Societas Europaea: Was Sie über die Europäische Gesellschaft wissen müssen
- 4 Minuten Lesezeit
Das Kürzel „SE" steht für die lateinische Bezeichnung „societas europaea", die erste übernationale Gesellschaftsform im europäischen Gemeinschaftsgebiet. Weil die SE in vielen Punkten der Aktiengesellschaft gleicht, bezeichnet man sie in Deutschland oft auch als „Europa-AG".
Hintergrund für die SE war das Bemühen der europäischen Länder, eine gemeinsame Gesellschaftsform zu entwickeln, die grenzüberschreitend in allen Ländern der EU niedergelassen sein kann und eine einheitliche Struktur und Funktionsweise hat. Sie sollte vor allem unabhängiger von den jeweils unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen sein.
Die Verhandlungen zum Statut der SE waren langwierig und mit Hürden gesät. Sie dauerten fast 30 Jahre bis zur Verabschiedung der entsprechenden EG-Verordnung Nr. 2157/2001. Hauptproblem war dabei die Frage zur Mitbestimmung der Arbeitnehmer.
Wie entsteht eine Societas europaea?
Grundsätzlich lassen sich fünf Möglichkeiten zur Entstehung einer Europa-AG nennen:
Eine Möglichkeit ist die Verschmelzung von bestehenden Gesellschaften zu einer SE, wobei diese aus mindestens zwei Mitgliedsstaaten stammen müssen.
Daneben kommt die Gründung einer Holding-SE von Aktiengesellschaften oder GmbHs in Betracht, die in mindestens zwei Mitgliedsstaaten ihren Sitz haben oder seit mindestens zwei Jahren in einem anderen Mitgliedsstaat eine Tochtergesellschaft oder Zweigstelle haben.
Eine nationale Aktiengesellschaft kann durch Umwandlung zur Europa-AG werden, wenn sie seit mindestens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedsstaat hat.
Die Gründung einer gemeinsamen Tochtergesellschaft in Form der SE ist möglich, wenn die Muttergesellschaften ihren Sitz in verschiedenen Mitgliedsstaaten oder seit mindestens zwei Jahren eine Tochtergesellschaft oder Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedsstaat haben.
Schließlich kann eine bereits bestehenden Europa-AG eine Tochter-Europa-AG ausgründen.
Struktur der SE und rechtliche Grundlagen
Der deutschen Aktiengesellschaft vergleichbar, ist die SE eine Kapitalgesellschaft, deren Kapital in Aktien aufgeteilt ist. Das gezeichnete Kapital muss mindesten 120.000 Euro betragen. Hauptorgan der SE ist gleichsam die Hauptversammlung, die sich aus den Aktionären der SE zusammensetzt. Daneben kann sie sich hinsichtlich der Führung der Gesellschaft zwischen einem sogenannten monistischen und dem dualistischen System entscheiden. Das dualistische entspricht dem deutschen System aus Vorstand und Aufsichtsrat. Das monistische gleicht dem angloamerikanischen Prinzip des „Board"-Systems und kennt nur einen einheitlichen Verwaltungsrat, der sich aus exekutiven und nicht-exekutiven Direktoren zusammensetzt (insgesamt mindestens 3 Direktoren).
Rechtsgrundlage für die Entstehung der Europa-AG ist die EG-Verordnung Nr. 2157/2001, die durch das bundesdeutsche Ausführungsgesetz (SEAG) in nationales Recht umgesetzt wurde. Seit dem 08.10.2004 steht damit die Europa-AG als Rechtsform in allen EU-Mitgliedsstaaten zur Verfügung.
Besonderheiten der Europa-AG
Die Europa-AG kann, anders als die nationale AG, nicht durch eine natürliche Person (etwa die Ein-Mann-AG) sondern nur durch juristische Personen gegründet werden. Für GmbHs gilt als Einschränkung, dass sie nicht direkt in eine Europa-AG umgewandelt werden können; sie müssen den aufwändigen Weg über die vorherige Umwandlung in eine normale AG gehen.
