Tipps für Beamte bei Dienstunfähigkeit – Neues zur Rechtsprechung des BVerwG
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Kann der Beamte oder die Beamtin sich auch noch nach einer bereits erfolgten Zurruhesetzung um eine Reaktivierung des Beamtenverhältnisses bemühen und welche formalen Voraussetzungen bestehen dafür? Bedarf ein solcher Antrag der Schriftform? Ist der Dienstherr zur unverzüglichen Bewilligung und ggf. zur Schaffung eines entsprechenden Dienstpostens/Einsatzbereichs bei Wiederherstellung der Dienstfähigkeit verpflichtet? Die Antworten finden Sie in dem nachfolgenden Beitrag.
Bei längerer Dienstunfähigkeit kommt es bei Beamten nicht selten zur Versetzung in den Ruhestand. Auch in solchen Fällen kann sich früher oder später – und jedenfalls bei verbesserter gesundheitlicher Situation - ein Antrag auf erneute Berufung in das aktive Beamtenverhältnis gemäß § 29 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) anbieten. In einer aktuellen Entscheidung konkretisiert das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (BVerwG) die Rahmenbedingungen eines solchen Antrags und damit auch die im Zweifel auf Seiten des Dienstherrn bestehende Verpflichtung i. S. v. § 29 BeamtStG (BVerwG, Urteil vom 15. November 2022 – 2 C 4/21 –, juris).
Sachverhalt
Dem Kläger in dem Verfahren vor dem BVerwG ging es um Schadensersatz wegen aus seiner Sicht verspäteter erneuter Berufung in das aktive Beamtenverhältnis nach vorheriger Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit (BVerwG, a. a. O.). Er stand zum Zeitpunkt seiner Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit im Jahr 2014 als Studiendirektor (BesGr. A15 mit Amtszulage) im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit und war zuletzt als stellvertretender Schulleiter an einer Berufsschule tätig (a. a. O.).
Im Ergebnis einer vom Dienstherrn veranlassten amtsärztlichen Untersuchung wurde im Juli 2015 die volle Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Klägers festgestellt (a. a. O.). Daraufhin bat der Kläger bei seinem Dienstherrn wiederholt um Abstimmung im Hinblick etwaiger Einsatzmöglichkeiten und bekundete auch sein Interesse an einer ausgeschriebenen Stelle als Oberschulrat (a. a. O.).
Erst Anfang Januar 2016 teilte der beklagte Dienstherr mit, dass nun eine passende Einsatzschule gefunden sei und wies den Kläger darauf hin, dass die für eine neuerliche Ernennung bzw. Reaktivierung erforderlichen Beteiligungsverfahren ca. drei bis vier Wochen in Anspruch nehmen würden (a. a. O.). Erst Anfang Februar 2016 berief der Beklagte den Kläger sodann erneut in das aktive Beamtenverhältnis (a. a. O.).
Im März 2016 forderte der Kläger Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen seinen Ruhestandsbezügen und der im aktiven Dienst gewährten Besoldung für den Zeitraum zwischen amtsärztlicher Feststellung und erneuter Berufung in das aktive Beamtenverhältnis (a. a. O.). Der Beklagte lehnte den Antrag ab; Widerspruch, Klage und Berufung hiergegen sind erfolglos geblieben (a. a. O.).
Urteil des BVerwG
Das BVerwG hat auch die Revision des Klägers als unbegründet zurückgewiesen (a. a. O.). Ihm stehe kein Schadensersatz gegen seinen Dienstherrn zu (a. a. O.). Zwar habe der Dienstherr seine Pflichten gem. § 29 BeamtStG verletzt, da dem Anspruch des Klägers auf erneute Berufung in das aktive Beamtenverhältnis nicht in angemessener Frist nachgekommen wurde (a. a. O.). Der Dienstherr habe die Pflichtverletzung jedoch (noch) nicht zu vertreten, da die Rechtslage im Hinblick auf die im Rahmen eines Reaktivierungsantrags nach § 29 Abs. 1 BeamtStG anzustellenden Prüfschritte und die hierfür angemessene Bearbeitungsdauer zum Zeitpunkt der Bearbeitung des Antrags noch nicht hinreichend geklärt war (a. a. O.).
Die Klärung ist jedoch nun durch das BVerwG erfolgt. Die Eingangs gestellten Fragen beantworten sich daher wie folgt:
1. Der nach Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit grds. jederzeit mögliche Antrag eines Ruhestandsbeamten auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis nach § 29 Abs. 1 BeamtStG bedarf nicht der Schriftform (a. a. O.).
2. Der Dienstherr darf die erneute Berufung in das aktive Beamtenverhältnis nach Wiederherstellung der Dienstfähigkeit nicht solange hinauszögern, bis ein passender Dienstposten zugewiesen werden kann; zwingende dienstliche Gründe stehen dem Reaktivierungsantrag nur entgegen, wenn der Dienstherr für den Ruhestandsbeamten keinen zumutbaren Aufgabenbereich einrichten kann (a. a. O.).
3. Für die Bestimmung der angemessenen Bearbeitungsdauer eines Reaktivierungsantrags kann nicht auf die in § 75 VwGO enthaltenen Fristen zurückgegriffen werden (a. a. O.).
Rechtliche Bewertung und Tipps
Die Entscheidung des BVerwG schafft Klarheit dahingehend, dass bei Wiederherstellung der Dienstfähigkeit nach § 29 Abs. 1 BeamtStG auf Seiten des Dienstherrn grds. die Pflicht besteht, den Beamten/die Beamtin ggf. unverzüglich erneut in das aktive Dienstverhältnis zu berufen. Dem u. U. entgegenstehende zwingende dienstliche Gründe sind hiernach nur dann denkbar, wenn überhaupt kein zumutbarer Aufgabenbereich mehr geschaffen/eingerichtet werden kann. Ein (in der Praxis durchaus häufig anzutreffender) rein dienstpostenbezogener Ansatz des Dienstherrn ist daher grds. ausgeschlossen.
Insofern ist betroffenen Beamten in Abstimmung mit ihren behandelnden Ärzten zu raten, ggf. zeitnah die Möglichkeit des Antrags nach § 29 BeamtStG auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis zu nutzen, um zunächst eine amtsärztliche Untersuchung zu erreichen und nach Wiederherstellung der Dienstfähigkeit insbesondere auch die finanziellen Nachteile der Zurruhesetzung möglichst zu begrenzen.
Dass ein solcher Antrag grds. nicht der Schriftform bedarf, ist nun auch geklärt. Der Antrag ist dann ohne zeitliche Verzögerung vom Dienstherrn zu bescheiden. Für die Bearbeitung konnte der Dienstherr im Klageverfahren vor dem BVerwG maximal die von ihm selbst benannten 3-4 Wochen (zur Beteiligung der zuständigen Gremien) beanspruchen und sich nicht auf die in Verwaltungsverfahren sonst „übliche“ 3-Monats-Frist i. S. v. § 75 VwGO stützen.
Da die Pflicht zur Reaktivierung unter den Voraussetzungen der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit grds. auch ohne Antrag besteht und zumindest bei verzögerter Bearbeitung eines entsprechenden Begehrens des Beamten nach der nun vorliegenden Entscheidung des BVerwG u. U. auch beamtenrechtliche Schadensersatzansprüche auslösen kann, ist den betroffenen Beamten zu raten, ihr Begehr (wenn nicht schriftlich) zumindest so zu formulieren/stellen, dass zumindest der Zugangszeitpunkt nachgewiesen werden kann.
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