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Gesetzesänderungen im Oktober 2023: Strafrechtsreform, Aroma-Tabak-Verbot und mehr

  • 7 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

Strafrecht vielfältig verändert

Aspekte der Strafzumessung verschärft

Bei der Strafzumessung müssen Gerichte ab Oktober auch geschlechtsspezifische und gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Beweggründe und Ziele eines Täters besonders berücksichtigen.

Lebensnotwendiges Einkommen muss verbleiben

Bei der Bemessung von Tagessätzen verlangt das Strafgesetzbuch nun ausdrücklich, dass einem Täter mindestens das zum Leben unerlässliche Minimum seines Einkommens verbleibt. Das soll Täter mit geringen Einkommen vor zu hohen Geldstrafen schützen, deren Höhe in erster Linie nach dem erzielten Nettoeinkommen bestimmt wird.

Weisungen und Auflagen erweitert

Gerichte können Verurteilte nun anweisen, sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen. Diese Therapieweisung ist möglich bei Bewährungen, im Rahmen von Strafaussetzungen zur Bewährung und bei Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen. Im Rahmen einer Bewährungszeit können Gerichte Tätern zudem nun die Weisung erteilen, sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen.

Unterbringung in Entziehungsanstalt erschwert

Plätze im Maßregelvollzug sind Mangelware. Ein Grund ist die vermehrte Unterbringung von Tätern in Entziehungsanstalten. Eine Änderung soll deshalb für eine Entlastung sorgen, durch die nur wirklich behandlungsbedürftige und ‑fähige Täter in den Maßregelvollzug gelangen sollen.

Für Entscheidungen zugunsten einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 Strafgesetzbuch gelten deshalb strengere Kriterien. Die Begehung einer rechtswidrigen Tat muss stärker als bisher auf den Hang zurückzuführen sein, dass Täter alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen. Eine neue Voraussetzung ist zudem die Feststellung einer Substanzkonsumstörung. Damit gelangt ein medizinischer Fachbegriff ins Strafgesetzbuch mit Blick auf den Grad einer Abhängigkeit. Dahingehend müssen Gerichte nun feststellen, ob sie beim Täter zu einer dauernden und schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit geführt hat. Der zudem für die Unterbringung maßgebliche Behandlungserfolg muss aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten sein. Diese ersetzen die bisherige Formulierung, derzufolge eine hinreichend konkrete Aussicht genügte.

Erschwert wurde zudem die Berücksichtigung einer Maßregelunterbringung vor einer Strafe oder Reststrafe mit Blick auf eine dahingehende Strafaussetzung. Statt nach dem Verbüßen der Hälfte der Strafe ist diese nun grundsätzlich erst nach zwei Dritteln möglich. Täter können deshalb künftig weniger auf eine frühzeitige Milderung ihrer Freiheitsstrafe hoffen.

Strafbarkeit im Ausland ausgeweitet

Die Strafbarkeit für einige im Ausland begangene Straftaten wird erweitert auf Täter, die ihre Lebensgrundlage im Inland haben. Im Einzelnen sind dies die Straftaten der Zwangsheirat, des Schwangerschaftsabbruchs, der Verstümmelung weiblicher Genitalien, der Folgen des Verlusts der Fortpflanzungsfähigkeit durch schwere Körperverletzung und Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung nach § 174 Absatz 1, 2 und 4, den §§ 176 bis 178 und § 182 Strafgesetzbuch.

Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe erst ab Februar

Das ebenfalls für Oktober geplante Inkrafttreten der Regeln zur Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe wurde dagegen auf den 1. Februar 2024 verschoben. Grund dafür sind Einwände der für die Umsetzung zuständigen Bundesländer. Die notwendigen Änderungen der IT seien nicht bis Oktober 2023 zu bewerkstelligen. 

Die Ersatzfreiheitsstrafe wird verhängt, wenn Täter eine Geldstrafe nicht zahlen oder diese nicht durch Zwangsvollstreckung erlangt werden kann. Durch die Halbierung entsprechen künftig zwei nicht gezahlte Tagessätze einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe. Bis Februar 2024 ist wegen der Verschiebung nun jedoch zunächst wie bisher ein Tag Freiheitsstrafe pro nicht gezahltem Tagessatz anzusetzen.

