Die Landesverfassungsbeschwerde in Baden-Württemberg im Überblick

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Wenn man gegen eine letztinstanzliche Gerichtsentscheidung im Wege der Verfassungsbeschwerde vorzugehen möchte, denken viele zunächst an das Bundesverfassungsgericht. Eine vergleichbare Möglichkeit gibt es aber auch auf Ebene der einzelnen Bundesländer. Die Landesverfassungsbeschwerde ist dabei nicht als „kleine Schwester“ zu betrachten, vielmehr handelt es sich um ein eigenständiges Rechtsinstrument beim Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg (VerfGH BW).


Kann ich zeitgleich Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht und Landesverfassungsbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof BW erheben?

Die Landesverfassungsbeschwerde kann nach § 55 Abs. 1 Verfassungsgerichtshofgesetz (VerfGHG) nur erhoben werden, wenn nicht Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erhoben ist oder wird.


Was kann angegriffen werden?

Festgestellt werden kann mit der Landesverfassungsbeschwerde gemäß § 55 Abs. 1 VerfGHG nur die Verfassungswidrigkeit eines Aktes der öffentlichen Gewalt des Landes Baden-Württemberg (Verwaltung, Gesetzgebung, Urteil).


Dauer und Erfolgsaussichten einer Landesverfassungsbeschwerde

Wie die Verfassungsbeschwerde steht auch die erfolgreiche Landesverfassungsbeschwerde vor hohe Hürden: Zwar kann nach § 55 Abs. 1 VerfGHG „jeder“ Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof erheben – und dies auch nach § 60 Abs. 1 S. 1 VerfGHG grundsätzlich kostenfrei und ohne sich durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen.  Allerdings gibt es bei der Landesverfassungsbeschwerde ein dem Bundesverfassungsgericht nachempfundenes vorgelagertes Verfahren. Nach § 17 Abs. 2 S. 1 VerfGHG können unzulässige oder offensichtlich unbegründete Anträge durch einstimmigen Beschluss einer von dem Verfassungsgerichtshof für die Dauer eines Geschäftsjahres bestellten Kammer, die aus drei Richtern besteht, zurückgewiesen werden. Aufgrund der Lehren des Bundesverfassungsgerichts (hohe Auslastung, lange Verfahrensdauer) bestehen die gleichen Hürden für die Zulässigkeit einer Landesverfassungsbeschwerde. (→ siehe „Die hohen Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Verfassungsbeschwerde“):


  • Bei der Landesverfassungsbeschwerde gegen Gerichtsentscheidungen können nur eigene Rechte in eigenem Namen geltend gemacht werden.
  • Es muss eine vollständige Rechtsmittelausschöpfung erfolgen, es gilt der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde. Praktisch bedeutet dies, dass der Beschwerdeführer alles ihm Mögliche getan haben muss, dass die Grundrechtsverletzung bereits im gerichtlichen Instanzenzug beseitigt wird. Vor Erhebung der Verfassungsbeschwerde müssen daher insbesondere alle verfügbaren Rechtsbehelfe (z.B. Berufung, Revision, Beschwerde, Nichtzulassungsbeschwerde usw.) ausgeschöpft worden sein (vgl. § 55 Abs. 2 S. 1 VerfGHG)
  • Der Prüfungsumfang ist auf das Landesverfassungsrecht begrenzt: Der Verfassungsgerichtshof wird nicht als „Superrevisionsinstanz“ tätig, das gerichtliche Entscheidungen unter allen denkbaren Gesichtspunkten auf seine Richtigkeit prüft. Daher prüft es nicht, anders als die ordentliche bzw. Fachgerichtsbarkeit, die Auslegung und Anwendung einfachen Rechts


Bestehen einer Mutwillensgebühr

Das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist nach § 60 Abs. 1 VerfGHG kostenfrei. Im Falle mutwilliger Rechtsverfolgung können dem Antragsteller die Kosten auferlegt werden. Im Vergleich zur Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht besteht jedoch eine Besonderheit, die im rechtspolitischen Diskurs „Mutwillensgebühr“ genannt wurde: Nach § 58 Abs. 3 VerfGHG, kann der Verfassungsgerichtshof dem Beschwerdeführer mit der Entscheidung über die Hauptsache eine Gebühr bis zu 2000 Euro auferlegen, wenn eine Verfassungsbeschwerde unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist. Dabei kann das weitere Verfahren auch von einer entsprechenden Vorschussleistung abhängig gemacht werden, da ansonsten das Verfahren als zurückgenommen gilt. Dies sollte  vor Erhebung der Landesverfassungsbeschwerde berücksichtigt werden.


Form, Frist und Begründung

In der Praxis sind dabei nachfolgende Punkte besonders zu berücksichtigen, denn diese führen häufig zur Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde:

Form

Die Verfassungsbeschwerde ist schriftlich (§ 15 Abs. 1 VerfGHG) einzureichen.

Frist

Nach § 56 Abs. 2 VerfGHG ist die Verfassungsbeschwerde binnen eines Monats zu erheben und zu begründen. Die Begründung kann nicht nach Fristablauf nachgereicht werden. Eine Verlängerung der Frist durch das Gericht ist ebenfalls ausgeschlossen. Die Frist beginnt grundsätzlich mit der Zustellung oder formlosen Mitteilung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung.

Begründung

Die Begründung ist die Grundlage der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Landesverfassungsbeschwerde. Diese muss daher fristgerecht, ausführlich und präzise erfolgen. Aus der Begründung der Landesverfassungsbeschwerde selbst muss für das Gericht der Sachverhalt und das verletzte Verfassungsrecht erkennbar sein. Daher sind die angegriffene Entscheidung sowie alle Unterlagen aus dem gerichtlichen Verfahren (Schriftsätze, Gutachten, usw. beizufügen. Es ist konkret (im Sinne von substanziiert und schlüssig) darzulegen, welche verfassungsmäßigen Rechte der Landesverfassung Baden-Württemberg verletzt wurden. Dabei bedarf es einer konkreten inhaltlichen Auseinandersetzung mit der anzugreifenden gerichtlichen Entscheidung. Diesen sehr hohen Anforderungen gerecht zu werden, ist im Hinblick auf die Monatsfrist selbst für einen erfahrenen Rechtsanwalt häufig eine große Herausforderung, die viel Aufwand erfordert. Mit der praktischen Erfahrung im Verfassungsrecht und einer umfassenden und überzeugenden Begründung können die Erfolgschancen einer Verfassungsbeschwerde jedenfalls erhöht werden. Eine „Erfolgsgarantie“ gibt es auch in diesem Fall jedoch nicht.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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