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Nicht jeder Ehevertrag hat vor Gericht Bestand

  • 6 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

Auch wenn man bei der Hochzeit bekannterweise noch auf Wolke sieben schwebt, gibt es aus rechtlicher Sicht viele Aspekte im Zusammenhang mit der Ehe zu beachten. Um späterem Streit vorzubeugen, schließen viele Ehepaare vor oder während der Ehe einen Ehevertrag. Doch nicht immer geht der Plan auf, denn erst kürzlich zeigte der Bundesgerichtshof (BGH) wieder mal, dass nicht jeder Ehevertrag auch vor Gericht Bestand hat. Die juristische Redaktion von anwalt.de klärt deshalb die wichtigsten Grundsätze zum Ehevertrag und zeigt auf, welche Grenzen die Gerichte für die Gestaltung solcher Verträge gezogen haben. 

Grundsätzliches zum Ehevertrag

Was ist ein Ehevertrag?

Der Ehevertrag ist, wie der Name schon sagt, grundsätzlich ein Vertrag zwischen zwei Ehepartnern, der vielfach aber bereits vor Eingehung der Ehe geschlossen wird. Entgegen dem weitverbreiteten Irrglauben ist dies aber nicht zwingend erforderlich, denn nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes kann er auch noch während der Ehe geschlossen werden. Definiert wird der Ehevertrag im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) als vertragliche Regelung der güterrechtlichen Verhältnisse eines Ehepaars. Praktisch gesehen gehen aber viele Eheverträge über diesen engen gesetzlichen Begriff hinaus, denn sie regeln zusätzlich zu der güterrechtlichen Beziehung häufig auch den Versorgungsausgleich oder den nachehelichen Unterhalt. 

Was regelt der Ehevertrag?

Was der Ehevertrag genau regelt, legen die Ehepartner fest. Der Ehevertrag kann deshalb sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Ganz allgemein gibt es mit dem Güterstand, dem Unterhalt und der Altersvorsorge aber drei klassische Themen, die sowohl gemeinschaftlich als auch einzeln in einem Ehevertrag geregelt sein können. Ehepaare haben daher die Möglichkeit, ihre Rechtsbeziehung umfassend zu regeln oder nur einzelne Aspekte, wie z. B., dass ein Unternehmen nicht zum Vermögen des Ehepaares zählen soll, aufzugreifen. Es gibt auch Paare, die nicht nur ihre Finanzen im Ehevertrag regeln, sondern auch explizite Regelungen zum Eheleben selbst aufnehmen wie z. B. einen etwaigen Kinderwunsch.  

Ist ein Ehevertrag notwendig?

Ob ein Ehevertrag notwendig oder sinnvoll ist, lässt sich pauschal nicht sagen, sondern hängt immer vom Einzelfall, sprich dem individuellen Ehepaar, ab. Das gesetzliche Eherecht hat ein Modell der Ehe umfassend geregelt und enthält verschiedene detaillierte Bestimmungen zum festgelegten Güterstand der Zugewinngemeinschaft, zu Unterhaltsansprüchen und zum Versorgungsausgleich. Bei vielen Familien führen diese gesetzlichen Regelungen auch im Falle einer Trennung zu einem gerechten und fairen Ausgleich, sodass sie keinen Ehevertrag benötigen. 

Es gibt aber auch Konstellationen der Ehe, bei denen dieses gesetzliche Modell nicht passt. Diese Ehepaare benötigen daher einen Ehevertrag, um ihre rechtlichen Beziehungen anders zu regeln. Typische Beispiele für solche Fälle, bei denen ein Ehevertrag sinnvoll oder notwendig sein kann, sind etwa Unternehmerehen oder Ehen von Paaren mit unterschiedlichem Vermögen oder unterschiedlicher Nationalität. 

Welche Form muss der Ehevertrag haben?

Bei der inhaltlichen Gestaltung des Ehevertrags haben Ehepartner sehr große Gestaltungsmöglichkeiten, sodass der Vertrag wirtschaftlich und rechtlich sehr weitreichende Folgen haben kann. Damit sich die Eheleute über die Bedeutung und Tragweite der eingegangenen Vereinbarung bewusst sind, hat der Gesetzgeber für den Ehevertrag die notarielle Beurkundung vorgeschrieben. Ein Ehevertrag ist deshalb erst dann wirksam abgeschlossen, wenn beide Ehepartner zeitgleich mit dem Vertrag beim Notar waren. Der Notar muss den Ehevertrag vollständig vorlesen und ggf. unklare Regelungen erklären. Nur wenn beide Ehepartner den Vertrag anschließend vor dem Notar unterschreiben und der Notar dies mit Siegel und Unterschrift beurkundet, ist der Ehevertrag rechtswirksam geschlossen. 

Grenzen der Vertragsgestaltung

Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit steht es Ehepartnern grundsätzlich frei, ihre rechtlichen Beziehung anders zu regeln als in den Regelungen des BGB. Dennoch gibt es inhaltliche Grenzen. Diese sind gesetzlich kaum geregelt, jedoch hat die Rechtsprechung wichtige Leitlinien gezogen. Hierbei hat zunächst das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einer zentralen Grundsatzentscheidung das Tor für eine richterliche Inhaltskontrolle von Eheverträgen geöffnet und der BGH anschließend inhaltliche Schranken für den Ehevertrag aufgestellt, die er mit dem jüngst veröffentlichten Beschluss vom 15.03.2017 erneut bestätigte.  

