Verwaltungsgericht hält Verkürzung des Genesenenstatus auf 90 Tage für verfassungswidrig

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In einem Aufsehen erregenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Osnabrück den Landkreis Osnabrück verpflichtet, dem Antragsteller einen 6 Monate umfassenden Genesenennachweis auszustellen  (Beschluss vom 04.02.2022, Az. 3 B 4/22).

Argumente des Verwaltungsgerichts

Das Verwaltungsgericht hält die Verkürzung des Genesenstatus auf 90 Tage durch den Verweis in der am 14. Januar 2022 geänderten Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahme­verordnung auf die Internetseite des Robert-Koch-Instituts (RKI) für verfassungswidrig und damit nichtig. Rechtsfolge in dem konkreten Verfahren ist, dass die Verordnung in der (früheren) Fassung vom 8. Mai 2021 anzuwenden ist, die den Genesenennachweis für den Zeitraum 28 Tage nach (positiver) PCR-Testung bis 6 Monate bestimmt (§ 2 Nr. 5 SchAusnahmV).

1.Dynamischer Verweis auf Homepage des RKI unzulässig

Zur Begründung führte die Kammer aus, dass der Genesenenstatus und damit seine Dauer eine hohe Bedeutung für die Freiheit und Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger hat. Es verstößt gegen Verfassungsrecht, dass der Verordnungsgeber die Dauer des Genesenenstatus mittelbar durch einen (dynamischen) Verweis auf die vom RKI im Internet veröffentlichen Vorgaben auf – aktuell – 90 Tage nach festgestellter Infektion beschränkt. Für diese Weiterdelegation auf das RKI fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Der Verweis auf eine Internetseite des RKI ist zudem intransparent und zu unbestimmt.

2.  Verkürzung des Genesenenstatus nicht wissenschaftlich fundiert

Auch in der Sache fehlt der Verkürzung des Genesenenstatus an einer wissenschaftlich fundierten Grundlage. Das RKI hat nicht hinreichend wissenschaftlich aufgearbeitet, ob belegt ist, dass nach 90 Tagen der Schutz Genesener vor einer Infektion endet.

Praktische Konsequenzen allerdings auf das konkrete Verfahren beschränkt

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück hat unmittelbar nur Folgen für den Antragsteller, der nun Anspruch auf den Genesenennachweis über die Dauer von 6 Monaten hat. Andere Genesene, die ihren verkürzten Nachweis nicht akzeptieren, müssen sich deshalb grundsätzlich in jedem Einzelfall an das jeweils zuständige Verwaltungsgericht wenden, sofern die Verordnung nicht geändert wird. 

Grund dafür: Das Verwaltungsgericht hat – anders als das Oberverwaltungsgericht – keine sog. Normverwerfungskompetenz. Das Verwaltungsgericht kann also eine untergesetzliche Rechtsvorschrift nich allgemeingültig (vorläufig) außer Kraft setzen.

Folgen der Entscheidung

Mit Spannung wird abzuwarten sein, ob sich andere Verwaltungsgerichte dieser Aufassung anschließen bzw. ob der Verordnungsgeber von sich aus auf die Entscheidung reagiert. Mit weiteren Entscheidungen der Verwaltungsgerichte wird in jedem Fall zu rechnen sein.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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