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Kein Fahrverbot bei Krankheit des Verkehrssünders?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Bestimmte Verkehrsverstöße ziehen nicht nur eine Geldbuße oder Punkte in Flensburg nach sich, sondern unter anderem auch ein Fahrverbot. Hier wird dem Betroffenen verboten, für eine bestimmte Zeit – zwischen einem Monat und drei Monaten – ein Fahrzeug zu führen. Ist der Verkehrssünder aber genau hierauf angewiesen, sind Probleme vorprogrammiert. Ein Brummifahrer beispielsweise könnte aufgrund eines Fahrverbots seiner Arbeit nicht mehr nachgehen und müsste um seinen Job fürchten. Aber auch Kranke, die etwa regelmäßig zum Arzt fahren müssen, könnten Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung ihrer Termine bekommen. Doch kann deswegen von einem Fahrverbot abgesehen werden?

Kein Fahrverbot trotz Rotlichtverstoß?

Ein Rotlichtverstoß kam einen Autofahrer teuer zu stehen. Die zuständige Bußgeldbehörde setzte gegen ihn nämlich nicht nur eine Geldbuße von 200 Euro, sondern auch ein einmonatiges Fahrverbot fest. Das jedoch wollte der Autofahrer nicht akzeptieren.

Schließlich leide er zurzeit an einer Lungenkrankheit und müsse daher zweimal in der Woche zu einem Facharzt. Die einfache Strecke zu dem Arzt betrage 15 km, die er auch nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen könne. Die nächste Bushaltestelle sei nämlich 2 km entfernt – aufgrund seiner Krankheit könne er die Strecke unmöglich laufen. Weil er derzeit nur Krankengeld in Höhe von 588 Euro beziehe und ansonsten über kein Vermögen verfüge, könne er es sich auch nicht leisten, einen Fahrer anzustellen bzw. jedes Mal ein Taxi zu nutzen. Im Übrigen sei seine Tochter berufstätig und könne ihn daher ebenfalls nicht zum Arzt fahren.

Nachdem das zuständige Amtsgericht (AG) aufgrund der Aussagen des Betroffenen von einem Fahrverbot abgesehen und dafür die Geldbuße auf 500 Euro erhöht hatte, reichte die Staatsanwaltschaft gegen das entsprechende Urteil Rechtsbeschwerde ein.

Unzumutbarkeit des Fahrverbots?

Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg kam zu dem Ergebnis, dass sich die Vorinstanz vorwiegend auf die Aussagen des Verkehrssünders verlassen hatte, ohne zu überprüfen, ob er nicht trotz Fahrverbot seine Arzttermine wahrnehmen kann. Die Richter hoben daher das Urteil des AG auf und wiesen den Rechtsstreit an dieses zurück.

Fahrverbot kein „Muss“

Begeht ein Verkehrsteilnehmer eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 Straßenverkehrsgesetz (StVG), kann gegen ihn ein Fahrverbot von ein bis drei Monaten verhängt werden, vgl. § 4 I 1 Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV). Die Bußgeldbehörde ist hierzu aber nicht verpflichtet – sie kann im Ausnahmefall von einem Fahrverbot absehen, z. B. weil es für den Betroffenen eine unzumutbare Härte darstellen würde. Allerdings soll in diesem Fall nach § 4 IV BKatV das Bußgeld erhöht werden.

Vorliegend war es theoretisch also durchaus möglich, kein Fahrverbot gegen den lungenkranken Verkehrssünder zu verhängen. Allerdings hatte das AG praktisch nicht überprüft, ob es tatsächlich einen Grund für das Absehen vom Fahrverbot gibt, sondern sich kurzerhand auf die Angaben des Betroffenen verlassen. Das könnte aber zu dem unerwünschten Ergebnis führen, dass der jeweilige Verkehrsteilnehmer durch seine Schilderungen den Richter zu seinen Gunsten beeinflusst.

Wie viele Arztbesuche sind tatsächlich nötig?

Nach Ansicht des OLG war nach wie vor unklar, ob der Verkehrssünder tatsächlich zweimal in der Woche zum Arzt muss. In diesem Zusammenhang hätte insbesondere nach der Art der Erkrankung und ihren Auswirkungen auf den Betroffenen gefragt werden müssen. Hier wäre es möglich gewesen, sich z. B. mittels eines Sachverständigengutachtens oder einer Befragung des Arztes Klarheit zu verschaffen.

Fahrverbot – welche Alternativen hat der Betroffene?

Ferner hätte überprüft werden müssen, welche Alternativen dem Verkehrssünder zur Verfügung stehen, wenn er aufgrund des Fahrverbots nicht selbst mit seinem Auto zum Arzt fahren kann. So wäre es ihm etwa zumutbar, Nachbarn oder Freunde zu bitten, ihn zum Arzt oder wenigstens zur 2 km entfernten Bushaltestellte zu bringen – notfalls gegen ein geringes Entgelt. Auch könnte er ein Taxi bestellen, das ihn bis zur Bushaltestelle befördert. Danach wäre es ihm möglich, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Arzt zu fahren. Hierbei würden sich die Kosten in einem zumutbaren Rahmen halten. Letztlich hätte der Verkehrssünder bei seiner Krankenkasse nachfragen können, ob sie gemäß § 60 I 3 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) die Fahrtkosten übernimmt.

Kein Vermögen – dennoch erhöhte Geldbuße?

Des Weiteren hielt das OLG die Argumentation des AG für widersprüchlich. Denn einerseits hob dieses – wegen des Absehens vom Fahrverbot – die Geldbuße von 200 Euro auf 500 Euro an, ohne sich über die Finanzen des Verkehrssünders Gedanken zu machen. Andererseits hielt es das AG aus finanziellen Gründen für unzumutbar, dass der Betroffene regelmäßig mit dem Taxi zum Arzt bzw. zur Bushaltestelle fahren soll. Hätte er jedoch das Fahrverbot angetreten und lediglich die Regelgeldbuße in Höhe von 200 Euro zahlen müssen, hätte er die restlichen 300 Euro für Taxifahrten ausgeben können. Im Übrigen hätte das AG die Aussage des Lungenkranken zu seinen Finanzen überprüfen müssen – immerhin besitzt er nach wie vor ein eigenes Auto und kann dies unterhalten, also z. B. Steuer und Versicherung sowie Benzin bezahlen.

Fazit: Droht ein Fahrverbot, kann es unter Umständen umgangen werden. Hieran werden jedoch strenge Voraussetzungen geknüpft. Das zuständige Gericht muss daher genau prüfen, ob das Fahrverbot für den Betroffenen etwa eine unzumutbare Härte oder gar Existenzbedrohung darstellen würde.

(OLG Bamberg, Beschluss v. 17.01.2017, Az.: 3 Ss OWi 1620/16)

(VOI)

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