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Stellenanzeige: Ist Suche nach Berufseinsteigern zulässig?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Bevor Arbeitgeber eine Stelleanzeige erstellen, überlegen sie sich natürlich genau, welche Anforderungen sie an die Bewerber stellen. Gesucht werden unter anderem „Young Professional“, „Senior Professional“, „Junior Consultant“, Berufsanfänger oder Berufseinsteiger. Doch was bedeutet das? Dürfen sich z. B. nur junge Arbeitssuchende auf eine Stelle für Berufseinsteiger bewerben? Können ältere Arbeitssuchende daraufhin eine Entschädigung vom Arbeitgeber wegen Altersdiskriminierung verlangen?

Streit um Inhalt einer Stellenanzeige

Ein IT-Unternehmen suchte per Stellenanzeige einen „Young Professional“, also einen Absolventen oder Berufseinsteiger, sowie einen „Senior Professional“, der bereits über einschlägige Berufserfahrung verfügen sollte. Beide Gesuche sollten sich – erkennbar an dem Kürzel „(m/w)“ – sowohl an männliche als auch an weibliche Bewerber richten.

Eine 1961 geborene Frau bewarb sich das erste Mal im Dezember 2012 auf beide Stellen. Trotz einer Absage des Arbeitgebers am 03.01.2013 bewarb sie sich im Dezember 2013 erneut erfolglos. Daraufhin zog die studierte Informatikerin vor Gericht – sie fühlte sich aufgrund der beiden Absagen wegen ihres Alters und Geschlechts diskriminiert und verlangte daher im Jahr 2014 eine Entschädigung nach § 15 II Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Der Arbeitgeber wies die Vorwürfe jedoch zurück. Er habe die Frau mangels fachlicher Eignung abgelehnt – die Kenntnisse und Fähigkeiten der Informatikerin seien veraltet gewesen oder hätten für die zu besetzenden Stellen keine Relevanz gehabt.

Positionen beschreiben Hierarchiestruktur

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg wies sämtliche Ansprüche der Informatikerin zurück.

Geltendmachungsfrist nicht eingehalten

So war der Entschädigungsanspruch bezüglich der ersten Bewerbung bereits verfallen. Nach § 15 IV AGG muss der Anspruch nämlich innerhalb von zwei Monaten ab dem Zugang der Ablehnung bzw. ab Kenntnis der Benachteiligung geltend gemacht werden. Obwohl die Arbeitssuchende bereits Anfang Januar 2013 eine Absage erhalten hatte, machte sie ihre Ansprüche erst nach über einem Jahr – und damit verspätet – geltend.

Objektive Eignung für die Tätigkeit?

Bezüglich der zweiten Bewerbung hat die Arbeitssuchende die Geltendmachungsfrist zwar eingehalten, allerdings war für das Gericht keine Diskriminierung erkennbar. So hatte die Frau keine weniger günstige Behandlung als andere Personen in einer vergleichbaren Situation erfahren. Zwar war ihr – im Gegensatz zu anderen Bewerbern – die Chance auf ein Vorstellungsgespräch vorenthalten worden. Es lag aber keine vergleichbare Situation vor – die Informatikerin war für die zu besetzende Stelle nämlich objektiv gar nicht geeignet. Zwar hatte die Frau tatsächlich ein Informatikstudium abgeschlossen – ihre Kenntnisse waren mittlerweile aber teilweise veraltet oder für die betreffenden Tätigkeitsbereiche unwichtig.

Keine Diskriminierung ersichtlich

Ferner hatte die Frau keine Indizien vorgetragen, die eine Diskriminierung wegen des Geschlechts oder des Alters nahelegen. Zwar wurde im Anzeigentext nur die männliche Sprachform verwendet. Aufgrund des Klammerzusatzes „(m/w)“ zu Beginn des Stellengesuchs war aber deutlich erkennbar, dass sich dieses auch an Frauen richten sollte.

Darüber hinaus hatte die Informatikerin die Absagen aufgrund ihrer mangelnden Fähigkeiten, nicht aufgrund ihres Alters erhalten. Zwar wurde ein „Young Professional“ gesucht – aber nicht automatisch auch ein junger Akademiker. „Young“ bedeutet wörtlich übersetzt zwar „jung“, knüpft im Zusammenhang mit einer betrieblichen Position aber nicht an das Alter, sondern an die Stellung in der Hierarchieebene des Arbeitgebers an. Das bedeutet, ein „Young Professional“ trägt relativ wenig Verantwortung im Unternehmen und ist einem Vorgesetzten, z. B. einem „Senior Professional“, unterstellt. Dieser muss aber nicht zwangsläufig auch älter sein.

Des Weiteren ist der Begriff „Berufseinsteiger“ in einer Stellenanzeige altersneutral. So kann z. B. auch ein Langzeitstudent, der seinen Abschluss erst im vorgerückten Alter gemacht hat, oder ein Quereinsteiger, der jahrelang einen anderen Beruf ausgeübt hat, Berufseinsteiger sein. Anderes gilt bei dem Begriff „Berufsanfänger“. Hier wird deutlich, dass der Arbeitgeber nur Bewerber erwartet, die gerade ins Berufsleben starten und über keine Berufserfahrung verfügen. Diese Anforderung dürfte nicht in eine Stellenanzeige aufgenommen werden.

Die Formulierungen in den beiden Stellengesuchen waren damit zulässig und indizierten keine Alters- bzw. Geschlechtsdiskriminierung.

(LAG Nürnberg, Urteil v. 27.11.2015, Az.: 3 Sa 99/15)

„Junior Consultant“ gesucht

Etwa zu derselben Zeit wie das LAG Nürnberg hatte auch das LAG Baden-Württemberg eine Stellenzeige auf dem Richtertisch liegen. Hier hatte ein Arbeitgeber einen „Junior Consultant (m/w)“ gesucht, also einen Berufseinsteiger mit erster Berufserfahrung. Ein Rechtsanwalt, der bereits seit 1988 eine eigene Kanzlei betrieb, klagte wegen Altersdiskriminierung vor Gericht auf eine Entschädigungszahlung, nachdem seine Bewerbung erfolglos geblieben war.

Mangels Altersdiskriminierung blieb der Anwalt vor Gericht jedoch erfolglos. Das Alter spielt beim „Junior Consultant“ nämlich keine Rolle. Wie auch beim oben genannten Begriff „Young Professional“ spiegelt die Bezeichnung „Junior Consultant“ vielmehr wider, dass der Bewerber innerhalb der Unternehmenshierarchie eher eine Position mit einem niedrigeren Rang und wenig Verantwortung erhalten wird. Dabei kann es natürlich passieren, dass der Vorgesetzte entweder gleich alt oder gar jünger ist als der ihm unterstellte „Junior Consultant“.

(LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 19.11.2015, Az.: 6 Sa 68/14)

Fazit: Immer häufiger verwenden deutsche Unternehmen englische Tätigkeitsbezeichnungen, um die Hierarchieebene zu strukturieren. Auch wenn die Begriffe Wörter wie z. B. „Junior“ oder „Young“ enthalten, ist nicht unbedingt das Alter des Bewerbers bzw. Mitarbeiters maßgeblich. Mit ihnen kann auch nur die Position des (zukünftigen) Mitarbeiters im Unternehmen aufgezeigt werden.

(VOI)

Foto(s): ©Fotolia.com

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