Schenkung großer Unternehmensvermögen: Steuerfalle für den Schenker nach § 28a ErbStG?

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Viele Unternehmer wollen ihr Vermögen zu Lebzeiten steuerfrei an Kinder oder Enkel übertragen. Dank § 28a ErbStG scheint das auch bei großen Beträgen möglich – doch droht eine steuerliche Falle: der Fiskus könnte sich an den Schenker halten. Dieser Beitrag zeigt, wie die Regelung funktioniert, wo Risiken liegen und wie man sich als Unternehmer oder Berater absichert.


1. Ausgangslage: Die Reform des Erbschaftsteuerrechts 2016

Das Bundesverfassungsgericht hat 2014 die damalige Verschonung großer Betriebsvermögen bei Erbschaften und Schenkungen als überprivilegierend beanstandet. Der Gesetzgeber reagierte mit einer umfassenden Reform zum 1. Juli 2016. Ab diesem Zeitpunkt wurde die Verschonung an strenge Bedingungen geknüpft – vor allem bei Unternehmensvermögen über 26 Mio. €.

Um zu verhindern, dass ein Erwerber für die anfallende Steuer das Unternehmensvermögen selbst belasten muss, wurde § 28a ErbStG eingeführt. Er ermöglicht einen teilweisen oder vollständigen Steuererlass, wenn der Erwerber selbst kein ausreichendes Vermögen besitzt, um die Steuer zu zahlen. Der Fokus liegt auf dem Schutz der Unternehmenssubstanz – nicht auf einer pauschalen Steuerfreiheit.



2. Was regelt § 28a ErbStG konkret?

§ 28a Abs. 1 ErbStG erlaubt dem Erwerber begünstigten Vermögens (z. B. land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften) einen Steuererlass auf Antrag, wenn er nachweist, dass er die Steuer nicht aus eigenem (nicht begünstigtem) Vermögen aufbringen kann.

Voraussetzungen:

  • Antrag des Erwerbers

  • Nachweis mangelnder eigener Leistungsfähigkeit

  • Kein ausreichendes sonstiges Vermögen außerhalb des begünstigten Betriebsvermögens

In der Praxis bedeutet das: Große Unternehmenswerte können steuerfrei verschenkt werden, wenn der Erwerber formal „arm“ ist. Diese Gestaltung wird häufig aktiv vorbereitet, indem Vermögen bewusst übertragen oder Vermögensverhältnisse so strukturiert werden, dass eine Bedürftigkeit plausibel erscheint.



3. Steuervermeidung oder legitime Gestaltung?

Kritiker wie das Netzwerk Steuergerechtigkeit, Finanzwende und taxmenow halten die Regelung für eine Umgehungsvorschrift. Auch der Hamburger Senat fordert eine Reform.

In der Praxis werden oft Gestaltungen gewählt, bei denen:

  • der Erwerber sein sonstiges Vermögen zuvor überträgt (z. B. an Ehepartner),

  • minderjährige Kinder als Erwerber eingesetzt werden,

  • oder eine Familienstiftung zwischengeschaltet wird,

um die Leistungsfähigkeit formal zu minimieren.

Beispiel:

Ein Unternehmer überträgt sein Firmenvermögen im Wert von 40 Mio. € an sein Kind. Dieses hat kein sonstiges Vermögen und beantragt erfolgreich den Erlass der Schenkungsteuer nach § 28a ErbStG. Das Finanzamt erlässt die Steuer vollständig.

Solche Konstruktionen werden zunehmend kritisch gesehen – insbesondere vor dem Hintergrund des anhängigen Verfahrens 1 BvR 804/22 beim Bundesverfassungsgericht.



4. Die unbeachtete Gefahr: Schenkungsteuer für den Schenker?

Was kaum beachtet wird: Auch der Schenker ist gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG Steuerschuldner. Es handelt sich um eine Gesamtschuldnerschaft zwischen Schenker und Erwerber.

Kommt es zu einem Steuererlass beim Erwerber (wegen fehlender Leistungsfähigkeit), stellt sich die Frage, ob der Schenker dann für die gesamte Steuer haften kann.


Bisher kaum thematisiert:

  • Wer ist bei Steuererlass nach § 28a ErbStG der wirtschaftlich Belastete?

  • Welche Wirkung hat der Erlass auf den anderen Gesamtschuldner (Schenker)?

  • Gibt es eine Möglichkeit, den Schenker aus der Haftung zu nehmen?



5. Die rechtliche Analyse: Gesamtschuldnerschaft und Billigkeitserlass

a) Erlass aus persönlichen Gründen

Der Erlass nach § 28a ErbStG ist ein Billigkeitserlass aus persönlichen Gründen (fehlende Leistungsfähigkeit des Erwerbers). Nach § 44 Abs. 2 Satz 3 AO gilt: Ein Erlass zugunsten eines Gesamtschuldners wirkt nicht automatisch zugunsten des anderen.

