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Berufsunfähigkeitsversicherung: Notwendig oder überflüssig?

  • 7 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion

Jeder, der schon einmal eine Versicherung abgeschlossen hat, weiß entweder von seinem Versicherungsvertreter oder von seiner Versicherung, dass es auch eine sogenannte Berufsunfähigkeitsversicherung gibt. Diese wird von den genannten Anbietern natürlich gerne als unbedingt notwendig angepriesen. Allerdings ist eine solche Versicherung nicht wirklich für jeden sinnvoll oder notwendig. Mit diesem Rechtstipp möchte die Redaktion von anwalt.de ein wenig Licht in das Dunkel der Berufsunfähigkeitsversicherung bringen.

[image]Begriff der Berufsunfähigkeitsversicherung

Unter einer Berufsunfähigkeitsversicherung versteht man hauptsächlich eine privat abgeschlossene Invaliditätsversicherung, die dann greift, wenn die Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit ganz oder teilweise entfällt. Für Personen, die vor dem 1. Januar 1961 geboren sind, besteht die Möglichkeit des Abschlusses einer Berufsunfähigkeitsversicherung im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung. Diese Versicherung greift aber nur unter gewissen Voraussetzungen und bietet erheblich weniger Leistungen. Für alle Personen, die nach dem 1. Januar 1961 geboren sind, besteht nur noch ein sehr begrenzter Schutz im Hinblick auf die Erwerbsunfähigkeit, so dass für diese Personen der Abschluss einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung von Vorteil sein kann. Der Versicherungsschutz endet in den meisten Fällen mit Erreichen des 65. bzw. 67. Lebensjahres.

Arten der Berufsunfähigkeitsversicherung

Die Berufsunfähigkeitsversicherung kann als selbstständige BU (SBU) und als Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) abgeschlossen werden. Eine selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherung (SBU) ist ein eigenständiger Vertrag, der aufgrund seiner Einzelstellung jederzeit gekündigt oder beitragsfrei gestellt werden kann, aber im Gegensatz zur Berufsunfähigkeitszusatzversicherung etwas höhere Beiträge aufweist. Die Berufsunfähigkeitszusatzversicherung (BUZ) wird meist im Zusammenhang mit einem Hauptvertrag einer anderen Versicherung, z. B. Lebensversicherung, abgeschlossen. Diese Art der Versicherung hat ebenfalls Vor- und Nachteile. Ein Vorteil ist, dass die Vereinbarung einer Beitragsbefreiung möglich ist, d. h., dass der Hauptvertrag im Falle einer Berufsunfähigkeit garantiert weiter läuft. Nachteil einer solchen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ist, dass beide Verträge nicht eigenständig weiterlaufen können, wenn beispielsweise die Versicherung des Hauptvertrags nicht mehr bezahlt werden kann oder einfach nicht mehr vonnöten ist.

Leistungen bei Berufsunfähigkeit

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt dem Versicherten im Falle seiner nachgewiesenen Berufsunfähigkeit eine vereinbarte Berufsunfähigkeitsrente, wenn er seinen zuletzt ausgeübten Beruf ganz oder teilweise nicht mehr ausüben kann. Mit dieser Rente kann zumindest der Lebensunterhalt weiter bestritten werden. In vielen Versicherungsbedingungen lautet eine typische Definition von Berufsunfähigkeit: „Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich für die Dauer von mindestens 6 Monaten (Prognosezeitraum) außer stande ist, seinen Beruf, wie er vor Eintritt der Krankheit, Körperverletzung oder des Kräfteverfalls beschaffen war, auszuüben." Für eine teilweise Berufsunfähigkeit lauten die Versicherungsbedingungen: „Teilweise Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich für die Dauer von mindestens 6 Monaten (Prognosezeitraum) nur noch zu 50 % im stande ist, seinen Beruf, wie er vor Eintritt der Krankheit, Körperverletzung oder des Kräfteverfalls beschaffen war, auszuüben." Bei Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung sollte unbedingt auf einen Prognosezeitraum von 6 Monaten geachtet werden, da sonst ein „voraussichtlich dauerhafter" Zeitraum gilt, der nach ständiger Rechtsprechung 3 Jahre beträgt.