Aroma-Tabak für Tabakerhitzer bald verboten

Tabakerhitzer erhitzen Tabak elektronisch, der sich in einem Stick befindet. Sie bilden dabei eine eigene Gerätekategorie, die nicht mit E-Zigaretten zu verwechseln ist. Darin erhitzte Tabakerzeugnisse mit Aromen, die den Geruch oder Geschmack verändern, dürfen ab 23. Oktober 2023 nicht mehr in den Verkehr gebracht werden. Für normale Zigaretten und Drehtabak gilt das bereits seit 2016. Ebenfalls diskutiert wurde ein Verbot von Aromen in E-Zigaretten. Dazu kommt es jedoch vorerst nicht.

Winterbeschäftigungsumlage sinkt

Ab Oktober sinkt die Winterbeschäftigungsumlage von 2,0 Prozent auf 1,6 Prozent des umlagepflichtigen Bruttolohns. Die Umlage trägt zur Sicherung von Arbeitsplätzen und Einkommen in der Schlechtwetterzeit im Baugewerbe bei.

Die Winterbeschäftigungsumlage zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer anteilig mit nun 1,0 Prozent bzw. 0,6 Prozent. Arbeitgeber müssen sie im Baugewerbe über bestimmte Einrichtungen bzw. Lohnausgleichskassen abführen.

Geringere Umlagen können Gaspreise senken

Ab Oktober sinken folgende Umlagen, die die Gaspreise beeinflussen, auf 0 Cent/kWh:

  • die RLM-Konvertierungsumlage, bisher 0,39 Cent/kWh
  • die SLP-Bilanzierungsumlage, bisher 0,39 Cent/kWh
  • die Konvertierungsumlage, bisher 0,038 Cent/kWh

Gasversorgungsunternehmen können die infolgedessen gesunkenen Kosten an ihre Kunden weitergegeben. Ob und wie, das entscheiden sie jedoch selbst. In der Regel lassen sie nur Neukunden davon profitieren. Das liefert Bestandskunden wiederum Argumente mit Hinweis auf eine Kündigung und einen Wechsel, um ihren bisherigen Versorger vielleicht doch zu Preisanpassungen bewegen.

Heizkostenzuschuss bis 20. Oktober beantragen

Wer mit Holzpellets, Holzhackschnitzel, Holzbriketts, Scheitholz, Kohle, Heizöl oder Flüssiggas heizt, kann unter bestimmten Voraussetzungen noch den Heizkostenzuschuss erhalten. Die Antragsfrist endet am 20. Oktober 2023.

Der Antrag ist für die folgenden Bundesländer über das Serviceportal Antrag Brennstoffhilfe möglich: Baden-Württemberg, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Eigene Portale für den Antrag auf Härtefallhilfen für nicht leitungsgebundene Energieträger haben Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen. In jedem Fall erforderlich sind eine Rechnung und ein Nachweis der Zahlung für die Heizmittel.

Die genauen Zuschussvoraussetzungen bestimmt das jeweilige Bundesland. Allgemein müssen die Kosten für Heizmittel im Jahr 2022 mindestens doppelt so hoch sein wie ein festgelegter am Jahr 2021 orientierter Referenzpreis. In Berlin reichen jedoch bereits 70 Prozent höhere Kosten aus.

Antragsteller können mit einem Heizkostenzuschuss in Höhe von 80 Prozent der darüber liegenden Kosten rechnen. Der errechnete Zuschuss muss jedoch mehr als 100 Euro betragen, damit dieser gezahlt wird. Mehr als 2.000 Euro Heizkostenzuschuss gibt es allerdings nicht.

Verzögerte Pflegeantragsbearbeitung wird entschädigt

Das gilt bereits: Anträge auf Pflegeleistungen müssen innerhalb von 25 Arbeitstagen bearbeitet werden. Arbeitstage sind die Tage von Montag bis Freitag. Die Frist läuft mit Antragseingang.

Neu ab Oktober ist eine Geldentschädigung, wenn die Pflegekasse die Bearbeitungsfrist von 25 Tagen überschreitet: Antragsteller erhalten dann 70 Euro für jede angefangene Woche der Fristüberschreitung. Solange jedoch noch von der Pflegekasse verlangte erforderliche Unterlagen fehlen, ist die 25-tägige Bearbeitungsfrist unterbrochen.

Ausgeschlossen ist die Entschädigung, wenn ein Antragsteller die Verspätung mitverschuldet hat. Ebenfalls keine Entschädigung ist vorgesehen, wenn die versicherte Person bereits mindestens Pflegegrad 2 besitzt und stationär untergebracht ist.

