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Überstunden - was sind sie wert und wie werden sie ausgeglichen?

  • 4 Minuten Lesezeit
Monique Michel anwalt.de-Redaktion

Wie viel Arbeit für wie viel Geld? Diese Frage beschäftigt regelmäßig nicht nur die Tarifparteien, sondern auch die Politik, wenn es um die Rechtsgrundlagen der allgemeinen Arbeitszeit geht. Gerne wurde bisher die fest etablierte 35-Stunden-Woche unseres Nachbarlandes Frankreich zum Vergleich herangezogen. Doch diese Errungenschaft der französischen Gewerkschaften ist jetzt gefallen: Nach dem Motto von Präsident Sarkozy, "Mehr arbeiten, um mehr zu verdienen", dürfen künftig längere Arbeitszeiten vereinbart und mehr Überstunden pro Jahr geleistet werden. Die Gesetzesänderung soll Frankreichs Wettbewerbsfähigkeit verbessern und ist Anlass für die Redaktion von anwalt.de, einen Überblick über die Arbeitszeitregelungen in Deutschland im Hinblick auf Überstunden und ihre Abgeltung zu geben.


[image] Die Begriffe: Überstunden und Mehrarbeit

Der Begriff der „Überstunde“ ist bis heute nicht vom Gesetzgeber definiert worden und wird daher in Rechtsprechung, Gesetzgebung und arbeitsrechtlichen Verträgen uneinheitlich verwendet. Häufig spricht man dabei auch von „Mehrarbeit“, doch grundsätzlich unterscheiden sich beide Begriffe:

  • Überstunde: Geleistete Arbeitszeit, die über die regelmäßige, betriebsübliche Arbeitszeit hinausgeht.
  • Mehrarbeit: Geleistete Arbeitszeit, die über die individuelle, vertraglich festgelegte Arbeitszeit hinausgeht bis zur Grenze der betriebsüblichen Arbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte.

Die Unterscheidung wirkt sich nur bei Teilzeitbeschäftigten aus. Sie leisten bis zur betrieblichen Arbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten „Mehrarbeit“ und erst darüberhinaus „Überstunden“.

  

Die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG)

In keinem Fall dürfen Überstunden jedoch das Höchstmaß der Arbeitszeiten nach dem Arbeitszeitgesetz überschreiten. Die gesetzliche Höchstarbeitszeit ist gemäß § 3 ArbZG auf 8 Stunden pro Werktag begrenzt. Ruhepausen werden dabei nicht eingerechnet. Eine Erhöhung auf 10 Stunden tägliche Arbeitszeit, z.B. zur flexibleren Arbeitsverteilung bei Auslastungsschwankungen, ist nur möglich, wenn innerhalb von 6 Monaten bzw. 24 Wochen die durchschnittliche Arbeitszeit des einzelnen Arbeitnehmers die Höchstgrenze von 8 Stunden/Tag nicht überschreitet.

Hinweis: Überstunden sind nur zulässig, wenn sie tarifvertraglich, durch Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag vorgesehen sind. Anderenfalls darf der Arbeitgeber nur in absoluten Notfällen von seinen Arbeitnehmern Überstunden verlangen.

   

Wo sind Überstunden und ihr Ausgleich geregelt?

Das Gesetz trifft keine ausdrückliche Regelung zur Vergütung von Überstunden. Die allgemeine Vorschrift des § 612 BGB bestimmt allerdings, dass eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung (Arbeit) nur gegen Vergütung zu erwarten ist. Daraus lässt sich auch ein grundsätzlicher Anspruch auf Überstundenvergütung ableiten.

Für die meisten Arbeitsverhältnisse gelten jedoch konkrete Überstundenregelungen. Sie ergeben sich beispielsweise aus dem geltenden Tarifvertrag, aus einer Betriebsvereinbarung oder auch direkt aus dem Arbeitsvertrag selbst.

    

Mehr Arbeit gleich mehr Geld?

Wenn nichts anderes vereinbart ist, sind Überstunden mit dem für die Regelarbeitszeit vereinbarten Lohn auszugleichen. Vielfach finden sich aber auch detaillierte Bestimmungen zur Höhe bzw. Berechnung des Überstundenlohns im Tarifvertrag, der Betriebsvereinbarung oder dem einzelnen Arbeitsvertrag. Hier können auch Zuschläge festgelegt werden, z.B. für Nachtarbeit oder Sonn- und Feiertagsarbeit.