Die Hauptversammlung hat im wesentlichen dieselben Aufgaben wie die Hauptversammlung einer nationalen Aktiengesellschaft. Anders als diese tritt sie aber nicht nur einmal sondern zweimal im Jahr zusammen (Art. 45 VO) und kann darüber hinaus jederzeit von der Gesellschaftsleitung (Art. 54 VO) oder von Aktionären mit mindestens 5 % Kapitalbeteiligung einberufen werden (§ 50 SEAG).
Für den deutschen Rechtsraum neu ist auch die Möglichkeit, sich für das monistische Führungsprinzip mit nur einem Verwaltungsgremium aus Direktoren zu entscheiden.
Registriert wird die Europa-AG bei Gründung und Löschung im jeweiligen nationalen Register am Firmensitz (Deutschland: Handelsregister), die Eintragung wird zusätzlich im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.
Sie muss ihrem Firmennamen den Zusatz „SE" voran- oder nachstellen.
Arbeitnehmer-Mitbestimmung in der SE
Nicht zuletzt sei vor allem auf die Mitbestimmungsrechte in einer Europa-AG hingewiesen. Sie waren das größte Hindernis auf dem Weg zur Einführung der Europa-AG. Mitgliedsstaaten mit weitreichenden Mitbestimmungsrechten für Arbeitnehmer wollten auch im Rahmen einer SE nicht auf diese verzichten. Schließlich wurde zur Sicherung der Mitbestimmungsrechte die Richtlinie 2001/86 als Ergänzung zur EG-Verordnung erlassen. Das deutsche Ausführungsgesetz regelt die Mitbestimmungsrechte in einer SE ausführlich in §§ 1-44 des Art. 2 SEAG, im Wesentlichen gilt dabei folgendes:
Gab es in keiner, bei Gründung einer SE beteiligten Gesellschaften Mitbestimmungsrechte, so muss auch die SE keine Mitbestimmungsrechte einführen.
Galten Mitbestimmungsrechte in nur einer der Gesellschaften, so sind diese Rechte auch innerhalb der SE zu berücksichtigen. In diesem Fall bedarf es einer Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer gemäß Art. 4 der Richtlinie 2001/86, die zudem Voraussetzung für die Eintragung ist. Falls nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten diese Vereinbarung zustande kommt, stellt die gesetzliche Regelung des Art. 7 der Richtlinie die Arbeitnehmerbestimmung sicher.
Vorteile einer SE
Echte Vorteile bietet die SE nur für grenzüberschreitend tätige Unternehmen. Dazu gehört die unkomplizierte Sitzverlegung in einen anderen Mitgliedsstaat, ohne dass sie aufgelöst und neu gegründet werden muss. Sitzverlegung kann bei der Wahl der günstigsten Rechtsordnung der Mitgliedsstaaten interessant sein.
Im Rahmen von Verschmelzungen bietet sie die derzeit einzige grenzüberschreitende Möglichkeit, bis in einigen Jahren die geplante Fusionsrichtlinie für Kapitalgesellschaften verabschiedet wird.
Daneben kann dank des neuen monistischen Systems ein Konzern grenzüberschreitend einheitlich und kostensparend verwaltet werden.
Mittels Zweigniederlassungen kann eine SE sich die veraltungsaufwändige und kostenintensive Gründung von Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedsstaaten sparen.
Was dennoch zu bedenken ist
Eine nicht unwesentliche Hürde, gerade für kleine und mittelständische Unternehmen, die ursprünglich von der SE profitieren sollten, kann das hohe Grundkapital von 120.000 Euro sein; für GmbH zudem der kostenintensive Zwischenschritt über Gründung einer nationalen AG. Die noch „unbekannte" Gesellschaftsform SE mag im geschäftlichen Umfeld eventuell auch Skepsis auslösen und die Rückwandlung in eine AG ist erst nach zwei Jahren wieder möglich.