Prüfungsrecht für Heilberufe modernisiert

Ab Oktober gilt ein geändertes Prüfungsrecht für angehende Apotheker, Ärzte, Zahnärzte, Logopäden, Orthopisten, Diätassistenten, Masseure, medizinische Bademeister, Physiotherapeuten, Podologen, Notfallsanitäter, Hebammen, PTAs und MTAs. Grundlage ist die Heilberufe-Prüfungsrechtmodernisierungsverordnung, die die jeweiligen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen ändert.

Eine wesentliche Neuerung in den meisten der genannten Prüfungsordnungen sind nun digitale Lehrformate, die selbstgesteuertes Lernen oder E-Learning beinhalten. Die Approbationsordnung für Apotheker ermöglicht nun Vorlesungen auch in digitaler Form und für Seminare und praktische Lehrveranstaltungen begleitende digitale Lehrformate.

Weitere Änderungen sind Folge von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts. Danach müssen die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen die konkrete Anzahl der Prüfer benennen aus Gründen der Chancengleichheit (Urteil v. 10.04.2019, Az.: 6 C 19.18). Bisher stand darin nur eine Mindestprüferanzahl. Für die Notfallsanitäterprüfung hatte das höchste Verwaltungsgericht verlangt, dass der Prüfungsausschussvorsitzende die Prüfungsleistung im Falle einer Stichentscheidung unmittelbar wahrnehmen muss (Urteil v. 28.10.2020, Az.: 6 C 8.19).

Elektronische Arzneimittelinformationen erweitert

Die Arzneimittelinformationen in der von Vertragsärzten genutzten Praxissoftware müssen ab Oktober die Folgendes umfassen:

  • Blaue Hand-Schulungsmaterial nach § 34 Absatz 1 f) Satz 2 des Arzneimittelgesetzes
  • Rote Hand-Briefe, die Sicherheitsinformationen zu Arzneimittelrisiken und Maßnahmen zur Risikominimierung beinhalten

Zins für KfW-Studienkredite steigt

Der aktuelle effektive Jahreszins von 7,82 Prozent für KfW-Studienkredite steigt ab Oktober erneut. Er beträgt dann voraussichtlich mehr als 9 Prozent für ab Oktober beginnende Studienkredite.

Der Grund dafür ist der variabel ausgestaltete Zins. Die Steigerungen orientieren sich an der Entwicklung des europäischen Referenzzinssatz EURIBOR. Die KfW begründet die hohen Zinsen für Studienkredite damit, dass die Vergabe unabhängig von Sicherheiten, Einkommen oder Vermögen erfolge, damit möglichst viele diese nutzen können. Für die Rückzahlung kann optional ein fester Zinssatz vereinbart werden.

Bauliche Änderungen für Tierhaltungsanlagen erleichtert

Für die Änderung großer Tierhaltungsanlagen gilt ab Oktober eine baurechtliche Erleichterung durch § 245a Baugesetzbuch. Diese erfolgt im Zusammenhang mit dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz.

Das im August in Kraft getretene Tierhaltungskennzeichnungsgesetz gilt aktuell nur für die Schweinemast. Künftig wird es auf andere Tierarten, Bereiche und Produkte ausgedehnt. Ziel ist eine bessere Information über die darin bestimmten Haltungsformen 1 Stall, 2 Stall+Platz, 3 Frischluftstall, 4 Auslauf/Weide und 5 Bio. Die baurechtlichen Erleichterungen sollen Halter bei Umstellungen auf die drei letztgenannten Haltungsformen 3, 4 und 5 unterstützen.

Am 29. Oktober Uhr zurückstellen

Die Diskussion über die Abschaffung der Zeitumstellung hält an. Solange gilt weiterhin die Regel in der Sommerzeitverordnung, die bestimmt: Die mitteleuropäische Sommerzeit endet jeweils am letzten Sonntag im Oktober um 3 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit. Im Zeitpunkt des Endes der Sommerzeit wird die Stundenzählung um eine Stunde von 3 Uhr auf 2 Uhr zurückgestellt. Der letzte Oktobersonntag ist dabei diesmal der 29. Oktober 2023.

Eine Folge der Zeitumstellung sind mehr Wildunfälle durch das plötzlich in die Dämmerung verlagerte Verkehrsaufkommen. Zugleich werden die jetzt verstärkt auf Nahrungssuche befindlichen Tiere von Bäumen auf Straßen heruntergefallenen Eicheln und anderen Früchten angelockt. Wer im Straßenverkehr unterwegs ist, sollte deshalb jetzt besonders mit Wildtieren rechnen. Sollte entgegen aller Hoffnung ein Wildunfall passieren, hilft unser passender Ratgeber.

(GUE)

Foto(s): ©Adobe Stock/sodawhiskey, ©Adobe Stock/Alrika

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