Das bedeutet: Der Schenker bleibt vollumfänglich steuerpflichtig, auch wenn der Erwerber erfolgreich den Steuererlass nach § 28a beantragt hat.

b) Keine planwidrige Gesetzeslücke

Die Anwendung des Erlasses auf den Schenker durch Analogie ist nach h.M. nicht möglich. Es liegt keine planwidrige Regelungslücke vor. Der Gesetzgeber wollte gezielt nur den Erwerber verschonen – aus Gründen des Betriebs- und Arbeitsplatzschutzes.



6. Praxisrelevanz für Unternehmer und Berater

a) Schenkungsteuerhaftung des Schenkers

Der Fiskus kann sich im Fall eines Erlasses beim Erwerber voll an den Schenker halten, sofern dieser noch greifbar ist und die Festsetzungsverjährung nicht abgelaufen ist. Dies betrifft vor allem Schenkungen ohne Steuerklauseln oder ohne rechtssichere Rückabwicklungsmöglichkeiten.

b) Kein Erlass für den Schenker

Dem Schenker stehen – anders als dem Erwerber – keine vergleichbaren Erlassregelungen zu. Er kann höchstens einen Antrag auf Stundung (§ 222 AO) oder auf Billigkeitserlass (§ 227 AO) stellen. Letzteres wird in der Praxis jedoch selten gewährt.

c) Rückabwicklung der Schenkung

Eine Rückabwicklung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist nur möglich, wenn eine entsprechende Steuerklausel im Schenkungsvertrag enthalten ist. Alternativ kann in Extremfällen eine Anpassung nach § 313 BGB geprüft werden. Ohne Rücktrittsrecht oder vertragliche Rückabwicklungsklausel drohen erhebliche steuerliche Risiken.



7. Handlungsempfehlung: So vermeiden Sie das Risiko

  • Vertraglich absichern: Steuerklauseln in Schenkungsverträge aufnehmen, die eine Rückabwicklung bei nachträglicher Steuerbelastung vorsehen

  • Transparenz herstellen: Leistungsfähigkeit des Erwerbers umfassend dokumentieren

  • Gestaltung offenlegen: Vertrauensschutz durch rechtssichere und steuerlich überprüfbare Strukturen

  • Planung mit Augenmaß: Keine Gestaltungen mit „künstlicher“ Vermögenslosigkeit ohne steuerliche Risikoanalyse

  • Beratung durch Fachanwalt und Steuerberater: Gerade bei größeren Unternehmenswerten unabdingbar



8. Fazit: Der Schenker haftet schneller als gedacht

§ 28a ErbStG soll die Betriebsfortführung sichern und die Steuerlast für „arme“ Erwerber reduzieren. Doch das Gesetz birgt eine versteckte Haftungsfalle für den Schenker.

Wer großes Unternehmensvermögen steuerfrei übertragen möchte, muss die Auswirkungen der Gesamtschuldnerschaft im Blick behalten.

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FAQ – Häufige Fragen zu § 28a ErbStG

Kann ich durch § 28a ErbStG Betriebsvermögen völlig steuerfrei verschenken?


Ja – unter engen Voraussetzungen. Der Erwerber darf über kein nennenswertes eigenes Vermögen verfügen und muss die Steuerbelastung aus begünstigtem Vermögen vermeiden.

Gilt der Steuererlass nach § 28a ErbStG auch für den Schenker?

Nein. Der Erlass wirkt ausschließlich zugunsten des Erwerbers. Der Schenker bleibt als Gesamtschuldner steuerpflichtig.

Was passiert, wenn der Erwerber einen Steuererlass erhält – haftet dann der Schenker?

Ja. Das Finanzamt kann den Schenker voll in Anspruch nehmen, solange die Festsetzungsverjährung nicht eingetreten ist.

Kann ich als Schenker einen Billigkeitserlass beantragen?

Grundsätzlich ja, aber die Anforderungen sind hoch. In der Praxis wird ein Erlass für den Schenker nur selten gewährt.

Wie kann ich mich als Unternehmer gegen dieses Risiko absichern?

Durch vorausschauende Vertragsgestaltung mit Steuerklausel, professionelle Beratung und – falls notwendig – durch Rückabwicklungsmöglichkeiten im Vertrag.

Was bedeutet die aktuelle Verfassungsbeschwerde (1 BvR 804/22)?

Sie betrifft die Frage, ob § 28a ErbStG weiterhin mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar ist. Sollte das BVerfG die Vorschrift für verfassungswidrig erklären, könnten Rückabwicklungen, Steuerforderungen oder Gesetzesänderungen folgen.

Foto(s): @urherberlos


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