UWG-Reform 2020 - Das Ende der Abmahnung? Zum Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs - Teil 2

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Im ersten Teil der Kurzdarstellung zur UWG-Reform 2020 ging es zunächst um einen ersten Überblick der Gesetzesänderung sowie um die Abmahnbefugnis für Mitbewerber. Schauen wir nun, welche weiteren Punkte relevant sein werden.

 

4. Was ist mit den sogenannten „Abmahnvereinen“?

Auch die „Abmahnvereine“ oder seriöser formuliert „rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen“, können weiterhin abmahnen, nun geregelt in § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Voraussetzung dafür ist jedoch die Registrierung auf einer neu zu schaffenden Liste, welche beim Bundesamt für Justiz geführt und auf deren homepage einsehbar sein wird. Um in diese Liste aufgenommen zu werden, bedarf es verschiedener Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen.

Wie das genau aussehen soll, gibt der neue § 8a UWG vor. Dabei sind eine gewisse Mindestmitgliederzahl von 75 Unternehmern und ein Zeitvorlauf von 1 Jahr bis zur Eintragung vorgegeben, in welchem der Verein seiner sonstigen eigentlichen Tätigkeit nachgegangen sein muss. Zudem muss der jeweilige Verein „personell, sachlich und mit entsprechender finanzieller Ausstattung“ in der Lage sein, seine satzungsgemäßen Aufgaben zu erfüllen.  Allerdings wird es den üblichen Verdächtigen eher nicht unmöglich werden, die Vorgaben auch zu erfüllen und damit die Eintragung in der Liste erreichen. Daran bestehen vor allem auch deshalb eher wenig Zweifel, als dass die Vereine 9 Monate ab Verkündung des Gesetzes Zeit haben, die Vorgaben zu erfüllen. Bis dahin geht im Grunde alles seinen gewohnten Gang.

Das Problem bei Abmahnungen durch Abmahnvereine war jedoch bislang weniger die Gesamtanzahl von Mitgliedern, sondern eher die Struktur der Mitglieder. Entscheidend ist, ob genügend Mitglieder für ein ganz bestimmtes Wettbewerbssegment vorhanden sind, genau hieran scheiterte in Teilen die Abmahnbefugnis. Hierzu wären Vorgaben notwendig, nicht hingegen zur Gesamtmitgliederzahl, welche eher unproblematisch sein dürfte. Das ist auch künftig nach der Reform eine deutliche Schwachstelle.

 

5. Die Regelung des Rechtsmissbrauchs, was ist das genau und ist das neu?

Erfolgt eine Abmahnung aus "sachfremden Motiven" heraus, dann ist sie missbräuchlich und damit unzulässig. Neu im UWG als solches ist das nicht, denn bereits zuvor stellte § 8 Abs. 4 UWG alt klar, dass eine missbräuchliche Geltendmachung von Ansprüchen unzulässig ist. Jetzt soll aber ein Beispielkatalog eingefügt werden, nach welchem bei bestimmten Konstellationen von einem Rechtsmissbrauch auszugehen ist.

Im Einzelnen fallen darunter

  • die Abmahnung dient vorwiegend dazu Kostenansprüche, einschließlich Vertragsstrafenansprüche zu generieren,
  • es wird eine erhebliche Anzahl identischer Abmahnungen ausgesprochen, welche nicht mehr im Verhältnis zur eigenen Geschäftstätigkeit stehen oder das eigene Kostenrisiko wird ausgeschlossen,
  • der Gegenstandswert für eine Abmahnung wird unangemessen hoch ansetzt,
  • es wird eine erheblich überhöhte Vertragsstrafe vereinbart oder gefordert werden,
  • eine vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung geht erheblich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinaus.

Wirklich neu ist aber auch das nicht, denn diese Punkte gehen auf die dahingehende Rechtsprechung des BGH zurück und sind seit Jahren Bestandteil einer jeden Anspruchsprüfung im UWG. Die Gerichte waren bisher allerdings stets vorsichtig mit einer vorschnellen Annahme eines Rechtsmissbrauchs. Da es sich bei den neu eingefügten Beispielen nur um die von der Rechtsprechung aufgestellten Vermutungsbeispiele handelt, dürfte nicht davon auszugehen sein, dass sich diese Neuregelung gravierend auswirken wird.

Problematisch ist grundsätzlich, dass auch hier eine Vielzahl von Begriffen verwendet wird, welche schlicht nicht greifbar sind. Damit wird auch künftig die Frage des Rechtsmissbrauchs immer am jeweiligen Einzelfall ausgelegt werden müssen. Aus diesem Grund gilt auch hier, dass keine vorschnellen Schlüsse gezogen werden dürfen, ob eine Abmahnung missbräuchlich ist oder nicht. Eine Abmahnung ist jedenfalls nicht deshalb missbräuchlich, weil sie ausgesprochen wird oder weil mit ihr möglicherweise eine Kostenfolge verbunden ist.

