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Mit Handy am Steuer? Ungeheuer!

  • 9 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

Viele Autofahrer wollen am Steuer nicht auf ihr Handy verzichten. Wer während der Fahrt sein Handy benutzt, riskiert ein saftiges Bußgeld, Punkte in Flensburg und bei einem Unfall Probleme mit dem Kfz-Versicherer. Der Gesetzgeber legt gerade beim Handy durchaus einen äußerst strengen Maßstab an, der sich mit gesundem Menschenverstand manchmal nur schwer nachvollziehen lässt. Darum ist es kein Wunder, dass sich die Gerichte immer wieder mit dem Handyverbot befassen müssen, sogar das Bundesverfassungsgericht. Um die Verkehrsbehörden und Gerichte milde zu stimmen, beweisen die Ertappten viel Fantasie, wenn es darum geht, Ausreden zu erfinden. Die Redaktion von anwalt.de zeigt die besten Ausreden und die skurrilsten Verkehrsgerichtsfälle.

[image]Handyverbot und Sanktionen

Das Handyverbot findet sich in § 23 Absatz 1a Straßenverkehrsordnung (StVO): „Dem Fahrzeugführer ist die Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons untersagt, wenn er hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält. Dies gilt nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist.“

Während der Autofahrt ist also bereits das Aufnehmen und Halten eines Handys verboten. Der Gesetzeswortlaut selbst macht auf den ersten Blick bereits die wesentlichen Kriterien klar, wann die Nutzung eines Handys verboten ist. Während der Fahrt ist jede Benutzung des Handys verboten, gleichgültig ob man nun telefoniert oder eine andere Funktion nutzt (Rufnummern ablesen, SMS lesen/schreiben etc.). Es reicht, wenn man das Handy in der Hand hält.

Bei den Sanktionen unterscheidet man zwischen Führern von Kfz und Radfahrern. Kfz-Fahrern, die ein Handy oder Autotelefon benutzen, indem sie es aufnehmen und halten, droht ein Punkt in Flensburg und ein Bußgeld in Höhe von 40,- Euro. Radfahrer, die ein Handy benutzen, müssen mit einem Bußgeld von 25,- Euro rechnen. Bei weiteren Verstößen und im Wiederholungsfall kann das Bußgeld ein Vielfaches betragen, bestätigte das Bundesverfassungsgericht: Eine notorische Handy-Nutzerin war bereits zum sechsten Mal beim Telefonieren hinterm Steuer erwischt worden. Die Verfassungsrichter erachteten das gegen sie verhängte Bußgeld, was dem Sechsfachen des normalen Bußgeldes entsprach, als schuldangemessen und damit rechtens (Beschluss v. 18.04.2008, Az.: 2 BvR 525/08).

Übrigens: In Deutschland sind die Bußgelder noch relativ „moderat“. Im europäischen Ausland drohen weitaus höhere Bußgelder, etwa in Italien 155,- Euro, in den Niederlanden 140,- Euro und in Österreich immerhin noch 50,- Euro.

Mit oder ohne Motor?

Aus dem Wortlaut geht hervor, dass ein Handy bei ausgeschaltetem Motor im Auto benutzt werden darf. Das Oberlandesgericht Hamm hatte über einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Autofahrer an einer roten Ampel den Motor seines Fahrzeugs ausmachte und kurz mit einer Bekannten telefonierte. Als die Ampel wieder auf grün schaltete, ließ der Fahrer den Motor an und fuhr weiter. Der Senat verneinte einen Verstoß gegen § 23 Absatz 1a StVO. Allein die Tatsache, dass der Wagen vor einer roten Ampel steht, rechtfertigt noch kein Bußgeld (Beschluss v. 06.09.2007, Az.: 2 Ss Owi 190/07). Anders hat das Oberlandesgericht einen Fall beurteilt, bei dem ein Autofahrer mit laufendem Motor an einer roten Ampel wegen eines eingehenden Anrufs sein Handy in die Hand nahm. Hier bejahten die Richter wegen des laufenden Fahrzeugmotors einen Verstoß gegen § 23 Absatz 1a StVO. Dass der Handy-Nutzer letztendlich keine Verbindung zu seinem Gesprächspartner herstellen konnte, änderte daran nichts (Beschluss v. 01.12.2005, Az.: 2 Ss OWi 811/05).

