Versuch einer Straftat | Wann mache ich mich strafbar, obwohl mir die Tat nicht gelingt?
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Ein Strafverfahren und eine Strafe drohen nicht nur dann, wenn man eine Straftat, z.B. Diebstahl, Raub, Brandstiftung, tatsächlich begeht, sondern unter Umständen bereits dann, wenn man „nur“ versucht, die Straftat zu begehen.
Eine Straftat ist immer dann versucht, wenn sie nicht vollendet ist. Die Vollendung einer Tat kann aus verschiedenen Gründen scheitern. Regelmäßig wird die Vollendung daran gehindert, dass der mit der Tat erstrebte Erfolg (beispielsweise der Tod einer Person) nicht eingetreten ist.
Erfolg ist in diesem Zusammenhang für juristische Laien ein missverständlicher Begriff, beschreibt aber das durch die Straftat erzielte „Ergebnis“, also in der Regel eine Verletzung (z.B. eine Körperverletzung) oder einen Schaden, den eine Person herbeigeführt hat.
Werde ich wegen einer nur versuchten Straftat bestraft?
Auch wenn eine Tat nicht vollendet ist, kann sie strafbar sein. In § 23 Abs. 1 StGB ist geregelt, dass der Versuch eines Verbrechens im strafrechtlichen Sinne stets strafbar und der Versuch eines Vergehens dann strafbar ist, wenn das Gesetz das ausdrücklich bestimmt. Das bedeutet, dass der Versuch jedes Verbrechens, nicht aber der Versuch jedes Vergehens strafbar ist.
Ein Verbrechen ist gemäß § 12 Abs. 1 StGB eine rechtswidrige Tat, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht ist. Verbrechen sind zum Beispiel Mord (§ 211 StGB), Raub (§ 249 Abs. 1 StGB) und Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 StGB).
Ein Vergehen ist gemäß § 12 Abs. 2 StGB eine rechtswidrige Tat, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht ist. Vergehen sind beispielsweise die einfache Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB), Beleidigung (§ 185 StGB) und Hausfriedensbruch (§ 123 Abs. 1 StGB).
Also kann man auch wegen einer nur versuchten Tat bestraft werden. Der Versuch einer Tat kann allerdings milder bestraft werden als die vollendete Tat, § 23 Abs. 2 StGB. Die Milderungsmöglichkeit trägt dem Umstand Rechnung, dass bei einer nur versuchten Tat das Unrecht der Tat regelmäßig geringer ist als bei einer vollendeten Tat.
Mache ich mich wegen Versuch einer Straftat auch dann strafbar, wenn ich es mir noch anders überlege?
Der Rücktritt vom Versuch ist in § 24 StGB geregelt. Der Rücktritt vom Versuch einer Straftat führt dazu, dass man auch wegen des Versuchs der Tat nicht bestraft werden kann. Das heißt, sobald die Voraussetzungen des Rücktritts vorliegen, scheidet die Strafbarkeit wegen der versuchten Tat aus.
Die Straflosigkeit des Rücktritts wird mit der Theorie der „goldenen Brücke“ begründet. Diese besagt, dass einer Person eine goldene Brücke in die Legalität gebaut werden muss, der beschließt von der weiteren Tatausführung abzusehen bzw. die Tatvollendung aufzugeben. Diese Person soll privilegiert werden, damit er einen ausreichenden Anreiz hat, um die Tat nicht zur Vollendung zu bringen.
Der Rücktritt vom Versuch dient somit auch dem Schutz des Opfers.
Zudem entfällt in diesen Konstellationen das Strafbedürfnis, denn der Wille der Person zur Tatbegehung und die daraus resultierende Gefährlichkeit der Person erweisen sich durch die freiwillige Nichtvollendung im Nachhinein als wesentlich geringer als zunächst angenommen worden ist.
Wann wird man wegen Aufgabe der Begehung der Straftat straflos?
Die Voraussetzungen des Rücktritts, wenn man alleine eine Straftat begeht, sind in § 24 Abs. 1 StGB geregelt.
Nur Strafbefreiender Rücktritt vom Versuch einer Straftat, wenn Begehung noch möglich
Zunächst darf der Versuch nicht fehlgeschlagen sein. Ein Fehlschlag liegt vor, wenn der Beschuldigte aus seiner Sicht die Tat nicht mehr mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln ohne zeitlich relevante Zäsur beenden kann. Das bedeutet, dass der Rücktritt nur in den Fällen möglich ist, bei denen der Beschuldigte davon ausgeht, dass er das Delikt noch vollenden kann. Geht er hingegen davon aus, dass er die Tat sowieso nicht mehr vollenden kann und sieht daher von einer weiteren Verwirklichung ab, bleibt für die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts kein Raum.
Beispiel: der Beschuldigte sieht in einem Restaurant eine Brieftasche unbeaufsichtigt liegen und nimmt sie sich, um daraus Geld zu entwenden. Nachdem er die Brieftasche geöffnet hat, stellt er fest, dass sich in dieser kein Geld befindet. Der Diebstahl ist nur versucht (es wurde ja nichts weggenommen). In diesem Fall kann der Beschuldigte nicht mehr von dem Versuch zurücktreten, da der Erfolg nicht hätte eintreten können und der Beschuldigte dies auch erkannt hat.
Was muss man tun, um strafbefreiend vom Versuch einer Straftat zurückzutreten?