 

 6. Wenn ich eine Abmahnung erhalte, muss ich dann auch weiterhin die Kosten erstatten?

Grundsätzlich ja. Allerdings ist die Erstattung der Kosten daran gebunden, dass die Abmahnung bestimmten Formerfordernissen entsprochen hat. Hier hat der Abmahner nach dem neuen §13 Abs.2 UWG eine Reihe von Vorgaben einzuhalten. Zusammenfassend muss

  • der Abmahner erkennbar sein,
  • die Abmahnung klar und verständlich sein,
  • ebenso dargelegt werden, woher der Abmahnende die Berechtigung für sein Handeln hernimmt (Abmahnberechtigung § 8 Abs. 3 UWG, siehe Teil 1)
  • die Ansprüche müssen verständlich dargelegt werden.
  • im Falle der Kostenfreiheit (siehe weiter unten) muss auf diese hingewiesen werden.

Doch vorsicht: werden diese Punkte nicht eingehalten, dann ist die Abmahnung nicht wie im Urheberrecht hinfällig, sondern es entfällt nur der Anspruch auf Kostenerstattung. Zudem besteht ein eigener Kostenanspruch gegen den Abmahner, sofern die Formerfordernisse nicht eingehalten werden. Die Regelung ist zu begrüßen, denn nur wenn die Abmahnung klar und verständlich ist, entfaltet sie ihren Sinn zur zügigen Beendigung von Wettbewerbsverstößen. 

Wie sich das in der UWG-Praxis auswirken wird, bleibt abzuwarten. Die Regelung zur Form einer Abmahnung ist zwar neu im UWG, aber seit Jahren im UrhG gängige Praxis, dort § 97a Abs.2 UrhG. Im Urheberrecht sind große Diskussionen über diesen Punkt eher selten, vor allem haben sich über die Jahre Formulierungsstandards gebildet, welche den Formerfordernissen genügen dürften. Soweit im UWG jedoch deutlich gravierendere Folgen lauern können, wird wohl genau dieses Formerfordernis einschließlich des dann vermeintlich bestehenden eigenen Erstattungsanspruchs ein pauschales Argument für die Abwehr einer Abmahnung sein. Ob das zielführend ist oder sich dadurch nicht viel größere Probleme ergeben, wird sich zeigen.

Praxistip: es kommt nicht selten vor, dass ein Markteilnehmer, der einen Verstoß bei einem Mitbewerber sieht, diesen höflich selbst anschreibt, auf das Problem hinweist und darum bittet dies zu unterlassen. Davon kann künftig eigentlich nur dringend abgeraten werden. Sobald ein solches Schreiben als „Abmahnung mit der Aufforderung zum Unterlassen“ verstanden wird und sich ein Formfehler findet, trägt der eigentlich nur höflich mitteilende Marktteilnehmer die Kosten des möglicherweise tatsächlich unredlich handelnden Mitbewerbers.

Letztlich besteht der eigene Kostenerstattungsanspruch gegen den Abmahner auch dann, wenn die Abmahnung unbegründet, sprich, das gerügte Verhalten nicht  besteht oder nicht wettbewerbswidrig ist. Auch das ist durchaus begrüßenswert, denn es legt dem Abmahner eine erhöhte Prüfpflicht auf, bevor er die Abmahnung ausspricht. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, ist aber leider oft bei sogenannten Massenabmahnungen nicht immer der Fall.

 

7. Und was ist nun mit den Abmahnungen, bei denen es um Informations- und Kennzeichnungspflichten geht?

Nach dem neuen § 13 Abs.4 UWG soll für Abmahnungen, die Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten betreffen, welche im Internet begangen worden sind, jedenfalls bei einer Abmahnung durch einen Mitbewerber die Pflicht zur Erstattung der Anwaltskosten entfallen.

Doch Vorsicht: das gilt eben nur für diese Pflichten, nur wenn diese im Internet begangen worden sind und ebenso nur wenn ein Mitbewerber abgemahnt hat. Für alle anderen Verstöße im und außerhalb des Internets und für alle Abmahnungen durch gelistete Vereine besteht nach wie vor der Anspruch auf Kostenerstattung, vorausgesetzt natürlich die weiteren Voraussetzungen sind erfüllt, siehe Punkt 6.

Die Ironie des Ganzen ist, dass die Gesetzesinitiative insbesondere auf angeblich massenhaft dubiosen Abmahnungen der Abmahnvereine zurück geht, wie der Deutschen Umwelthilfe sowie des IDO. Im Ergebnis wird aber genau diesen Vereinen auch künftig umfassend die Möglichkeit der kostenpflichtigen Abmahnung gerade auch für die meist relevanten Informations- und Belehrungspflichten unbenommen gegeben. Der möglicherweise durch den Verstoß aber tatsächlich unmittelbar und direkt betroffene Mitbewerber wird jetzt beschränkt.

