infrage. Deshalb erhob er Klage vor dem Amtsgericht (AG) Worms – zunächst noch ohne Erfolg.

Berufung erfolgreich – Lüften erlaubt

Mit diesem Ergebnis war der Kläger nicht einverstanden und ging in Berufung vor dem Landgericht (LG) Koblenz – mit Erfolg. 

Regelung zum Gebrauch unrechtmäßig

Die Richter stellten in ihrem Urteil fest, dass Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss eine Vereinbarung zum ordnungsgemäßen Gebrauch des Eigentums gem. § 15 Abs. 1 Wohnungseigentumsgesetz (WEG) treffen können. Allerdings darf die individuelle Handlungsfreiheit durch diese Regelung nur insoweit eingeschränkt werden, wie dies zur Erreichung des Zwecks erforderlich ist. Zusätzlich darf durch den Mehrheitsbeschluss ein nach § 14 Nr. 1 WEG zulässiger Gebrauch des Gemeinschaftseigentums nicht verboten werden, es müssen stattdessen konkrete Kriterien des zulässigen Gebrauchs aufgestellt werden.

Im vorliegenden Fall wurde durch die alleinige Befugnis des Hausmeisters bzw. seines Stellvertreters, das Flurfenster zu kippen, der Mitgebrauch des Gemeinschaftseigentums vollständig ausgeschlossen. Auch besondere Umstände, die diesen Ausschluss rechtfertigen, sind nicht ersichtlich. Daher ist der Beschluss der Eigentümerversammlung nichtig.

Hausordnung kann aufgestellt werden

Die Richter gaben der Eigentümergemeinschaft zusätzlich den Hinweis, dass die Gefahr der Auskühlung der Flure im Winter durch das Aufstellen einer Hausordnung möglich ist, denn dies stellt eine ordnungsgemäße Verwaltung nach § 21 Abs. 5 Nr. 1 WEG dar. In einer solchen Hausordnung können gem. § 15 Abs. 2 WEG auch Regelungen über den Gebrauch des Gemeinschaftseigentums getroffen werden. Im vorliegenden Fall könnte darin geregelt werden, dass zum Schutz vor Kälte die Fenster im Flur geschlossen zu halten sind.

Im Ergebnis stellten die Richter fest, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung nichtig war und gaben damit dem klagenden Eigentümer recht. Dieser darf also weiterhin so lüften, wie er es bisher getan hat.

Fazit: Durch einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft darf ein zulässiger Gebrauch des Gemeinschaftseigentums nicht verboten werden.

(LG Koblenz, Urteil v. 22.08.2016, Az.: 2 S 15/16)

(WEI)

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