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Eigenbedarfskündigung wegen Betreuung der Eltern?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Je älter man wird, umso schwerer fallen bestimmte Tätigkeiten. Dennoch wollen alte Menschen verständlicherweise mit dem Umzug ins Alten- oder Pflegeheim warten, so lange es geht. Lieber wird Essen auf Rädern bestellt oder eine ambulante Pflegekraft angeheuert. Oft kümmern sich auch die eigenen Kinder um ihre pflegebedürftigen Eltern. Doch darf ein Mietvertrag nur deshalb wegen Eigenbedarfs gekündigt werden, damit sich der Vermieter um seine Eltern kümmern kann?

Widerspruch gegen Eigenbedarfskündigung

Die Eigentümerin einer vermieteten Immobilie kümmerte sich regelmäßig um ihre Eltern. So machte sie mit ihnen Ausflüge und fuhr sie unter anderem zum Arzt, zum Friseur und zum Einkaufen. Obwohl sie in der Nähe wohnte, war sie der Ansicht, dass es praktischer sei, wenn sie und ihr Sohn im gleichen Haus wie ihre Eltern leben. Schließlich könne sich ihre Mutter nicht immer um deren Mann kümmern, z. B. wenn sie selbst mal ins Krankenhaus muss. Aus diesem Grund kündigte sie ihren ebenfalls dort wohnenden Mietern wegen Eigenbedarfs.

Die jedoch wehrten sich gegen die Kündigung. Die Eltern ihrer Vermieterin seien nicht so pflegebedürftig, dass die Vermieterin in das gleiche Haus ziehen müsse. So hätten sie deren 92-jährigen Vater vor Kurzem noch beim Autofahren gesehen und beide Rentner beim Einkaufen getroffen. Auch könne die 78-jährige Mutter der Vermieterin ihren Mann noch ausreichend versorgen und bekochen – ein Pflegedienst oder Essen auf Rädern sei nicht nötig. Seit Abschluss des Mietvertrags im Jahr 2012 habe sich der gesundheitliche Zustand der Eltern im Übrigen nicht geändert. Der Streit der Parteien endete vor Gericht, als die Vermieterin die Räumung der Wohnung verlangte.

Mieter müssen nicht ausziehen

Das Amtsgericht (AG) Recklinghausen hielt die Kündigung wegen Eigenbedarfs für unwirksam – die Mieter mussten daher nicht aus der Wohnung ausziehen.

Wer ein Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs kündigen möchte, muss einige Voraussetzungen erfüllen. So muss der Vermieter unter anderem die Wohnung für sich oder einen Familien- bzw. Haushaltsangehörigen benötigen und ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses haben.

Kein dringender Pflegebedarf

Ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses fehlte im vorliegenden Fall. Das Gericht wies darauf hin, dass die Vermieterin nicht dargelegt hatte, dass sie und ihr Sohn die Wohnung dringend benötigen. Zwar hat sie erklärt, ihren Vater pflegen zu müssen – was ihr wiederum leichter fallen würde, wenn sie in demselben Haus lebe. Allerdings konnte sich ihre 78-jährige Mutter noch ausreichend um ihren 92-jährigen Vater kümmern. Selbst Essen auf Rädern oder ein ambulanter Pflegedienst musste nicht in Anspruch genommen werden.

Es fehlte somit an konkreten Angaben, warum die Vermieterin unbedingt im gleichen Haus wie ihre Eltern leben muss und wie genau ihre Pflegetätigkeit aussehen würde. So wohnt sie ohnehin in der Nähe, weshalb sie nicht allzu weit fahren muss, um ihre Eltern zu besuchen und diese ab und zu zum Arzt oder Friseur zu fahren.

Auch rechtfertigt allein die Möglichkeit, dass die Mutter den pflegebedürftigen Vater der Vermieterin z. B. aufgrund eines Krankenhausaufenthalts einmal nicht versorgen kann, keine Eigenbedarfskündigung. Nötig ist vielmehr ein konkreter Sachverhalt, der eine Betreuungsgewährleistung durch die Vermieterin erfordert. Ein solcher lag zur Zeit der Eigenbedarfskündigung nicht vor. Die Vermieterin hat nur pauschal behauptet, ihre Eltern unterstützen zu müssen.

Letztlich war bereits zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses bekannt, dass die Eltern Unterstützung benötigen. Dennoch wurde die betreffende Wohnung im Haus vermietet, ohne die Mieter darüber aufzuklären, dass die Vermieterin dort selbst einziehen will, wenn sich der Gesundheitszustand ihrer Eltern verschlechtert. Auch aus diesem Grund war eine Kündigung wegen Eigenbedarfs unzulässig.

Fazit: Eine Eigenbedarfskündigung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Insbesondere muss der Vermieter ein berechtigtes Interesse am Ende des Mietverhältnisses haben. Das kann z. B. der Fall sein, wenn die Eltern, die im gleichen Haus wie der Mieter leben, pflegebedürftig werden. Allerdings muss der Vermieter dann konkret darlegen, welche Pflegetätigkeit er übernimmt und warum er zwingend in die Mietwohnung einziehen muss.

(AG Recklinghausen, Urteil v. 03.02.2016, Az.: 12 C 299/15)

(VOI)

Foto(s): ©Fotolia.com

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