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Arbeit für kirchliche Arbeitgeber – Religionszugehörigkeit keine generelle Voraussetzung

  • 4 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion
  • Kirchen und andere Religionsgemeinschaften dürfen bei der Besetzung von Stellen nicht per se auf einer Religionszugehörigkeit bestehen.
  • Betroffene können eine mögliche Diskriminierung durch Gerichte überprüfen lassen.
  • Diese müssen jeweils im Einzelfall feststellen, ob die Art der beruflichen Tätigkeit oder deren Umstände eine Religionszugehörigkeit objektiv gebietet.

Die Kirchen zählen zu den größten Arbeitgebern in Deutschland. Das Grundgesetz garantiert ihnen insbesondere bei der Beschäftigung ihrer Mitarbeiter weitgehende Freiheiten. Kirchen und andere Religionsgemeinschaften können jedoch nicht für jede Tätigkeit von Mitarbeitern eine entsprechende Religionszugehörigkeit bzw. ein Bekenntnis verlangen, wie der Europäische Gerichtshof entschied.

Warum entschied der EuGH?

Grund für die EuGH-Entscheidung war ein sogenanntes Vorabentscheidungsersuchen des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Solche Gerichte müssen, wenn es sich dabei um ein letztinstanzliches Gericht wie das BAG im Arbeitsrecht handelt, bei Zweifeln über die Auslegung von EU-Recht den EuGH befragen. Dessen Antwort soll eine einheitliche Anwendung des EU-Rechts in der gesamten Europäischen Union sicherstellen.

Konkret ging es in diesem Fall um die Auslegung der auch als Antidiskriminierungsrichtlinie bezeichneten Richtlinie zur Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (2000/78/EG). Demnach müssen die Mitgliedsstaaten für einen angemessenen Schutz vor Diskriminierung sorgen. Menschen dürfen danach unter anderem nicht wegen ihrer Religion diskriminiert werden. Die EU-Mitgliedsländer müssen den Inhalt solcher EU-Richtlinien in ihrem nationalen Recht umsetzen. In Deutschland ist das im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erfolgt.

Allerdings lässt die Richtlinie und das weitere EU-Recht Ausnahmeregelungen zu, um nationale Besonderheiten zu berücksichtigen. Eine solche bildet in Deutschland das sogenannte Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften. Diese dürfen danach Beschäftigte, wozu auch Bewerber zählen, hinsichtlich der Religion unterschiedlich behandeln. Das wird ihnen durch das Grundgesetz garantiert.

Zu den Religionsgemeinschaften zählen insbesondere die Kirchen. Sie dürfen deshalb ihre Angelegenheiten selbst bestimmen wie insbesondere die Regeln zur Beschäftigung ihrer Mitarbeiter. Inwieweit diese Ausnahme gilt, musste nun der EuGH auf Nachfrage des BAG klären. 

Weshalb entschied der EuGH?

Anlass dafür war die Klage einer Frau, die sich erfolglos auf eine Stelle beim Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung e. V. beworben hatte. Das Werk ist eine Einrichtung der Evangelischen Kirche. Weil die Frau konfessionslos war und nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurde, vermutete sie eine Diskriminierung aufgrund ihrer Religion. Sie verlangte deshalb vom Werk eine im AGG geregelte Entschädigung. Dagegen berief sich die Einrichtung auf die Ausnahme im AGG.

Was entschied der EuGH?

Die Ausnahme gilt der Richtlinie zufolge für berufliche Tätigkeiten innerhalb von Kirchen und anderen öffentlichen oder privaten Organisationen, deren Ethos auf religiösen Grundsätzen oder Weltanschauungen beruht. Mit Blick auf das Ethos muss die Religion oder die Weltanschauung von Beschäftigten nach der Art dieser Tätigkeiten oder den Umständen ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellen.

Insofern machte der EuGH klar, dass diese Ausnahme der staatlichen Kontrolle unterliegt. Unabhängige staatliche Gerichte müssen die Frage einer Ungleichbehandlung wegen der Religion oder Weltanschauung überprüfen können.

Auch inwieweit die Gerichte überprüfen dürfen, steht nun fest. Entscheidend ist zunächst wie nahe die Art und die Umstände der Tätigkeit mit dem Ethos zusammenhängen. Wer dieses mitbestimmt oder es z. B. als Priester verkündet, ist anders zu beurteilen als Mitarbeiter, die im Rahmen ihrer Tätigkeit nur wenig zu tun haben.

Die weiteren Kriterien wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung sind laut EuGH wie folgt zu verstehen.

  • Eine wesentliche Anforderung liegt vor, wenn die Zugehörigkeit zu der Religion bzw. das Bekenntnis zu der Weltanschauung für die berufliche Tätigkeit notwendig ist.
  • Rechtmäßig bedeutet, dass die Kirchen und Organisationen mit der Ausnahme keine anderen Zwecke als ihr Selbstbestimmungsrecht verfolgen dürfen.
  • Damit eine Anforderung gerechtfertigt ist, müssen sie zudem im Einzelfall darlegen, dass die Einschränkung tatsächlich notwendig ist.
  • Insgesamt muss die Anforderung zudem verhältnismäßig sein. Gerichte müssen insofern überprüfen, ob sie zum Schutz des Ethos geeignet, erforderlich und angemessen sind.

Im Ergebnis können Kirchen sich künftig nicht mehr einfach auf die Ausnahme berufen. Die Religionszugehörigkeit muss hinsichtlich der Art und Umstände der beruflichen Tätigkeit objektiv geboten sein und Kirchen dürfen damit keine sachfremden Ziele verfolgen. 

Klar ist nun auch, was für Ausnahmen im nationalen Recht wie der im deutschen AGG gilt: Steht die Ausnahme der Entscheidung eines Gerichts nach den vom EuGH genannten Grundsätzen entgegen, muss es sie unangewendet lassen.

Wie könnte das Bundesarbeitsgericht entscheiden?

Das Bundesarbeitsgericht wird nun anhand dieser Antworten weiter über den Fall entscheiden. Für die Stelle, auf die sich die Frau beworben hatte, spielt die Religionszugehörigkeit vermutlich keine derart entscheidende Rolle, wie sie der EuGH verlangt. Es ging um eine befristete Referentenstelle für ein Projekt, das die Erstellung des Parallelberichts zum Internationalen Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung zum Gegenstand hatte.

(EuGH, Urteil v. 17.04.18, Az.: C-414/16)

(GUE)

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