Man sollte allerdings beim Halten nicht nur auf den ausgeschalteten Motor achten, sondern ebenfalls darauf, wo man das Fahrzeug abstellt. Ein Autofahrer kümmerte sich um beides wenig und hielt kurzerhand auf dem Seitenstreifen einer Autobahn, um dort mit laufendem Motor zu telefonieren. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat dem Mann einen Verstoß gegen das Handyverbot und gleichzeitig einen Verstoß gegen § 18 Absatz 3 StVO bestätigt. Denn auf Autobahnen und Kraftfahrstraßen darf grundsätzlich nur bei den dafür gekennzeichneten Stellen gehalten werden (Beschluss v. 06.06.2008, Az.: IV - 2 Ss (OWi) 84/08 - (OWi) 39/08 III).

Mobiler Akku-Rat

Ein Handy kann man ja nicht nur zum Telefonieren nutzen. Was man mit diesem Gerät noch anstellen kann, zeigen zwei vom Oberlandesgericht Hamm entschiedene Gerichtsfälle.

Im ersten Fall tischte ein ertappter Verkehrssünder den Richtern eine abenteuerliche Geschichte auf. Er behauptete, dass er während der Fahrt nicht das Handy, sondern einen Rasierer benutzt hätte, der wie ein Handy aussieht. Weder das Amtsgericht noch das Oberlandesgericht hielten diese Geschichte des Mannes für glaubhaft (Beschluss v. 22.08.2006, Az. 2 Ss Owi 528/06). Vielleicht wäre der Fall anders ausgegangen, wenn der Mann seine Rasier-Story gleich nachdem er erwischt worden war, den Polizeibeamten erzählt hätte? Man(n) sollte es sicherheitshalber gar nicht darauf ankommen lassen.

Stellen Sie sich vor, die Heizung in Ihrem Auto geht nicht. Da es bislang nur Heizdecken für Formel-1-Reifen und nicht für Autofahrer gibt, muss man sich etwas einfallen lassen, um den winterlichen Temperaturen zu trotzen. Schon an Ihr Handy gedacht? Ein Lkw-Fahrer, der mit Handy am Ohr erwischt wurde, sagte in der späteren Verhandlung, dass er sein Handy als Ohrenwärmer benutzt habe. Er habe Ohrenschmerzen gehabt und das Mobiltelefon deshalb als Wärmeakku verwendet. Die Richter nahmen ihm seine Einlassung nicht ab. (Beschluss v. 13.09.2007, Az.: 2 Ss Owi 606/07).

Halt, Sie halten Ihr Handy!

Ganz so streng sind die Gerichte aber nicht immer. Das Oberlandesgericht Köln hat etwa einen Verstoß gegen das Handyverbot verneint, wenn ein ausgeschaltetes Handy lediglich von der Seitenablage in die Mittelkonsole gelegt wird, weil es in der Ablage unangenehm geklappert hat (Beschluss v. 23.08.2005, Az.: 83 Ss-Owi 19/05). Ein Bußgeld konnte hier vermieden werden, weil das Handy nicht angeschaltet war. Wenn man im Auto also Gegenstände bewegen und aufnehmen darf, spricht schon der gesunde Menschenverstand dafür, dass für ein ausgeschaltetes Mobiltelefon nichts anderes gelten kann. Erfreulicherweise sahen das die Kölner Richter ebenso.