Abstrakte Verweisung

Der Begriff der abstrakten Verweisung ist in heutigen Versicherungsbedingungen nur noch selten zu finden, in älteren Verträgen ist diese Regelung jedoch noch häufig enthalten. Eine abstrakte Verweisung wird beispielsweise durch folgende Regelung in den Versicherungsbedingungen vereinbart: „... oder eine andere Tätigkeit ausüben, die der Versicherungsnehmer aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausüben kann und die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht (Verweisungsberuf)."

Ein gelernter Schreiner konnte aufgrund der Erkrankung an Asthma bronchiale nicht mehr in seinem Beruf arbeiten. Er nahm dann eine Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter im Garten- und Technikbereich auf. Seine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung stellte die Zahlungen nach einer erneuten Gesundheitsprüfung mit dem Hinweis ein, dass der ausgeübte Beruf der früheren Tätigkeit als angestellter Schreiner vergleichbar ist. Diese Vergleichbarkeit ist aber nach Ansicht des Gerichts, aufgrund der bisher vorliegenden Ausführungen, nicht gegeben, so dass die Klage des Versicherten an das Berufungsgericht zurück verwiesen werden musste (Bundesgerichtshof, Urteil v. 21.04.2010, Az.: IV ZR 8/08).

Zielgruppen für den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung

Gegen Berufsunfähigkeit kann sich jeder versichern, also auch Studenten, Hausfrauen, Beamte, Arbeitnehmer oder Selbstständige. Jedoch ist nicht für jede Gruppe eine solche Versicherung tatsächlich sinnvoll. Für Selbstständige und Existenzgründer ist diese Art der Versicherung äußerst sinnvoll, da hier die Arbeitskraft, mit der das Unternehmen steht und fällt, abgesichert wird. Für Studenten liegt der Vorteil darin, dass aufgrund des niedrigen Eintrittsalters die Gesundheitsprüfungen schnell geschehen können und die Beiträge niedrig sind, Nachteil ist aber gerade die Beitragszahlung, die für Studenten oftmals eine Hürde darstellt. Beamte und Lehrer können nicht berufsunfähig, aber dienstunfähig werden. Für sie besteht eine staatliche Absicherung, die zwar besser als bei den Angestellten ist, aber immer noch nicht ausreicht. Für diese Zielgruppe gibt es Berufsunfähigkeitsversicherungen mit integrierten Dienstunfähigkeitsklauseln, welche in „echte Dienstunfähigkeitsklauseln" und „unechte Dienstunfähigkeitsklauseln" unterteilt werden. Diese Versicherungen werden jedoch nicht von allen Versicherern angeboten.

Zahlungsbereitschaft der Versicherungen

Wie bereits oben im Fall des berufsunfähigen Schreiners gezeigt, ist es bei Berufsunfähigkeitsversicherungen an der Tagesordnung, dass die Zahlungen der Berufsunfähigkeitsrente so schnell wie möglich eingestellt oder reduziert werden sollen.

Ein weiterer Fall betraf eine junge Frau, die sich in der Ausbildung befand und infolge von Gehirnblutungen teilweise berufsunfähig wurde. Sie schloss dennoch ihre Ausbildung ab und arbeitete dann in Teilzeit in ihrem erlernten Beruf. Der Versicherer stellte die Zahlungen mit der Begründung ein, dass die Versicherte jetzt, nach Abschluss ihrer Ausbildung, einen anderen Beruf ausübe, als bei Versicherungsabschluss und diesen Beruf auch zu keiner Zeit „in gesunden Tagen" nachgegangen sei. Dies verneinte jedoch der Bundesgerichtshof (BGH), denn in einer Ausbildung werden zwangsläufig verschiedene Stadien der Tätigkeit durchlaufen, welche aber immer noch zum selben Beruf gehören. Daher ist bei der Versicherung von Auszubildenden der Berufsbegriff auf solche Tätigkeiten auszuweiten, die erst die Voraussetzungen für die Aufnahme einer bestimmten, auf Erwerb gerichteten Tätigkeit schaffen sollen, es ist keine Trennung von Ausbildungs- und Ausübungsphase anzunehmen (BGH, Urteil vom 24.02.2010, Az.: IV ZR 119/09). Um hier auf Nummer sicher zu gehen und alle Leistungen zu erhalten, die vertraglich garantiert sind, sollte man sich in jedem Fall einer Berufsunfähigkeit an einen spezialisierten Anwalt wenden.