Wer hofft, durch die SE den strengen nationalen Rechtsvorschriften zu entkommen, wird ebenfalls enttäuscht, weil etwa die Arbeitnehmermitbestimmung nicht zu unterlaufen ist. Auch steuerlich bietet die SE ohne Sitzverlegung keinen Anreiz, da sie dem jeweils nationalen Steuerrecht unterfällt.
(MIC)
Artikel teilen:
Sie benötigen persönliche Beratung zum Thema Europäische Gesellschaft?
Rechtstipps zu "Europäische Gesellschaft" | Seite 3
-
20.02.2024 Rechtsanwalt Marcel Seifert„Anleger, die der ProReal Deutschland 7 GmbH Namensschuldverschreibungen gewährt haben, müssen um ihr investiertes Geld fürchten. Wie die Gesellschaft am 19. Februar 2024 in einer Pflichtmitteilung …“ Weiterlesen
-
21.02.2024 Rechtsanwalt Marc Gericke„… des Jahres wurden die AnlegerInnen des ProReal Deutschland 7, ProReal Deutschland 8 (Exclusives Folgeangebot) ProReal Europa 9 und ProReal Europa 10 darüber informiert, dass die Zinszahlungen des vierten …“ Weiterlesen
-
19.02.2024 Rechtsanwalt Oliver Busch„… und sichersten Renditen auf den europäischen Finanzmärkten zu ermitteln und anzubieten und mit dem Büro im Herzen von Frankfurt, einzig und allein auf Festzinsanlagen spezialisiert sei …“ Weiterlesen
-
15.02.2024 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll„… auf Schadensersatz? Vor diesem Hintergrund macht die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer auf relevante Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2023 aufmerksam, die die Rechte …“ Weiterlesen
-
15.02.2024 Rechtsanwalt Stephan Stiletto„Reputationsmanagement, also die Beobachtung und Beeinflussung der Dinge, die öffentlich innerhalb und außerhalb des Internets über eine Person oder Personenvereinigung (z.B. Gesellschaften, Vereine …“ Weiterlesen
-
13.02.2024 Rechtsanwalt Dr. iur. Holger Traub - Dipl. Kfm.„… einer Liquidation des Schuldners neu festgelegt wird. Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte: Die Rechte von Aktionären oder Gesellschaftern können umgestaltet werden, was beispielsweise eine Verwässerung …“ Weiterlesen
-
12.02.2024 Rechtsanwalt Dr. Rainer Freudenberg LL.M.„… werden. Die Anmeldung muss folgende Punkte enthalten: folgende Angaben zur Gesellschaft: die Firma, den Sitz und die Geschäftsanschrift in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union; folgende Angaben …“ Weiterlesen
-
08.02.2024 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll„… beispielsweise Ansprüche auf Schadensersatz? Vor diesem Hintergrund macht die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer auf relevante Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2023 …“ Weiterlesen
-
07.02.2024 Rechtsanwalt Marc Klaas„… es nach der Rechtsprechung des EuGH nicht ausgeschlossen, dass auch ein Leitungsorgan einer Gesellschaft Arbeitnehmer im Sinne des Rechts der Europäischen Union sei. Dies gelte auch dann, wenn der Grad …“ Weiterlesen
-
07.02.2024 Rechtsanwalt Oliver Busch„… sollte und als lizenzierter Vermögensberater und -vermittler Zinsfox Kunden aus ganz Europa besicherte Sparmöglichkeiten bieten würde, die den Vermögensaufbau und die Altersvorsorge garantieren. Des Weiteren wird damit …“ Weiterlesen
-
07.02.2024 Rechtsanwalt Dr. jur. Hermann Kresse„… Irland, Zypern und andere europäische Länder. In Malta gibt es zu Beginn des Jahres 2024 über 100,000 Limiteds. Die überwiegende Anzahl der neu etablierten Malta Limited Gesellschaften wird von EU …“ Weiterlesen
-
