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Wie kann Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen werden?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Niemand ist vor Krankheiten gefeit. Wer der Ansicht ist, deswegen nicht in die Arbeit gehen zu können, ruft zunächst bei seinem Chef an und meldet sich krank. Spätestens nach drei Tagen muss man aber nachweisen, dass man tatsächlich arbeitsunfähig ist. Dies geschieht meist durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des eigenen Hausarztes. Dennoch haben Arbeitgeber oft den Verdacht, dass der betreffende Angestellte in Wahrheit blaumacht, und verlangen einen weiteren Nachweis. Doch reicht hierfür die Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) aus?

Medizinischer Dienst attestiert Arbeitsunfähigkeit

Eine Verkaufsberaterin kündigte wegen Arbeitsplatzkonflikten am 27.10.2015 ihr Arbeitsverhältnis schriftlich mit einer Frist zum 31.01.2016. Noch am Tag der Kündigungserklärung ließ sie sich von ihrem Hausarzt krankschreiben. Allerdings verweigerte der Arbeitgeber jegliche Entgeltfortzahlung. Er bezweifelte nämlich, dass die Angestellte tatsächlich krank war. So habe sie an ihrem letzten Arbeitstag keinerlei Krankheitssymptome gezeigt. Im Übrigen habe die Frau ohnehin am 27.10.2015 auch noch fristlos gekündigt – wenn auch nur mündlich –, weshalb er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zur sechswöchigen Entgeltfortzahlung verpflichtet sei.

Dennoch ließ der Arbeitgeber die Verkaufsberaterin zweimal vom MDK untersuchen, deren Ärzte jedes Mal die Arbeitsunfähigkeit der Frau bestätigten. Die zog daraufhin vor Gericht und verklagte ihren ehemaligen Chef auf Entgeltfortzahlung für sechs Wochen ab Eintritt der Arbeitsunfähigkeit.

Anspruch auf Entgeltfortzahlung

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg kam zu dem Ergebnis, dass die Verkaufsberaterin Anspruch auf die verlangte Entgeltfortzahlung hat.

Nachweis der Arbeitsunfähigkeit

Gemäß § 3 I Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) kann ein kranker Mitarbeiter grundsätzlich bis zu sechs Wochen Entgeltfortzahlung verlangen, wenn er aufgrund einer Erkrankung nicht arbeiten kann und die Arbeitsunfähigkeit explizit nachweist.

In der Regel erfolgt der Beweis durch Vorlage einer sog. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Hausarzt des kranken Mitarbeiters. Wurde die aber nicht ordnungsgemäß ausgestellt – etwa weil der Arzt die Bescheinigung nicht unterschrieben hat – und/oder bezweifelt der Chef den Wahrheitsgehalt des Attests, ist guter Rat teuer.

Der Arbeitgeber hat hier das Recht, durch den MDK eine zeitnahe Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit durchführen zu lassen, vgl. § 275 I Nr. 3, Ia 3 Sozialgesetzbuch 5 (SGB V). Solche Checks gehören schließlich zu den üblichen Aufgaben des MDK. Die begutachtenden Ärzte müssen bei der Untersuchung des Beschäftigten neutral bleiben und sind daher lediglich ihrem Gewissen unterworfen. Der Arbeitgeber kann sich also sicher sein, dass das Untersuchungsergebnis nicht von Dritten beeinflusst wurde, sondern der Wahrheit entspricht.

Anderes gilt nur, wenn konkrete Umstände den Verdacht nahelegen, dass der Arzt des MDK z. B. vom Beschäftigten zum Lügen angestiftet wurde. Hier muss dann aber der Arbeitgeber konkret darlegen, warum das Untersuchungsergebnis angeblich falsch ist.

Vorliegend hat der MDK auf Antrag des Arbeitgebers die Verkaufsberaterin zeitnah untersucht und deren Arbeitsunfähigkeit festgestellt. Dieses Begutachtungsergebnis war ein taugliches Mittel, um die Arbeitsunfähigkeit der Frau nachzuweisen – auch hat der Arbeitgeber nicht behauptet, dass die betreffenden Ärzte Fehler gemacht haben. Da die Angestellte somit aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig war, durfte sie auch für insgesamt sechs Wochen Entgeltfortzahlung verlangen.

Keine Entgeltfortzahlung wegen fristloser Kündigung?

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entfällt allerdings, wenn die Erkrankung nicht der einzige Grund dafür ist, warum der Beschäftigte der Arbeit fernbleiben durfte. Das wäre z. B. der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis längst beendet wurde oder wenn der Angestellte während einer kündigungsbedingten Freistellung oder eines – dem Überstundenabbau dienenden – Freizeitausgleichs erkrankt.

Vorliegend hatte der Arbeitgeber behauptet, dass die Verkaufsberaterin das Arbeitsverhältnis mündlich bereits am 27.10.2015 fristlos gekündigt hatte. Das Gericht stellte jedoch klar, dass eine Kündigung nach § 623 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der Schriftform bedarf. Die etwaige mündliche fristlose Kündigung der Beschäftigten wäre also in jedem Fall unwirksam gewesen und hätte nicht zum Entfallen des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung geführt.

Fazit: Erkrankt ein Beschäftigter, muss er nachweisen, dass er deswegen nicht arbeiten kann. Taugliche Beweismittel sind dabei insbesondere die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Hausarztes oder auch die Feststellung des MDK, dass der Angestellte tatsächlich nicht arbeiten kann.

(LAG Baden-Württemberg, Urteil v. 06.07.2016, Az.: 9 Sa 20/16)

(VOI)

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