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Baumängel beweisen, aber Wohnung tabu

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Christian Günther anwalt.de-Redaktion

[image]Bei Baumängeln schafft oft erst ein Blick in die Bausubstanz Gewissheit. Sogenannten Bauteilöffnungen zu Beweiszwecken stehen aber nicht nur in Wohnungen rechtliche Hürden entgegen.

Sachverständige und selbstständiges Beweisverfahren

Angeblicher Pfusch am Bau ist ein häufiger Grund für Gerichte, einen Sachverständigen einzuschalten. Drohen weitere Baufortschritte die Feststellung von Baumängeln zu erschweren, erfolgt in der Regel auch ein selbstständiges Beweisverfahren. Zweck des Ganzen ist die vorsorgliche Beweiserhebung. Es dient nicht nur zur Feststellung der Mangelursache, sondern auch zur Ermittlung möglicher Kosten einer Mängelbeseitigung. Dabei kann ein selbständiges Beweisverfahren sogar vor Erhebung einer späteren Klage erfolgen. In diesem Fall schreibt die Zivilprozessordnung (ZPO) aber die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen auf Antrag einer Partei vor. Betroffene müssen die daraufhin gerichtlich angeordnete Begutachtung normalerweise dulden. Ausnahmen gelten im Falle unzumutbarer Beeinträchtigungen oder bei bestehendem Zeugnisverweigerungsrecht.

Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung

Betrifft eine Begutachtung und Inaugenscheinnahme allerdings den privaten Lebensbereich, stößt die Beweiserhebung auf das Grundgesetz (GG) – konkret auf Art. 13 GG. Dessen erster Absatz lautet: „Die Wohnung ist unverletzlich.“ Danach folgt der Hinweis auf die für eine Durchsuchung notwendige richterliche Anordnung. Des Weiteren werden Fälle genannt, in denen ein Eingriff in die Unverletzlichkeit der Wohnung erlaubt ist, etwa das Abhören bei Verdacht auf eine besonders schwere Straftat oder zur Abwehr dringender Gefahren. Einschränkungen des Grundrechts sind im Übrigen nur in besonderen Gefahrenlagen zulässig.

Ein Zutrittsrecht zum Zweck der Beweiserhebung im Zivilprozess ist daher ausgeschlossen. Zur Verdeutlichung steht in § 144 Abs. 1 ZPO , dass eine gerichtlich angeordnete Begutachtung oder Inaugenscheinnahme zwar zu dulden ist. Allerdings nur, sofern nicht eine Wohnung betroffen ist. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat deshalb zuletzt eine Rechtsbeschwerde in einem Baurechtsstreit abgelehnt. Demnach sollten auf Antrag von Miteigentümern an einem Gebäude mit Eigentumswohnungen Bauteilöffnungen erfolgen. Angeblich waren Bauunternehmen und Architekt Fehler unterlaufen. Die Öffnungen betrafen unter anderem den Flachdachanschluss einer Wohnung und die Decke des Fahrradkellers. Eine Wohnungseigentümerin und die Wohnungseigentümergemeinschaft lehnten das jedoch ab.

Nicht nur Wohnung besonders geschützt

Zu Recht, wie der BGH entschied. Denn zum einen steht das Grundrecht nicht nur natürlichen Personen, sondern auch juristischen Personen sowie sonstigen privatrechtlichen Personenvereinigungen zu. Insofern konnte sich also auch die Wohnungseigentümergemeinschaft auf Art. 13 GG berufen.

Zudem schützt das Grundrecht nicht nur Wohnungen im eigentlichen Sinn. Geschützt ist vielmehr der gesamte räumliche Bereich, in dem Privatleben stattfindet. Damit zählen neben Räumlichkeiten zum Zweck des Aufenthalts und der Arbeit insbesondere auch Nebenräume. Konkret gehören somit nicht nur Geschäfts- und Büroräume, sondern z. B. auch Keller, Speicher, Garagen und Treppen zum Wohnungsbegriff. Nicht zuletzt ist auch freies Gelände geschützt, wenn es angrenzt und umschlossen ist wie etwa ein Garten. Letztendlich ist somit der gesamte nicht-öffentliche Bereich, der privaten Zwecken dient, geschützt. Dazu zählt im Wohnungseigentumsbereich auch das Gemeinschaftseigentum.

(BGH, Beschluss v. 16.05.2013, Az.: VII ZB 61/12)

(GUE)

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