Mindestlohn von 15 Euro – Wie sicher ist die Anhebung?

  • 4 Minuten Lesezeit

Ein umfassender Rechtsratgeber für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland ist eine der wichtigsten Schutzvorschriften im Arbeitsrecht. Er soll sicherstellen, dass Arbeitnehmer für ihre Arbeit eine faire Entlohnung erhalten und vor Ausbeutung geschützt sind. Die politische Forderung nach einem Mindestlohn von 15 Euro brutto pro Stunde ist aktuell hochaktuell – doch wie wahrscheinlich ist eine solche Anhebung wirklich? Und welche rechtlichen Konsequenzen hätte sie für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?

Dieser Beitrag gibt Ihnen einen ausführlichen Überblick über die rechtlichen Grundlagen, die aktuelle politische und wirtschaftliche Lage sowie die praktischen Auswirkungen.


1. Gesetzlicher Mindestlohn: Rechtlicher Rahmen

Einführung und Rechtsgrundlage

Der gesetzliche Mindestlohn wurde in Deutschland zum 1. Januar 2015 durch das Mindestlohngesetz (MiLoG) eingeführt.
Wichtige Punkte:

  • § 1 MiLoG verpflichtet Arbeitgeber, mindestens den jeweils festgesetzten Mindestlohn an volljährige Arbeitnehmer zu zahlen.

  • Der Mindestlohn ist zwingendes Recht: Vertragliche Vereinbarungen, die darunter liegen, sind insoweit unwirksam (§ 3 MiLoG).

  • Verstöße werden mit Bußgeldern von bis zu 500.000 Euro geahndet (§ 21 MiLoG).

Achtung: Der gesetzliche Mindestlohn gilt unabhängig von Arbeitszeit, Branche oder Vertragsart – auch für Minijobs, Teilzeit- und befristete Arbeitsverhältnisse.


Zuständigkeit der Mindestlohnkommission

Seit 2017 wird die Höhe des Mindestlohns von einer unabhängigen Mindestlohnkommission festgelegt (§ 9 MiLoG).
Diese setzt sich paritätisch aus:

  • Vertreterinnen und Vertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften,

  • sowie wissenschaftlichen Mitgliedern zusammen.

Ihre Aufgabe:
Eine Anhebung des Mindestlohns im Einklang mit der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, der Beschäftigungsentwicklung und dem Ziel eines fairen Arbeitsentgelts vorzuschlagen.


2. Der aktuelle Mindestlohn 2025 und politische Entwicklungen

Mindestlohn seit 1. Januar 2025

Seit dem 1. Januar 2025 beträgt der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland:

12,82 Euro brutto pro Stunde

Diese Erhöhung beruht auf dem Vorschlag der Mindestlohnkommission von 2023.
Wegen der hohen Inflation der letzten Jahre sind jedoch weitere Erhöhungen in der Diskussion.


Forderung nach einem Mindestlohn von 15 Euro

Die SPD sowie der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und andere Arbeitnehmervertretungen fordern aktuell, den Mindestlohn auf 15 Euro anzuheben.
Begründet wird dies unter anderem mit:

  • Den gestiegenen Lebenshaltungskosten,

  • Der Zielsetzung, Armut trotz Arbeit zu verhindern („working poor“),

  • Und dem Ziel, soziale Teilhabe für alle Arbeitnehmer zu sichern.

Eine Anhebung auf 15 Euro würde für Millionen Arbeitnehmer eine deutliche Verbesserung ihrer Einkommenssituation bedeuten.


3. Entscheidungswege: Kommission oder Gesetzgeber?

Beschluss der Mindestlohnkommission

Regulär müsste die Mindestlohnkommission bis 30. Juni 2025 einen neuen Vorschlag zur Höhe des Mindestlohns für 2026 und 2027 machen.
Dafür berücksichtigt sie laut § 9 Abs. 2 MiLoG unter anderem:

  • Die Entwicklung von Tariflöhnen,

  • Die gesamtwirtschaftliche Lage,

  • Die Beschäftigungssituation.

Wichtig:
Die Kommission soll sich an der Entwicklung der Tariflöhne orientieren – nicht an politischen Zielsetzungen.


Gesetzgeberischer Eingriff

Falls die Kommission keine Anhebung auf 15 Euro empfiehlt, kann der Bundestag selbst eingreifen und per Gesetz einen höheren Mindestlohn festlegen.

Dies wäre ein erheblicher Eingriff in die sogenannte Tarifautonomie (Art. 9 Abs. 3 GG), wäre aber unter gewissen Voraussetzungen zulässig – insbesondere zum Schutz sozialer Mindeststandards.