Handy-Rücken bleibt also erlaubt! Oder doch nicht? Zweifel sind durchaus angebracht. Jedenfalls sieht für den Betroffenen die Rechtslage besser aus, wenn das Handy ausgeschaltet ist. Hier differenziert sogar das Oberlandesgericht Köln ganz genau. Nimmt der Autofahrer das Handy auf, um es zum Telefonieren einzuschalten und scheitert sein Vorhaben aber, weil der Akku leer ist, liegt ein Verstoß gegen § 23 Absatz 1a StVO vor (Beschluss v. 14.04.2009, Az.: 83 Ss-Owi 032/09).

„Hän die kei Kobl dro?“

Die Frage könnte von einem Streifenpolizisten aus dem Schwabenland stammen, der gerade Autofahrer mit Telefon am Ohr entdeckt hat. Man mag es kaum glauben, welche Geschichten das Leben schreibt: Ein Porschefahrer wurde von der Polizei dabei erwischt, als er sich den Hörer eines mobilen Festnetztelefons ans Ohr hielt und telefonieren wollte. Natürlich war dem Anrufversuch kein Erfolg beschieden. Erfolgreicher waren die Rechtsmittel, die er gegen den Bußgeldbescheid einlegte. Zwar hatte das Amtsgericht Bonn das Bußgeld bestätigt. Aber seine Rechtsbeschwerde vor dem Oberlandesgericht Köln hatte schließlich Erfolg.

Der Argumentation der Bonner Amtsrichter, es käme nicht darauf an, ob man überhaupt mit einem solchen Gerät telefonieren kann, folgten die Richter nicht. Auch der Begründung, ein Verstoß gegen § 23 1a StVO läge bereits vor, weil der Fahrer eine Hand vom Lenkrad genommen hatte, erteilte der 1. Strafsenat eine Absage. Die Richter stellten stattdessen fest: Teile von Mobilfestnetztelefonen sind aufgrund ihres geringen räumlichen Funktionsbereiches im öffentlichen Straßenverkehr nicht geeignet. Für eine Erweiterung des Handy-Verbotes auf Festnetztelefone bestehe kein Anlass. Die Sinnlosigkeit des Telefonier-Versuches müsste sich bereits kurz nach Antritt der Fahrt herausstellen, so dass von längeren Telefonaten hinter dem Steuer, die § 23 Absatz 1a StVO nach seinem Gesetzeszweck verhindern will, gar keine Rede sein könne. Das Geschehen sei außerdem derart ungewöhnlich, dass ein solcher Vorgang kaum praxisrelevant sei (Beschluss v. 22.10.2009, Az.: 82 Ss-OWi 93/09).

Hand-Theorie im Realvergleich

Allerdings wird das mit der Funktionsbereitschaft des Telefons als Kriterium nicht immer so gesehen. Denn nach dem reinen Wortlaut von § 23 Absatz 1a StVO begründet allein das Aufnehmen und Halten eines Mobil- oder Autotelefons einen Verstoß - und zwar unabhängig von der Betriebsbereitschaft des Handys oder Mobiltelefons. Deshalb ist beispielsweise das Amtsgericht Gummersbach der Meinung, dass § 23 Absatz 1a StVO verfassungswidrig ist, da das Handyverbot eine Ungleichbehandlung zu anderen, ähnlich gelagerten Sachverhalten darstellt (Beschluss v. 08.07.2009, Az.: OWi 196/09). Diese Ansicht der Gummersbacher Verkehrsrichter erscheint durchaus nachvollziehbar. Das zeigt ein Vergleich einiger Handyfunktionen mit anderen Gegenständen, die ähnliche Funktionen aufweisen und im Auto benutzt werden dürfen.