Versteuerung der Berufsunfähigkeitsrente

Gut zu wissen ist auch, wie eine Berufsunfähigkeitsrente besteuert wird. Grundsätzlich ist eine solche Rente steuerpflichtig. Eine ungekoppelte Berufsunfähigkeitsversicherung wird mit ihrem Ertragsanteil versteuert. Dieser Ertragsanteil ist umso höher, je eher die Berufsunfähigkeitsrente in Anspruch genommen wird und je länger die verbleibende Laufzeit folglich noch ist. Je kürzer die Laufzeit noch ist, umso niedriger fällt auch der Ertragsanteil aus. Beispielsweise beträgt der Ertragsanteil nach § 55 Abs. 2 Einkommensteuer-Durchführungsverordnung bei einer Laufzeit von 30 Jahren 30 % und bei einer Laufzeit von 5 Jahren nur noch 5 %.

Bleibt der Versicherungsschutz bestehen?

Für viele Versicherte stellt sich die Frage nach dem Erhalt des Versicherungsschutzes bei Wechsel des Arbeitsplatzes, bei Arbeitslosigkeit oder im Falle von Elternzeit. Bei einem Berufswechsel passiert in aller Regel nichts, allerdings sollte schon bei Vertragsabschluss darauf geachtet werden, dass immer der ausgeübte Beruf versichert ist. Grundsätzlich bleibt der Versicherungsschutz auch bei Arbeitslosigkeit und in der Elternzeit erhalten, wenn die Beiträge weiter bezahlt werden. Bei Arbeitslosigkeit kommt jedoch wieder die Verweisung auf andere Tätigkeiten infrage, die je nach Versicherungsbedingungen möglich ist, wenn man für eine bestimmte Zeit aus dem Beruf ausgeschieden ist. Für die Elternzeit gilt, dass auch eine solche Pause ein Ausscheiden aus dem Beruf darstellt. In den Tarifbedingungen sollte daher geregelt sein, wie sich der Versicherer bei einem kurzfristigen Ausscheiden verhält, wie lange kurzfristiges Ausscheiden definiert wird und ob die bzw. der Versicherte während dieser Zeit weiter in seinem Beruf versichert ist.

Höhe der Versicherungsprämie

Die Beiträge zur Berufsunfähigkeitsversicherung sind relativ hoch, denn es sind eine Menge Faktoren zu berücksichtigen. Zunächst gilt für die maximale Leistungsdauer bzw. Leistungszeit das 65. oder 67. Lebensjahr. Dieser Zeitraum orientiert sich an der Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Versicherungsdauer kann in den meisten Fällen gesondert vereinbart werden und beschreibt das Alter, bis zu dem der Versicherungsfall eintreten muss. Neben der Dauer spielt auch noch die Berufsgruppe, der die Versicherten angehören, für den Tarif bzw. den Beitrag eine Rolle. Es erfolgt, ähnlich wie bei der privaten Krankenversicherung, eine individuelle Risikoeinstufung des potenziellen Versicherungsnehmers, je nach ausgeübtem Beruf. Insgesamt gesehen tragen zur Beitragsberechnung insbesondere das Eintrittsalter, die Höhe der gewünschten Berufsunfähigkeitsrente, der Gesundheitszustand und die Möglichkeit der abstrakten Verweisung bei.

Auswahlkriterien zur Wahl der richtigen Berufsunfähigkeitsversicherung

Auf dem deutschen Versicherungsmarkt steht eine nicht zu überschauende Zahl von Berufsunfähigkeitsversicherungen zur Auswahl. Hier soll abschließend noch auf einige Punkte hingewiesen werden, auf die vor Abschluss einer solchen Versicherung geachtet werden sollte. Auf eine abstrakte Verweisung sollte im Vertrag verzichtet werden, der Prognosezeitraum für die Berufsunfähigkeit sollte 6 Monate betragen, eine rückwirkende Zahlung für mindestens 3 Jahre bei verspäteter Meldung sollte vereinbart werden können, auf Antrag sollte eine zinslose Stundung möglich sein und es sollte eine Nachversicherungsgarantie, z. B. für die Erhöhung der Rente bei Heirat, gegeben werden.

(WEI)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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