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Fristlose Kündigung von Busengrapscher rechtswidrig

  • 3 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

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Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist kein Kavaliersdelikt. Einen sofortigen Rauswurf rechtfertigt das aber nicht immer, meint das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung. Damit ernten die Erfurter Richter Kritik. Die Redaktion von anwalt.de informiert über diesen bemerkenswerten Fall.

Was war geschehen?

Der sexuelle Übergriff ereignete sich im Sozialraum einer Autowerkstatt, wo eine externe Reinigungskraft sich mit einigen Mitarbeitern unterhielt. Nachdem zwei Mitarbeiter den Raum verlassen hatten, entwickelte sich mit der Reinigungskraft und einem Automechaniker ein Gespräch.

Als er sich gerade die Hände wusch, stand die Frau neben ihm. Er sagte zu ihr, dass sie einen schönen Busen habe und fasste ihr an die Brust. Nachdem sie erklärte, dass sie das nicht wünsche, ließ der Mann sofort von ihr ab. Er zog sich um und verließ den Raum.

Die Reinigungskraft berichtete ihrem Arbeitgeber von dem Vorfall, der wiederum den Arbeitgeber des Automechanikers davon in Kenntnis setzte. Dieser bestellte seine Arbeitnehmer zu einem Personalgespräch ein, bei dem der Busengrapscher meinte, ihm täte der Fall leid und er schäme sich für sein Verhalten. Es sei ein einmaliger Ausrutscher gewesen, so etwas würde sich nicht wiederholen. Der Arbeitgeber kündigte dem Mann fristlos.

Gegen die Kündigung legte der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage ein.

Er entschuldigte sich schriftlich bei seinem Opfer, führte einen Täter-Opfer-Ausgleich durch und zahlte ihr ein Schmerzensgeld. Infolgedessen verzichtete die Frau auf eine weitere strafrechtliche Verfolgung, das Verfahren wurde eingestellt.

Nachdem das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen und die außerordentliche Kündigung bestätigt hatte, zog der Arbeitnehmer vor das Landesarbeitsgericht. Das beurteilte die Kündigung für unzulässig. Es habe sich um einen einmaligen Ausrutscher gehandelt, eine Abmahnung hätte in diesem Fall ausgereicht. Dieser Ansicht schloss sich das BAG an.

Konkrete Tatumstände sind entscheidend

Ihr Urteil stützten die Erfurter Richter auf die Umstände in diesem konkreten Einzelfall. Der Übergriff stellte zwar eindeutig eine sexuelle Belästigung im Sinn von § 3 Abs. 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und damit eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten dar. In solchen Fällen habe der Arbeitgeber andere Mitarbeiter – intern oder extern – vor weiteren sexuellen Übergriffen zu schützen und deshalb geeignete Maßnahmen zu treffen. Insbesondere hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass sich sexuelle Übergriffe nicht wiederholen.

Allerdings habe der Mann sofort von seinem Opfer abgelassen, sich im Nachhinein entschuldigt und deutlich gemacht, dass es sich um einen „Blackout“ gehandelt habe. Damit würde keine Wiederholungsgefahr bestehen. Eine Abmahnung wäre hier eine angemessene Reaktion gewesen – schließlich habe das Verhalten des Mannes, der seit 1996 bei dem Arbeitgeber beschäftigt war – noch nie einen Anlass zur Beanstandung gegeben, argumentierten die Arbeitsrichter.

Schlussfolgerungen aus dem Urteil

In Anbetracht, dass die Täter bei sexuellen Übergriffen häufig die Ausrede bringen, es habe sich nur um einen einmaligen Vorfall gehandelt, dürfte die Entscheidung von einiger Praxisrelevanz sein. Kommt es zu einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz, muss der Arbeitgeber einerseits geeignete Maßnahmen zum Schutz seiner anderen Mitarbeiter gegenüber dem Täter treffen. Allerdings muss er nun – aufgrund dieser Entscheidung – stets die Umstände des Einzelfalls berücksichtigen und ggf. zunächst eine Abmahnung erteilen.

Aus Opfersicht wäre jedoch eine Abänderung dieser Wertung durch das BAG wünschenswert. Schließlich ist eine sexuelle Belästigung ein Eingriff in die Intimsphäre des Opfers, mithin ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit im Sinn von Artikel 2 Grundgesetz (GG). Sogar verbale Attacken und Übergriffe können den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen. Unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten verletzt die Würde des Opfers. Die Berücksichtigung zugunsten des Täters, dass die Frau den Strafprozess im vorliegenden Fall nicht mehr weiterverfolgte, bereitet ebenfalls Bauchschmerzen. Denn Opfer sexueller Belästigung scheuen häufig vor einem durchaus langfristigen Strafverfahren mit all seinen Belastungen zurück.

Nichtsdestotrotz: Indem die Richter auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abstellen, bleibt nach wie vor den Arbeitsgerichten Spielraum, in entsprechenden Fällen nicht so milde zu reagieren wie dies hier geschehen ist. Eines sollte klar sein: Bei einem sexuellen Übergriff droht nach wie vor die fristlose Entlassung. Deshalb ist es dringend anzuraten, sich anderen Menschen gegenüber angemessen und respektvoll zu verhalten.

(BAG, Urteil v. 20.11.2014, Az.: 2 AZR 651/13)

(WEL)

Foto(s): ©Fotolia.com

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