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Abwicklungsvertrag: Gutes Arbeitszeugnis bei Klageverzicht?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung wird dem Beschäftigten häufig ein sog. Abwicklungsvertrag vorgelegt. Hier werden die Folgen der Kündigung einvernehmlich geregelt, also z. B. dass der Angestellte freigestellt wird oder sich dazu verpflichtet, keine Kündigungsschutzklage zu erheben. Doch ist der Verzicht auf das Klagerecht tatsächlich zulässig oder sind derartige Vereinbarungen nichtig – mit der Folge, dass der Beschäftigte dennoch die Wirksamkeit der Kündigung gerichtlich überprüfen lassen kann?

Arbeitgeber „verspricht“ gutes Arbeitszeugnis

Ein Fleischer wurde nach einer längeren Erkrankung erfolgreich wieder in den Betrieb eingegliedert. Dennoch hatte der Arbeitgeber Zweifel, ob der Angestellte seine Arbeit nach wie vor ordnungsgemäß erledigen kann. Er kündigte dem Fleischer daher ordentlich und legte ihm ferner einen Abwicklungsvertrag vor. Danach verpflichtete sich der Mitarbeiter unter anderem, keine Kündigungsschutzklage einzureichen. Der Arbeitgeber dagegen erklärte sich in der Vereinbarung dazu bereit, ein Arbeitszeugnis mit der Note „gut“ zu erstellen.

Der Fleischer unterschrieb den Abwicklungsvertrag zunächst, fühlte sich aber kurz darauf „über den Tisch gezogen“. Er erklärte daher „die Anfechtung/den Widerruf“ der Vereinbarung und reichte beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage ein. Die Kündigung sei nämlich unwirksam, weil er einem Schwerbehinderten gleichgestellt sei und der Arbeitgeber nicht die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung eingeholt habe. Der Arbeitgeber hielt die Abwicklungsvereinbarung jedoch für wirksam – schließlich habe er dem Fleischer für den Klageverzicht eine Gegenleistung versprochen: nämlich das gute Arbeitszeugnis.

Klageverzicht war unwirksam

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied zunächst, dass der Klageverzicht gemäß § 307 I 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam ist.

Generell kann ein entlassener Beschäftigter innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine sog. Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht einreichen, vgl. § 4 S. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Erst nach Ablauf dieser Frist gilt die Kündigung gemäß § 7 KSchG als wirksam. Somit hat der Entlassene einige Wochen Zeit, um sich über die weitere Vorgehensweise und die Rechts- und Sachlage genau zu informieren bzw. einen Anwalt einzuschalten.

Diese Rechte werden immens eingeschränkt, wenn der Beschäftigte bereits vor Ablauf der Dreiwochenfrist darauf verzichtet, Kündigungsschutzklage einzureichen. Ein solcher Verzicht ist deshalb nur zulässig, wenn der Entlassene eine angemessene Gegenleistung erhält, z. B. eine gerechte Abfindung.

Das Versprechen des Arbeitgebers, dem Fleischer ein gutes Arbeitszeugnis zu erstellen, genügte diesen Anforderungen jedoch nicht. Schließlich ist ein Arbeitgeber gemäß § 109 I 1, III Gewerbeordnung (GewO) ohnehin dazu verpflichtet, ein einfaches – und auf Anforderung ein qualifiziertes – Zeugnis zu erstellen, das wohlwollend ist und der Wahrheit entspricht. Hat der Angestellte also tatsächlich gute Leistungen erbracht, muss er dies zwar grundsätzlich auch beweisen – allerdings darf der Arbeitgeber dies eigentlich auch nicht wahrheitswidrig bestreiten, vgl. § 138 Zivilprozessordnung (ZPO). Sein Entgegenkommen, keine Probleme bei der Erstellung des Arbeitszeugnisses zu machen, stellt daher ebenfalls keine geeignete Gegenleistung für einen Klageverzicht dar. Somit hat der Fleischer nicht wirksam auf sein Recht zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichtet.

Kündigung war nichtig

Das BAG hielt darüber hinaus die Kündigung für nichtig. Denn der Fleischer war gemäß § 2 III Sozialgesetzbuch 9 (SGB IX) einem Schwerbehinderten gleichgestellt. In einem solchen Fall müssen Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung eigentlich die Zustimmung des Integrationsamts einholen, vgl. § 85 SGB IX. Dies hat der Arbeitgeber vorliegend jedoch unterlassen.

Fazit: Wird einem gekündigten Mitarbeiter ein Abwicklungsvertrag samt Klageverzicht vorgelegt, sollte ihm hierfür auch eine angemessene Gegenleistung versprochen werden. Allein die Zusage, ein gutes Arbeitszeugnis zu erteilen, genügt dieser Anforderung nicht.

(BAG, Urteil v. 24.09.2015, Az.: 2 AZR 347/14)

(VOI)

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