 

8. Welche Informations- und Kennzeichnungspflichten fallen denn unter die Ausnahme der Kostenfreiheit?

Hier hält sich der Gesetzgeber bedeckt und nennt in der Gesetzesbegründung lediglich Beispiele. In erster Linie geht es um Pflichten, welche sich dem Katalog des § 312d BGB i.V.m. Art. 246a EGBGB entnehmen lassen. Es kommt jedenfalls nicht darauf an, dass die jeweiligen Pflichten auch tatsächlich als Informations- und Kennzeichnungspflichten im Gesetz bezeichnet werden, was es nicht wirklich einfacher macht.

So gibt es verschiedene Informationspflichten, die zwar in Art. 246a EGBGB gelistet sind, die jedoch auch an anderer Stelle im UWG ausdrücklich genannt sind, aber einen anderen Bedeutungsgehalt  und einen völlig anderen Entstehungshintergrund haben. So nennt beispielsweise § 5a Abs 3 UWG zum Punkt "Verschweigen wesentlicher Informationen" die Identität des Anbieters, Gesamtpreisangaben, Zahlungs- Liefer- und Leistungsbedingungen, Beschwerdemöglichkeiten sowie das Widerrufsrecht. Diese Angaben als wesentliche Angebotsbestandteile gehen auf eine vollkommen andere EU-Richtlinie zurück und stehen im Grunde neben den Wertungen des Art. 246a EGBGB. Damit würde sich die Frage stellen, wie sich das Werteverhältnis der jeweiligen Anspruchsnormen des UWG künftig darstellt und ob zumindest diese Punkte auch abseits der sonstigen Informations- und Kennzeichnungspflichten kostenpflichtig durch Mitbewerber abgemahnt werden dürfen. Dass das nicht ganz abwegig ist, zeigt die Gesetzesbegrüdnung zur Frage der Vertragsstrafen bei einem Verstoß gegen Informationspflichten, siehe dazu weiter unten. Dort verweist der Gesetzgeber ausdrücklich auf §5a Abs.4 UWG, nicht aber auf §5a Abs. 3 UWG.

Eine andere eher unklare Frage wäre, wie es sich auswirkt, wenn ein Marktteilnehmer zwar informiert und kennzeichnet, dies jedoch bewusst falsch und damit unwahr macht.

Beispiel: über das Widerrufsrecht ist zu belehren. Belehre ich zwar, halte jedoch fälschlicherweise eine veraltete Belehrung bereit, dann wäre ein eher zu vernachlässigender Verstoß und damit die Kostenfreiheit gegeben. Ähnlich könnte es sein, wenn ich ohne nähere Darlegung nur pauschal auf ein bestehendes Widerrufsrecht verweise. Soweit, so gut. Anders erschient es jedoch, wenn ich gar nicht oder aber bewusst falsch belehre oder gar den Widerruf ausschließe. Dann belehre ich nicht nur falsch, sondern halte ein wesentliches Recht zurück. Dann bin ich nicht mehr im Bereich der Information und Kennzeichnung, sondern im Bereich der Irreführung von Verbrauchern durch unwahre Angaben, was ein gesonderter Tatbestand im UWG ist. Ob die Rechtsprechung auch für solche Fälle pauschal die "Kostenfreiheit für reine Informationspflichten" annehmen wird oder aber, ob es dann auf das Werteverhältnis zu §§ 5, 5a UWG ankommt, wird sich erst zeigen müssen.

Ausnahme zur Kostenfreiheit: Wie der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, fallen im Weiteren gesetzliche Informationspflichten, welche Warnhinweise sind, nicht darunter. Ebenso nicht von der Kostenerstattung ausgenommen ist die grundsätzliche Kennzeichnung des jeweiligen Angebots als gewerblich. Wer also im gewerblichen Rechtsverkehr Waren unter dem objektiven Vorwand anbietet, er sei kein gewerblicher Marktteilnehmer, riskiert auch künftig eine kostenpflichtige Abmahnung sowohl durch Abmahnvereine als auch durch Mitbewerber.

 

Zwischenfazit: Auch hier gilt, dass die Grundidee der dargestellten Regelungen sicher begrüßenswert ist. Allerdings zeigen sich schon jetzt unklare Vorgaben, die vermutlich nicht für verbindliche Rechtsklarheit sorgen werden. Dass das „Problem“ der kostenpflichtigen Abmahnung durch Vereine unverändert besteht, obwohl genau dies doch das Ausgangsproblem war, lässt ebenso Fragen an den Gesetzgeber offen.

 

Im abschließenden dritten Teil soll es um die künftigen Unterlassungserklärungen, den fliegenden Gerichtsstand und den Umgang mit bereits ausgesprochenen Abmahnungen gehen.



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