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Flucht aus dem Gefängnis: Welche Konsequenzen in Deutschland drohen

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Flucht aus dem Gefängnis: Welche Konsequenzen in Deutschland drohen
anwalt.de-Redaktion

Immer wieder sorgen sie für Schlagzeilen: Straftäter, die mit teils spektakulären und oft brutalen Methoden versuchen, aus der Haft zu entkommen – mehr oder weniger erfolgreich. In Deutschland ist ein Gefängnisausbruch erstaunlicherweise noch nicht einmal eine Straftat. Doch bevor Sie wie Michael Scofield in der Serie „Prison Break“ Fluchtpläne schmieden, sei gesagt: Die Sache hat einen Haken. 

Warum ist ein Gefängnisausbruch nicht strafbar?

Das hat seinen Ursprung im Rechtsverständnis des 19. Jahrhunderts und im Menschenbild Immanuel Kants. Der Mensch habe von Natur aus einen Drang nach Freiheit. Daher werde er immer danach streben, diese Freiheit wiederzuerlangen. Das ist auch in Artikel 2 des Grundgesetzes verankert: „[…] Die Freiheit der Person ist unverletzlich.“  

Aus diesem Grund stellt die Rechtsordnung in Deutschland, sowie auch in Österreich, der Schweiz, Belgien oder Mexiko, das Entweichen, wie der Ausbruch aus dem Gefängnis juristisch genannt wird, nicht per se unter Strafe. Mit dieser Auffassung stehen diese Länder jedoch relativ allein. In den meisten Staaten ist die Flucht aus dem Gefängnis oder auch schon der Versuch strafbar. 

Der Straftatbestand der „Entweichung“ oder der „Flucht aus der Haft“ existiert daher im deutschen Rechtssystem nicht. Nicht strafbar macht sich allerdings nur, wer bei seiner Flucht keine sogenannte strafbare Begleittat begeht.  

Denn das Grundrecht des Einzelnen auf Freiheit findet dort seine Grenzen, wo die Rechte anderer eingeschränkt oder verletzt werden. Strafbare Begleittaten sind alle Straftaten, die jemand begeht, um sein eigentliches Ziel – hier die Flucht – zu erreichen. Es wäre also eine strafbare Begleittat, wenn Inhaftierte bei einem Ausbruch Sachbeschädigungen verüben, indem sie Gitter oder Mauern zerstören, wenn sie Diebstähle begehen, z. B. Kleidung oder ein Fluchtfahrzeug, oder wenn sie Personen bedrohen, als Geiseln nehmen, verletzen oder töten. 

Wenn ein Gefangener also einfach durch die unverschlossenen Gefängnistore spaziert und zu Fuß flieht, drohen ihm in Deutschland keine strafrechtlichen Konsequenzen wie ein erneuter Prozess. Da ein solches Szenario aber unwahrscheinlich ist, machen sich Ausbrecher in der Regel dennoch strafbar.  

Dass dies zwar selten, aber nicht unmöglich ist, zeigte ein verurteilter Mörder, der Anfang 2023 durch ein Fenster aus dem Amtsgericht Regensburg flüchtete. Er wurde wenig später in Frankreich festgenommen. Da bei seiner Flucht niemand zu Schaden kam und er auch sonst nicht gegen Gesetze verstieß, blieb die Aktion strafrechtlich ohne Folgen. 

Welche Folgen hat ein Gefängnisausbruch?

Konsequenzen hat ein Fluchtversuch in jedem Fall. Den Ausbrecher erwarten gefängnisinterne Sanktionen wie: 

  • verschärfte Haftbedingungen 

  • Verlegung 

  • eingeschränkte Besuchsrechte 

  • Isolationshaft 

  • Streichung von Lockerungen – keine vorzeitige Haftentlassung

Ein Gefängnisausbruch stellt einen Verstoß gegen die Hausordnung der jeweiligen Justizvollzugsanstalt (JVA) dar. Daher sollen derartige Maßnahmen zukünftige Fluchtversuche verhindern. Um Strafen für die begangene Flucht handelt es sich aus rechtlicher Sicht jedoch nicht. 

