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Checkliste Verkehrsunfall – wie verhalte ich mich richtig?

  • 6 Minuten Lesezeit
Ferdinand Mang anwalt.de-Redaktion

Bremsgeräusche, kurz darauf ein Knall. Nach dem Schreck die Erkenntnis: „Ich hatte gerade einen Unfall!“ In dieser Situation sind die meisten Menschen überfordert und ein Leitfaden eine große Hilfe. Viele Versicherungen bieten Checklisten an, die im Handschuhfach mitgeführt werden sollen. Eine solche Checkliste sollte folgende wichtige Punkte beinhalten bzw. bei deren Fehlen entsprechend ergänzt werden:

Warnblinkanlage einschalten und Warndreieck aufstellen

Als Erstes gilt es, die Unfallstelle abzusichern, um den Eigenschutz zu gewährleisten. Das Warndreieck ist daher gut sichtbar mit ausreichendem Abstand vor der Unfallstelle aufzustellen.

Notruf absetzen

Hier gilt die Regel der fünf „W“: Bei dem Notruf ist mitzuteilen, wo es passiert ist, was passiert ist, wie viele Verletzte es gibt, welche Art von Verletzungen vorhanden sind und wer den Unfall meldet. Wichtig – nicht auflegen, sondern Rückfragen abwarten. Auch bei sogenannten Bagatellschäden sollte die Polizei hinzugezogen werden, da diese den Unfall protokolliert und Beweise sichert.

Erste Hilfe leisten 

Hier gilt nicht, wer am lautesten schreit, braucht am schnellsten Hilfe. Zunächst sollte man sich einen Überblick über die Situation verschaffen und erst dann entscheiden, wer lebensrettende Sofortmaßnahmen, insbesondere Wiederbelebungsmaßnahmen, stabile Seitenlage, Stillung bedrohlicher Blutungen oder Schockbekämpfung benötigt.

Kontaktdaten von Zeugen und Beteiligten sammeln

Ist die Polizei verständigt, nimmt diese die Personalien von Zeugen auf, notiert die Kennzeichen der beteiligten Fahrzeuge und protokolliert die Vernehmungen. Allerdings warten potenzielle Zeugen nicht immer auf das Eintreffen der Polizei und sind im Nachhinein nur schwer zu ermitteln. Um später Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, sollten daher zuerst potenzielle Zeugen gefragt werden, ob sie den Unfall beobachtet haben, von ihnen die vollständigen Namen, Telefonnummern und Adressen erfragt und deren amtliches Kennzeichen notiert werden. 

Europäischen Unfallbericht mit Unfallskizze und Unfallprotokoll anfertigen 

Wenn die Polizei nicht gerufen wird, sollten Kennzeichen, gegnerische Versicherung und Versicherungsnummer notiert, ein Europäischer Unfallbericht mit Unfallskizze und Unfallprotokoll angefertigt und von allen Beteiligten unterschrieben werden. Auch sollte der Fahrzeughalter notiert werden. Dessen Daten können aus dem Fahrzeugschein entnommen werden.

Fotos von der Unfallstelle anfertigen

Wichtig ist es, Fotos des Gesamtschadens und der Unfallsituation aus verschiedenen Blickwinkeln anzufertigen, damit auch im Nachhinein Lage und Ort der Fahrzeuge und zuletzt der Unfallvorgang rekonstruiert werden können. Auch sollten Fotos von den Bremsspuren angefertigt werden.

Das Aussageverweigerungsrecht beachten 

Hat man den Unfall verschuldet und wird man von der Polizei als Beschuldigter vernommen, da man verdächtigt wird, eine Ordnungswidrigkeit oder eine Straftat begangen zu haben, steht einem das sogenannte Aussageverweigerungsrecht zu. Das heißt, man muss sich gegenüber der Polizei nicht selbst belasten, sondern muss nur seine Personalien angeben, aber kann zum Unfallvorgang selbst schweigen. Wer von diesen Recht Gebrauch macht, darf auch hierdurch keine Nachteile erleiden. 

Polizeiliches Protokoll überprüfen

Macht man Angaben zum Unfallhergang, sind diese sachlich zu halten und das polizeiliche Protokoll ist vor Unterzeichnung zu kontrollieren. Dabei sollte auch darauf geachtet werden, dass sämtliche Fakten aufgenommen wurden, insbesondere auch schon vorhandene Vorschäden am gegnerischen Fahrzeug.

Kein Anerkenntnis abgeben

Auch wer vermutet, an dem Verkehrsunfall allein schuld zu sein, oder tatsächlich allein schuld ist, für den besteht keine Pflicht, dass noch am Unfallort ein Anerkenntnis abgeben werden muss oder gar ein Anerkenntnis zu unterschreiben ist. Ein abgegebenes Anerkenntnis kann grundsätzlich nur schwer zurückgenommen werden und kann bis zur Beweislastumkehr führen. Das heißt, um ein Anerkenntnis zu widerlegen, muss man das Gegenteil beweisen können, und das ist oft nicht möglich. 

Wirksames Anerkenntnis vom Unfallgegner einholen

Sollte der Unfallgegner sein Verschulden einräumen, ist es von Vorteil, wenn dieser zugleich ein schriftliches Anerkenntnis abgibt. Das Anerkenntnis sollte jedoch den Unfallhergang und das Verschulden des Unfallgegners genau beschreiben. Auch sollte vor Unterzeichnung die Verschuldensfrage in Form einer sachlichen Diskussion mit dem Unfallgegner geklärt worden sein. Auch wenn eine solche Einigung mit dem Fahrzeuggegner erzielt wird, sollten dennoch sämtliche Beweise (Kontaktdaten der Zeugen/Fotos) gesichert werden.