Das Ablesen der Uhrzeit auf dem Handy-Display stellt eine Ordnungswidrigkeit dar (OLG Hamm, Beschluss v. 06.07.2005, Az.: 2 Ss OWi 177/05), wohingegen man ungestraft die Uhrzeit von einer Uhr ablesen kann, sei es nun auf einer Taschenuhr, die man eingesteckt hat oder auf Omas Aufzieh-Wecker, der auf dem Beifahrersitz liegt - obwohl man auch hierfür eine Hand vom Lenkrad nehmen muss. Wer an einer roten Ampel mit laufendem Motor eine Landkarte liest, muss keine Sanktionen befürchten. Verwendet man aber in derselben Situation die Navigationsfunktion eines Handys als Orientierungshilfe, wird ein Bußgeld fällig (OLG Köln, Beschluss v. 26.06.2008, Az.: 81 Ss OWi 49/08).

Freispruch bei Freisprechanlage?

Wohl dem, der ein fest installiertes Navi oder eine Freisprechanlage im Auto hat. Hier kann munter auch während der Fahrt die Route gefunden oder telefoniert werden, ohne dass ein Verstoß gegen das Handyverbot droht. Wichtig ist, dass sich das Telefon in einer festen Haltevorrichtung befindet und nicht irgendwo im Auto frei herumliegt. Das gilt auch für ein Headset oder Earset, das über eine Bluetooth-Verbindung mit einem Mobiltelefon verbunden ist, wenn das Telefon selbst im Haltegestell steckt. Nach einem Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart spielt es dann sogar keine Rolle, wenn das Earset wegen einer lockeren Spange mit einer Hand am Ohr festgehalten werden muss (Beschluss v. 16.06.2008, Az.: 1 Ss 187/08).

Allerdings hat es sich damit auch schon mit dem „Freisprechen“. Sogar die Besitzer von Freisprechanlagen sind vor Bußgeldern nicht immer gefeit. Ein Bußgeld droht, sobald das Mobiltelefon aus der Verankerung genommen wird. Das Oberlandesgericht Hamm hat ein Bußgeld für angemessen gehalten, weil ein Autofahrer sein ausgefallenes Autotelefon aus der Haltevorrichtung genommen und die Telefonkarte hin und her geschoben hat, um das Gerät wieder flott zu bekommen (Beschluss v. 23.01.2007, Az.: 2 SS OWi 25/07).

Handy auf Abwegen

Eine feste Haltevorrichtung für das Handy hat einen weiteren Vorteil: Das Telefon kann nicht mehr unter den Sitz rutschen. Genau das ist einem Autofahrer passiert. Als sein Handy unter den Fahrersitz rutschte, hob er es auf. Just in diesem Moment wurde die Polizei auf ihn aufmerksam. Und weil eine Ordnungswidrigkeit nur selten alleine kommt, bekam er nicht nur wegen dem Handy sondern auch wegen des nicht angelegten Gurtes ein Bußgeld in Höhe von 55,- Euro. Natürlich wollte er das nicht auf sich sitzen lassen und zog vor Gericht. Das Oberlandesgericht Bamberg gab ihm Recht. Es lag zumindest kein Verstoß gegen § 23 Absatz 1a StVO vor. Der setzt nämlich voraus, dass die Handhabung des Handys zumindest einen gewissen Zusammenhang zu seinen Funktionen aufweist. Aufheben vom Fußraum allein genügt nicht (Beschluss v. 27.04.2007, Az.: 3 Ss OWi 452/07). Zum Glück, möchte man meinen. Gegen Handys, die in den Fußraum fallen, könnte höchstens eine Anschnallpflicht für Mobiltelefone helfen!

Die Fälle machen deutlich, dass sich auch die Gerichte über das Handy-Verbot nicht immer einig sind. Tendenziell kann man trotzdem zusammenfassen: Schon allein das Aufheben und Halten des Handys oder Autotelefons kann ein Bußgeld nach sich ziehen. Welche Funktionen dabei genutzt werden, spielt keine Rolle. Hinter dem Steuer sollte man besser seine Hände vom Handy lassen. Selbst wenn sein Name allein schon dazu verführt, es in die Hand zu nehmen.

(WEL)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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