  

Alternative: Freizeitausgleich

Weil Überstunden eigentlich nur dazu dienen sollen, besondere Arbeitsspitzen eines Unternehmens aufzufangen, ist für viele Arbeitgeber der Ausgleich von Überstunden durch Freizeit für den Arbeitnehmer attraktiver als die Bezahlung von Überstundenlohn. Sofern nicht bereits Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung diese Möglichkeit des Freizeitsausgleichs vorsehen, kann der Arbeitgeber sie im Arbeitsvertrag vereinbaren. Den Zeitpunkt des Freizeitausgleichs kann der Arbeitgeber bestimmen. Ohne entsprechende ausdrückliche Regelung darf der Arbeitgeber jedoch nicht auf Freizeitausgleich für Überstunden ausweichen.

  

Anordnung von Überstunden

Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch wegen Überstunden ist immer die direkte oder jedenfalls konkludente Anordnung der Überstunden durch den Arbeitgeber. Überstunden liegen nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitnehmer einfach länger als vertraglich vereinbart arbeitet. Die Entscheidung über die Ableistung von Überstunden bleibt stets dem Arbeitgeber vorbehalten. Er kann die Überstunden direkt anweisen oder konkludent, indem er seinem Mitarbeiter Arbeiten überträgt, die erkennbar nur durch Überstunden zu leisten sind.

Der Arbeitgeber darf jedoch keine Überstunden anordnen, wenn konkrete, wichtige Belange des Arbeitnehmers entgegenstehen. Entgegenstehende Belange wären etwa die Gesundheitsgefährdung des Arbeitnehmers bei Überstunden oder fehlende Betreuung seiner Kinder während dieser Zeit. 

    

Keine Ansprüche bei Pauschalabgeltung?

Sehr beliebt auf Arbeitgeberseite ist eine pauschale Abgeltung von Überstunden im Arbeitsvertrag.

Beispiel: „Durch das Grundgehalt sind alle eventuell geleisteten Überstunden bereits abgegolten.“ Solche allgemeinen Abgeltungen sind jedoch zunehmend in der Kritik, weil der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss nicht weiß, wie viel Lohn er tatsächlich für wie viel Arbeitsstunden erhalten wird. Damit kann ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 BGB vorliegen (AGB-Kontrolle bei Formulararbeitsvertrag) bzw. ein krasses Missverhältnis zwischen Leistung und Entlohnung entstehen.

Unbedenklicher sind Klauseln, wonach nur eine begrenzte Anzahl an Überstunden pauschal abgegolten ist.

Beispiel: „Mit der genannten Vergütung sind Über-, Mehr-, Sonn- und Feiertagsarbeit, soweit sie nicht mehr als [...] Stunden betragen, abgegolten.“

Ob eine pauschale Abgeltungsklausel jedoch wirksam ist, lässt sich nur im konkreten Einzelfall bestimmen. Hier ist dringend die Einholung von kompetentem Rechtsrat beim Anwalt zu empfehlen.

    

Überstunden von Azubis, Müttern und Behinderten

Azubis, Schwangere bzw. Frauen im Mutterschutz sowie Behinderte gelten als besonders schutzwürdige Arbeitnehmer. Dementsprechend hat der Gesetzgeber besondere Regelungen hinsichtlich der Leistung von Überstunden durch diese Beschäftigten getroffen:

Azubis und Arbeitnehmer unter 18 Jahren unterliegen dem Jugendarbeitsschutzgesetz (JarbSchG). Sie dürfen nach § 21 JarbSchG nur in unaufschiebbaren, vorübergehenden Notfällen und wenn kein Erwachsener zur Verfügung steht zu Überstunden verpflichtet werden. Für ihre Mehrarbeit müssen sie innerhalb von 3 Wochen entsprechenden Freizeitausgleich erhalten. Volljährige Azubis haben Anspruch auf Überstundenvergütung nach § 17 Abs. 3 Berufsbildungsgesetz (BBiG), sofern sie keinen Freizeitausgleich erhalten.

Frauen im Mutterschutz (6 Wochen vor bis 8 Wochen nach der Entbindung) dürfen nach §§ 3, 6 Mutterschutzgesetz gar nicht beschäftigt werden, nur auf ausdrücklichen eigenen Wunsch hin. Mehrarbeit darf keinesfalls angeordnet werden (§ 8 Abs. 1 MuSchG) und muss von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigt werden.

Auch Schwerbehinderte und die ihnen Gleichgestellten müssen keine Mehrarbeit leisten, sie können nach § 124 SGB IX die Freistellung von Mehrarbeit verlangen. 

(MIC)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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