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Wie werden Fluchthelfer bestraft?

Der Versuch, aus der Haft zu entkommen, bleibt aufgrund des menschlichen Freiheitsdrangs für den Einzelnen straffrei. Wer jedoch der Freiheit eines anderen auf die Sprünge hilft, begeht eine Straftat. Dies ist der Straftatbestand der Gefangenbefreiung: „Wer einen Gefangenen befreit, ihn zum Entweichen verleitet oder dabei fördert, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“ (§ 120 Abs. 1 Strafgesetzbuch, StGB). Schon der Versuch ist strafbar. Ein Gefangener in diesem Sinne ist jeder, der sich auf behördliche Anordnung in einer Strafvollzugsanstalt befindet, also auch Personen in Untersuchungshaft oder vorläufig Festgenommene. Handelt es sich bei den Fluchthelfern um Amtsträger oder um für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete, droht denjenigen sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. 

Dritte, die einem Gefangenen bei der Flucht behilflich sind, können auch wegen Strafvereitelung (§ 258 StGB) belangt werden. Strafvereitelung begeht, wer absichtlich oder wissentlich ganz oder zum Teil vereitelt, dass ein anderer dem Strafgesetz gemäß wegen einer rechtswidrigen Tat bestraft wird beziehungsweise wer die Vollstreckung einer gegen einen anderen verhängten Strafe vereitelt. Die Tat wird mit einer Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft. 

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Spektakuläre Gefängnisausbrüche in Deutschland

Filmreife Ausbrüche und Befreiungsversuche gab es in der Vergangenheit immer wieder – auch in Deutschland. Dreistigkeit siegt: Das war offenbar das Motto des Mannes, der 2013 aus der JVA Dresden floh. Er gab sich als ein Mithäftling aus, der entlassen werden sollte und ihm ähnlich sah. Die Vollzugsbeamten durchschauten den Schwindel nicht und ließen den Gefangenen passieren. 

Buchstäblich schwere Geschütze wurden 1993 im hessischen Schwalmstadt aufgefahren: Dort befreiten Komplizen einen wegen Mordes verurteilten Insassen mithilfe eines gestohlenen Bundeswehrpanzers. Sie durchbrachen mehrere Gefängnistore und gelangten in den Innenhof. Dem Insassen, der gerade Hofgang hatte, gelang mit dieser Mitfahrgelegenheit der etwas anderen Art die Flucht. Drei Monate später endete sie jedoch. 

Einmal ist keinmal, dachte sich wohl ein Häftling, dem 2004 bereits zum dritten Mal die Flucht aus der JVA Mannheim gelang. Er schaffte es, einen Steinquader aus der Wand seiner Zelle zu stemmen. Den Mörtel kratzte er zuvor mit seinem Essbesteck ab. Die Gefängnismauer überwand er mithilfe einer selbst gebauten Leiter und machte sich davon. 

Gefängnisausbrüche, die international für Aufsehen sorgten

Die Haftanstalt Horsens in Dänemark machte 1949 Schlagzeilen – als Alcatraz Europas. Dort gelang es einem Dieb und Ausbrecherkönig, sich mit einem Löffel den Weg in die Freiheit zu bahnen. Insgesamt 18 Meter lang war der Tunnel, den der Wiederholungstäter elf Monate lang grub. Humor bewies er mit einem Zettel, den er den Wärtern in seiner Zelle zurückließ. Darauf stand: „Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.“ 

Dieselbe Fluchtmethode wählte auch ein inhaftierter Drogenboss, dem 2015 die Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis in Mexiko gelang. Allerdings machte er sich nicht selbst die Hände schmutzig. Den fast zwei Kilometer langen Fluchttunnel gruben vielmehr Mitglieder seines Kartells in monatelanger Arbeit. Auf einem Motorrad, das unter der Erde für ihn bereitstand, fuhr er in die Freiheit. Sechs Monate später wurde er jedoch erneut verhaftet und an die USA ausgeliefert. 

(THH) 

Foto(s): ©Adobe Stock/Stock.Foto.Touch

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