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Das letzte Wort des Angeklagten – oder hat es doch der Richter?

  • 2 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

Die meisten Menschen kennen das aus Filmen und Gerichtsshows im Fernsehen: Gegen Ende eines Strafverfahrens bekommt der Angeklagte das sogenannte „letzte Wort“.

Damit ist allerdings das wirklich letzte Wort im Verfahren noch nicht gesprochen, denn das verkündet vielmehr der Richter in Form seines Urteils. Und selbst danach können – durch Einlegung von Rechtsmitteln wie Berufung oder Revision – noch viele weitere Worte gewechselt werden.

Letztes Wort vor Beratung über das Urteil

Gemeint ist mit dem letzten Wort nach § 258 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) vielmehr, dass die letzte Äußerung vor der Urteilsberatung nicht etwa von der Staatsanwaltschaft, der Verteidigung oder anderen Beteiligten kommen darf.

Vielmehr muss sich der Angeklagte zu allem äußern können, was in das Verfahren eingebracht wurde. Dazu gehören neben der verlesenen Anklageschrift und der Beweisaufnahme mit Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen vor allem auch die Plädoyers von Staatsanwalt und einem etwaigen Strafverteidiger.

Geschützter Anspruch auf rechtliches Gehör

Ein Schlussvortrag des Verteidigers ersetzt dabei nicht das letzte Wort des Angeklagten. Auch in einem Berufungs- oder Revisionsverfahren ist ihm wieder entsprechend das letzte Wort zu gewähren. Hier richtet sich der Anspruch nach § 326 StPO bzw. § 351 StPO.

So soll der Anspruch des Angeklagten auf rechtliches Gehör aus Artikel 103 Grundgesetz (GG) sichergestellt werden. In der Regel ist sein letztes Wort allerdings eher kurz und lautet nicht selten, dass er nichts mehr zu sagen habe oder sich den Ausführungen seines Verteidigers anschließe.

Verfahrensverstoß kann Revisionsgrund sein

Geben danach allerdings andere Verfahrensbeteiligte noch irgendwelche – sei es auch nur kurze – Erklärungen ab, ist dem Angeklagten das letzte Wort erneut zu erteilen. Fehler in Bezug auf die Gewährung des letzten Wortes stellen einen Revisionsgrund dar, zumindest wenn das Urteil ohne sie möglicherweise anders ausgegangen wäre.

Darauf setzte wohl auch ein vom Landgericht (LG) Münster verurteilter Mann. Er rügte in seiner Revision unter anderem, dass er in seinem Recht auf das letzte Wort verletzt worden sei.

Tatsächlich hatte der vorsitzende Richter am Ende der Verhandlung, nachdem der Angeklagte sein letztes Wort abgegeben hatte, noch einmal mit den Worten gefragt: „Und das ist, was sie uns sagen möchten?“ Darauf hatte der Angeklagte wohl keine Antwort mehr gegeben.

Nachfrage führt nicht zur Urteilsaufhebung

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm sah in der Angelegenheit keine Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Nachfrage des Vorsitzenden beschäftigte sich nicht mehr mit der Sache selbst und stellte auch keine Kommentierung des Schlussvortrags dar.

Vielmehr sollte so lediglich sichergestellt werden, dass der Angeklagte wirklich das letzte Wort gehabt hatte und dass er alles losgeworden war, was er noch dazu sagen wollte. Vor diesem Hintergrund verwarf das OLG die Revision des Angeklagten als unbegründet.

Fazit: Wird einem Angeklagten das ihm zustehende letzte Wort verwehrt, kann das zur Aufhebung eines Strafurteils führen. Dafür muss das Urteil zwar auch auf dem Verfahrensverstoß beruhen, davon wird aber regelmäßig ausgegangen.

(OLG Hamm, Beschluss v. 05.04.2016, Az.: III-4 RVs 27/16)

(ADS)

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