Fahrzeug abschleppen lassen 

Ist das Fahrzeug nicht mehr fahrtüchtig bzw. verkehrssicher, verständigt üblicherweise bereits die Polizei ein Abschleppunternehmen. Als Geschädigter muss man in der Regel nicht selbst die Kosten tragen, auch wenn diese im Vergleich zu anderen Anbietern höher ausfallen. Als Geschädigtem kann einem nicht zugemutet werden, am Unfallort Vergleichsangebote einzuholen. Allerdings werden bei einem Totalschaden nur die Kosten zur nächsten Werkstätte erstattet. 

Hat man den Unfall selbst oder zum Teil mitverschuldet und besteht eine Kaskoversicherung, sollte man darauf achten, dass die Abschleppkosten zu einer weiter entfernten Werkstätte nicht stets vollständig von der Kaskoversicherung reguliert werden. Denn die Kosten werden nur erstattet, wenn diese bezüglich des Wiederbeschaffungswerts, der Reparaturkosten und des Restwerts nicht im Missverhältnis stehen. Da dies schwer abzuschätzen sein kann, sollte man das am besten bereits vor dem Abschleppen telefonisch mit der Kaskoversicherung klären.

Arbeitgeber verständigen

Oft geschehen Unfälle auf dem Weg zur Arbeit. Dann ist der Arbeitgeber über den Unfall zu informieren, damit er den Grund für die Verspätung kennt. Sollte aufgrund des Unfalls eine Arbeitsunfähigkeit eingetreten sein, ist der Arbeitgeber auch hierüber zu informieren.

Ärztliches Attest besorgen und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Arbeitgeber übergeben

Bei jedem größeren Unfall, der über leichte Blechschäden hinausgeht, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Gerade innere Verletzungen werden oft nicht bemerkt und können tödlich enden. Auch dient das Attest und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Beweismittel, um später Schadensersatzansprüche erfolgreich durchsetzen zu können. 

Anwalt einschalten

Als Geschädigter hat man das Recht, einen Anwalt seiner Wahl einzuschalten, dessen Kosten die gegnerische Versicherung tragen muss. Es gibt auch spezialisierte Kanzleien, die die gesamte Korrespondenz mit Werkstätte, Gutachter und Versicherungen übernehmen. Spezialisierte Kanzleien haben auch die Erfahrung, Ansprüche durchzusetzen, die Versicherungen „im ersten Anlauf“ zunächst ablehnen.

Versicherungen verständigen – Haftpflicht und Rechtsschutz

Als Nächstes ist die eigene Verkehrshaftpflicht- und Kaskoversicherung und die Verkehrshaftpflichtversicherung des Unfallgegners über den Unfall zu informieren. Besteht eine Rechtsschutzversicherung, sollte auch diese über den Unfall in Kenntnis gesetzt werden.  

Gutachterwahl

Als Geschädigter haben Sie einen Anspruch, das beschädigte Fahrzeug durch einen Gutachter begutachten zu lassen, um den Schaden zu ermitteln. Dabei hat der Geschädigte die freie Wahl, welchen Gutachter er beauftragen möchte. Hier scheiden sich die Geister, ob man nun einen von der gegnerischen Versicherung beauftragten Gutachter oder selbst einen „freien“ Gutachter wählen soll. Dem von der gegnerischen Versicherung beauftragten Gutachter wird oft Parteilichkeit unterstellt, aber dessen Gutachten werden meistens akzeptiert und zügig reguliert. Das vom freien Gutachter erstellte Gutachten wird in der Regel gekürzt, mit der Gefahr, dass unter Umständen die Versicherung weniger als tatsächlich geschuldet reguliert und man die Fehlbeträge einklagen muss.

Fragebogen der Versicherung ausfüllen

Nach dem Unfall erhält man oft einen Fragebogen von der gegnerischen und/oder eigenen Versicherung. Dieser ist jeweils sorgfältig auszufüllen, da die Versicherungen anhand dieser Fragebögen über die Regulierung entscheiden. Sollte bereits ein Anwalt eingeschaltet sein, sollte dieser um Beratung zu den Fragen bzw. um Beantwortung der Fragen gebeten werden.

Schadensersatz geltend machen 

Zuletzt sollte man sich als Geschädigter Gedanken über den Schadensersatz machen: Neben Reparaturkosten sowie Mietwagenkosten/Nutzungsausfallschaden oder Schadensersatz wegen Totalschadens des Fahrzeugs sollten auch die übrigen Gegenstände im Fahrzeug auf Schäden überprüft werden. Wenn kein Verdienstausfall entsteht, besteht aber eventuell ein ersatzfähiger Haushaltsführungsschaden. Auch sollte das von der Versicherung angebotene Schmerzensgeld von einem Anwalt überprüft werden. 

Anerkenntnis mit Wirkung eines Feststellungsurteils von der Versicherung einfordern

Hat man körperliche Schäden erlitten, deren Folgen sich unter Umständen erst Jahre später bemerkbar machen, droht die Gefahr, dass weitere Schadensersatzansprüche wegen Verjährung nicht mehr durchgesetzt werden können. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt 3 Jahre. Daher sollte man von der Versicherung verlangen, die Pflicht zum Schadensersatz aufgrund des Unfalls mit Wirkung eines Feststellungsurteils anzuerkennen. Damit verlängert sich die Verjährungsfrist auf dreißig Jahre.

Fazit: Bei einem Verkehrsunfall verliert man schnell die Nerven. Daher sollte man sich bereits vorher einen guten „Fahrplan“ anschaffen, damit man die wichtigsten Punkte nicht vergisst.

(FMA)

Foto(s): Fotolia

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