Grundsatzentscheidung des BVerfG 2001

Bereits im Jahr 2001 hat das BVerfG eine zentrale Entscheidung für die Frage getroffen, inwieweit Eheverträge inhaltlich überhaupt von den Gerichten überprüft werden dürfen, denn der Grundsatz der Vertragsfreiheit ist Teil der grundrechtlich geschützten Handlungsfreiheit. In ihrer Entscheidung stellten die Karlsruher Richter jedoch explizit fest, dass die Vertragsfreiheit nur dann gegeben ist, wenn bei beiden Vertragsparteien die Bedingungen der Selbstbestimmung tatsächlich gegeben sind. Hat hingegen eine der beiden Vertragsparteien eine so starke Verhandlungsposition, dass sie die Vertragsbedingungen faktisch einseitig bestimmen und der anderen Vertragspartei entsprechende Lasten aufbürden kann, sind die Grenzen der Vertragsfreiheit erreicht. Damit sich die Vertragsfreiheit bei ungleichen Verhandlungspositionen nicht ins Gegenteil verkehrt und die Selbstbestimmung zur Fremdbestimmung wird, dürfen Gerichte in solchen Fällen eingreifen. 

Das gilt ausdrücklich auch für Eheverträge. Deshalb sind Eheleute zwar grundsätzlich frei, ihre ehelichen Beziehungen sowie wechselseitigen Rechte und Pflichten mithilfe von Verträgen zu gestalten, jedoch nur dann, wenn ihr Ehevertrag Ausdruck und Ergebnis einer gleichberechtigten Lebenspartnerschaft ist. Beruht der Vertrag hingegen durch ungleiche Verhandlungspositionen auf der einseitigen Dominanz eines Ehepartners, ist dies nicht mehr von der Vertragsfreiheit gedeckt, und die Gerichte können den Vertrag inhaltlich auf seine Angemessenheit hin kontrollieren. (BVerfG, Urteil v. 06.02.2001, Az.: 1 BvR 12/92)

Vom BGH entwickelte Schranken für Eheverträge

In der Folge der Leitentscheidung des BVerfG überprüfte der BGH seine bis dahin geltende Rechtsprechung zur vollen Vertragsfreiheit bei Eheverträgen und stellte entscheidende inhaltliche Schranken für Eheverträge auf. Seitdem müssen Eheverträge den Grenzen der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) und des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) standhalten. Bis auf wenige Ausnahmen ist für diese Hürden nicht eine explizite Regelung ausschlaggebend, sondern vielmehr die Gesamtschau der getroffenen Vereinbarungen, der Gründe und Umstände ihres Zustandekommens sowie die von den Eheleuten beabsichtigte und schließlich verwirklichte Gestaltung des ehelichen Lebens. Es ist daher grundsätzlich möglich, im Ehevertrag auf bestimmte Ansprüche teilweise oder ganz zu verzichten – solange der Ehevertrag den Schutzzweck der gesetzlich definierten Scheidungsfolgen nicht vollständig unterläuft. Dabei gibt es zwar keinen klar definierten unabdingbaren Mindeststandard, aber der wirtschaftlich schwächer gestellte Ehepartner muss auch im Ehevertrag einen entsprechenden Ausgleich erhalten (BGH, Urteil v. 11.02.2004, Az.: XII ZR 265/02). 

Diese Rechtsprechung bestätigte der BGH in einem aktuellen Fall (BGH, Beschluss v. 15.03.2017, Az.: XII ZB 109/16), bei dem beide Ehepartner im Ehevertrag auf den nachehelichen Unterhalt, den Zugewinnausgleich und den Versorgungsausgleich verzichteten. Der BGH stellte ausdrücklich klar, dass jede dieser drei Verzichtsklausen für sich genommen wirksam hätte sein können, in der Gesamtwürdigung war der Ehevertrag aber sittenwidrig, denn im Zusammenspiel zielten alle enthaltenen Regelungen dieses Ehevertrags auf die einseitige Benachteiligung eines Ehepartners ab. Ausführliche Informationen zu diesem Fall finden Sie hier

Ausschluss bestimmter Unterhaltsarten

Auch wenn keine absolut unwirksamen Klauseln existieren, gibt es dennoch Regelungen, bei denen Ehepartner besonders vorsichtig sein sollten. Besonders sensibel sind dabei die Regelungen zum Betreuungsunterhalt, zum Unterhalt wegen Krankheit und zum Unterhalt wegen Alters. Diese Unterhaltsarten können nur äußerst schwer im Ehevertrag ausgeschlossen werden. Grund dafür ist, dass z. B. der Betreuungsunterhalt vordergründig nicht im Interesse des Ehepartners, sondern im Interesse des gemeinsamen Kindes zu zahlen ist. 

Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei Schwangeren

Auch beim Ausschluss des Anspruchs auf Versorgungsausgleich ist Vorsicht geboten, wenn die Ehefrau zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ehevertrags schwanger ist. Hier wissen die Ehepartner schon beim Vertragsschluss, dass die Ehefrau zur Betreuung des Kindes zeitweise aus dem Berufsleben ausscheiden muss und durch den Ehevertrag keine Versorgungsrechte erwerben wird.

Fazit: Auch bei Eheverträgen herrscht keine vollständige Vertragsfreiheit, sondern es müssen bei ihrer Gestaltung Grenzen beachtet werden. Werden diese Grenzen nicht eingehalten, droht der Ehevertrag im schlimmsten Fall unwirksam und damit im Endeffekt wertlos zu werden. Daher sollten Ehepaare ihren Vertrag im Zweifel prüfen lassen, damit der Vertrag später auch vor Gericht Bestand hat.

Foto(s): fotolia.com

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