06.02.2024 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll„… nicht mit, dass ihre Daten im Internet kursieren. Die Kanzlei empfiehlt daher Verbrauchern, im kostenlosen Online-Check die Betroffenheit überprüfen zu lassen. Die Rechtsprechung am Europäischen Gerichtshof …“ Weiterlesen
-
01.02.2024 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll„… & Sauer auf relevante Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2023 aufmerksam, die die Rechte von Verbrauchern im Kontext von Datenschutzverletzungen erheblich stärken. Unter …“ Weiterlesen
-
31.01.2024 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll„… der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) Art. 82 Schadensersatz in Höhe von 300 Euro zu. Dem Verbraucher ist ein immaterieller Schaden entstanden. Facebook hätte die Daten des Klägers besser schützen …“ Weiterlesen
-
01.02.2024 Rechtsanwalt Dr. Urs Verweyen LL.M. (NYU)„… das alles mit Ferrari zu tun? Ferrari hätte um ein Haar seine legendäre Marke "testarossa" mangels rechtserhaltender Benutzung verloren! Erst der Europäischen Gerichtshofs hat es als rechtserhaltender …“ Weiterlesen
-
25.01.2024 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll„… beispielsweise Ansprüche auf Schadensersatz? Vor diesem Hintergrund macht die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer auf relevante Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2023 aufmerksam …“ Weiterlesen
-
24.01.2024 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll„… auf Schadensersatz? Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer weist auf relevante Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2023 hin, die die Rechte von Verbrauchern bei Datenschutzverletzungen stärken. Unter …“ Weiterlesen
-
23.01.2024 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll„… machen. Auch „ Schadensersatzansprüche aufgrund einer unerlaubten Handlung“ seien denkbar, betonte Geschäftsführer und Gesellschafter Christian Grotz bereits im Oktober 2023 gegenüber der WiWo. Versteckte …“ Weiterlesen
-
19.01.2024 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll„… des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) kommen zur Anwendung. Verbraucher können erfolgreich gegen negative Schufa-Einträge vorgehen. Die Kanzlei bietet Verbrauchern mit Schufa-Problemen eine kostenlose …“ Weiterlesen
-
17.01.2024 Rechtsanwalt Ralph Sauer„… sein Comeback. Wie kam es dazu? Der Bundesgerichtshof (BGH) musste im Sommer 2023 seine Diesel-Rechtsprechung nach etlichen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshof (EuGH) verbraucherfreundlich …“ Weiterlesen
-
17.01.2024 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll„… Ansprüche auf Schadensersatz? Vor diesem Hintergrund macht die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer auf relevante Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2023 aufmerksam …“ Weiterlesen
-
17.01.2024 Rechts- und Fachanwältin Angelika Jackwerth„Die Immobilienkrise spitzt sich weiter zu: Die One Group hat bekannt gegeben, dass sie die Zinszahlungen für die nachrangigen Namensschuldverschreibungen ProReal Deutschland 7, 8 und ProReal Europa 9 …“ Weiterlesen
-
16.01.2024 Rechtsanwalt Dr. Ingo Gasser„… am Immobilienmarkt. Wie die ProReal Europa 9 GmbH und ProReal Europa 10 GmbH Anfang des Jahres erklärten, befänden sich die Vertragspartner der Gesellschaften in einem schwierigen Marktumfeld. Steigende Zinsen …“ Weiterlesen
-
15.01.2024 Rechtsanwalt Dr. Ralf Stoll„… . Die anderen Hersteller werden ebenfalls reagieren müssen. Schon der Diesel-Abgasskandal in den USA hat gezeigt, wie hart US-Behörden im Vergleich zu europäischen Behörden durchgreifen …“ Weiterlesen