Ein solcher gesetzlicher Eingriff müsste:

  • Im öffentlichen Interesse liegen,

  • Verhältnismäßig sein,

  • Und transparent begründet werden.


4. Rechtssicherheit eines Mindestlohns von 15 Euro

Verfassungsrechtliche Zulässigkeit

Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach bestätigt, dass ein gesetzlicher Mindestlohn grundsätzlich zulässig ist (z.B. BVerfG, Beschluss vom 25.04.2022 – 1 BvR 1305/18).
Er dient dem Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und der Berufsfreiheit (Art. 12 GG), indem er existenzsichernde Löhne gewährleistet.

Eine Anhebung auf 15 Euro könnte also verfassungsrechtlich bestehen – vorausgesetzt, sie ist sachlich gerechtfertigt und wirtschaftlich tragbar.


Europarechtlicher Rahmen

Die EU-Mindestlohnrichtlinie (Richtlinie (EU) 2022/2041) verpflichtet die Mitgliedstaaten, „angemessene Mindestlöhne“ zu gewährleisten.
Sie setzt jedoch keine festen Beträge, sondern lässt nationalen Spielraum. Deutschland kann also eigenständig auf 15 Euro erhöhen, ohne gegen EU-Recht zu verstoßen.


5. Wirtschaftliche und arbeitsrechtliche Auswirkungen

Für Arbeitnehmer

  • Höheres Nettoeinkommen: Insbesondere in Niedriglohnbranchen wie Gastronomie, Einzelhandel und Pflege.

  • Stärkung der sozialen Sicherung: Weniger Aufstockung durch Sozialleistungen nötig.

  • Mehr Rechtssicherheit: Klare Untergrenze des Arbeitslohns.

Für Arbeitgeber

  • Steigende Lohnkosten: Vor allem kleine und mittlere Unternehmen könnten finanziell unter Druck geraten.

  • Notwendigkeit von Preisanpassungen: Um höhere Personalkosten abzufedern.

  • Risiko arbeitsrechtlicher Sanktionen: Arbeitgeber müssen streng auf Einhaltung achten, um Bußgelder und Reputationsverluste zu vermeiden.


6. Handlungsempfehlungen

Arbeitnehmer sollten:

  • Ihre Lohnabrechnungen sorgfältig prüfen,

  • Bei Unterschreitungen rechtzeitig rechtliche Schritte einleiten (z.B. über das Arbeitsgericht),

  • Sich über bestehende Tarifverträge informieren, die ggf. günstigere Regelungen enthalten.

Arbeitgeber sollten:

  • Lohn- und Gehaltsstrukturen frühzeitig anpassen,

  • Aufzeichnungen über Arbeitszeiten und Lohnzahlungen führen (§ 17 MiLoG),

  • Arbeitsverträge auf die neuen gesetzlichen Mindestanforderungen prüfen und ggf. ändern.

Hinweis: Bereits bestehende Ansprüche auf den Mindestlohn verjähren innerhalb von drei Jahren (§ 195 BGB)!


Fazit: Wie sicher ist der Mindestlohn von 15 Euro?

Eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro ist politisch stark gewollt und juristisch möglich.
Ob diese Erhöhung durch die Mindestlohnkommission oder den Gesetzgeber erfolgt, wird sich bis Mitte 2025 entscheiden.

Für Arbeitnehmer wäre der 15-Euro-Mindestlohn eine klare Stärkung ihrer Rechte und sozialen Sicherheit.
Für Arbeitgeber bedeutet er hingegen höhere Anforderungen an die Lohnpolitik und Organisation.

In jedem Fall sollten sich Rechtssuchende bereits jetzt gut vorbereiten und ihre Rechte und Pflichten genau kennen.

Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. jur. Jens Usebach LL.M. von der kanzlei JURA.CC bearbeitet im Schwerpunkt das Kündigungsschutzrecht im Arbeitsrecht. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht vertritt Mandanten außergerichtlich bei Aufhebungsverträgen und Abwicklungsverträgen bei der Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber. Soweit erforderlich erfolgt eine gerichtliche Vertretung bei der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht mit dem Ziel für den Arbeitnehmer eine angemessene und möglichst hohe Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, ein sehr gutes Arbeitszeugnis für zukünftige Bewerbungen oder auch die Rücknahme der Kündigung und die Weiterbeschäftigung zu erzielen.

Mehr Informationen unter www.JURA.CC oder per Telefon: 0221-95814321

Foto(s): kanzlei JURA.CC

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. jur. Jens Usebach LL.M.

Beiträge zum Thema