Ist der Versuch nicht fehlgeschlagen, muss eine taugliche Rücktrittshandlung vorliegen. Rücktrittshandlungen sind entweder die freiwillige Aufgabe der weiteren Tatausführung, die Verhinderung der Vollendung der Tat oder das ernsthaft bemühte Verhindern der Vollendung, § 24 Abs. 1 StGB. Welche der Rücktrittshandlungen erforderlich ist, richtet sich danach, ob ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorliegt.
Ein unbeendeter Versuch liegt vor, wenn der Beschuldigte nach seiner Vorstellung von der Tat davon ausgeht, noch nicht alles getan zu haben, was zur Vollendung der Tat erforderlich ist.
Beispiel: der Beschuldigte beschließt eine Bankfiliale zu überfallen. Er betritt die Filiale mit einer Waffe, die er mitgenommen hat, um die Mitarbeiter zur Herausgabe von Geld zu bewegen. Als er den anwesenden Mitarbeiter mit der Waffe bedroht, um die Herausgabe des Geldes zu erzwingen, bekommt er plötzlich ein schlechtes Gewissen und verlässt die Filiale. Aus der Sicht des Beschuldigten, hat er noch nicht alles getan, damit der Erfolg (die Geldübergabe) eintritt und ein weiteres Handeln könnte nach Einschätzung des Beschuldigten noch zum Erfolg führen.
Liegt ein unbeendeter Versuch vor, kann der Beschuldigte durch die freiwillige Aufgabe der Tat zurücktreten. Dies bedeutet, dass der Beschuldigte lediglich von weiteren Maßnahmen zur Tatbestandverwirklichung absehen muss.
Der Versuch ist beendet, wenn der Beschuldigte nach seiner Vorstellung von der Tat glaubt, alles Notwendige zur Herbeiführung des tatbestandlichen Erfolges getan zu haben.
Beispiel: der Beschuldigte will sein Opfer töten und sticht deshalb mehrfach auf es ein. Die Stichverletzungen sind lebensgefährlich. Nachdem der Beschuldigte auf sein Opfer eingestochen hat und erkennt, dass die Verletzungen ohne ärztliche Behandlung zum Tod führen werden, bringt er sein verletztes Opfer ins Krankenhaus, wo dieses gerettet werden kann. Hier glaubt der Beschuldigte, dass er bereits alles getan hat, damit der Erfolg (der Tod des Opfers) ohne weiteres Zutun eintreten kann, sodass ein beendeter Versuch vorliegt.
Liegt ein beendeter Versuch vor, kann der Beschuldigte nur noch zurücktreten, wenn er freiwillig die Vollendung verhindert. Da der Beschuldigte in dem Beispielsfall sein Opfer ins Krankenhaus gebracht hat, hat er so die Vollendung der Tat verhindert. Die Nichtvollendung muss auch auf das Verhalten des Beschuldigten zurückzuführen sein.
Wenn die Tat ohne ein Handeln des Beschuldigten unvollendet bleibt, kann der Beschuldigte durch ein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen der Vollendungsverhinderung zurücktreten (Rücktritt vom vermeintlich vollendbaren Versuch). Der Versuch kann entweder unvollendet bleiben, weil die Handlung des Beschuldigten von Anfang an bereits untauglich war (Vergiftung mit Zucker) oder der Erfolg unabhängig von Maßnahmen des Beschuldigten durch einen Dritten verhindert wird (Rettungswagen fährt zufällig vorbei und sieht das Opfer). Der Beschuldigte muss sich für den Rücktritt um die Erfolgsverhinderung bemüht haben, indem er die erkannten Rettungsmöglichkeiten tatsächlich ausschöpft.
Nur ein freiwilliger Rücktritt von der Begehung einer Straftat kann die Strafe beseitigen
Zuletzt muss der Beschuldigte freiwillig von dem Versuch zurücktreten. Entscheidend ist, ob der Beschuldigte in freier Selbstbestimmung die Tat aufgegeben hat und nicht fremdbestimmt die Rücktrittshandlung vorgenommen hat. Als freiwillige Motive kommen Mitleid mit dem Opfer, Angst vor Strafe oder ein schlechtes Gewissen in Betracht. An der Freiwilligkeit fehlt es, wenn der Beschuldigte aufgrund sich nähender Polizeibeamten die Gefahr der sofortigen Entdeckung fürchtet und allein deshalb von der Tatvollendung absieht.
Kann man auch von dem Versuch einer Straftat strafbefreiend zurücktreten, die von mehreren begangen wird?
Es gibt auch die Möglichkeit des Rücktritts von einer versuchten Tat, an der mehrere beteiligt sind, vgl. § 24 Abs. 2 StGB.
Da der Rücktritt ein persönlicher Strafaufhebungsgrund ist, der für jeden Tatbeteiligten persönlich vorliegen muss, müssen bei jedem einzelnen die Voraussetzungen des Rücktritts begründet sein. Rücktrittshandlung ist entweder die Vollendungsverhinderung oder das ernsthafte Bemühen, die Vollendung zu verhindern, wenn die Tat nicht ohne das Zutun des Zurücktretenden vollendet werden kann oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird. Im Übrigen müssen dieselben Voraussetzungen erfüllt sein, als würde die Tat alleine begangen worden.
Sollten Sie eine Vorladung, einen Strafbefehl oder eine Anklage erhalten haben mit dem Vorwurf, eine Straftat versucht zu haben, machen Sie am besten zunächst von Ihrem Schweigerecht als Beschuldigter Gebrauch und wenden sich dann so bald wie möglich an einen erfahrenen und spezialisierten Fachanwalt für Strafrecht.
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